Graphenstruktur

Bienenwabenförmige Strukturen aus Kohlenstoffatomen, sogenanntes Graphen, kann gegeneinander verdreht elektrischen Strom widerstandsfrei leiten.

Ein­blick in ein Gra­phen­-­Sand­wich

Auf der Suche nach Supraleitern mit neuartigen Eigenschaften, untersuchen Wissenschaftler Materialien, die aus mehreren Schichten bestehen. Ein Team um ERC-Preisträger Mathias Scheurer vom Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck hat die Eigenschaften von drei gegeneinander verdrehten Graphenschichten detailliert untersucht und dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen.

Seit es vor rund 20 Jahren erstmals gelungen ist, eine zweidimensionale Struktur von Kohlenstoffatomen herzustellen, fasziniert Graphen die Wissenschaft. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass zwei gegeneinander leicht verdrehte Schichten aus Graphen elektrischen Strom verlustfrei leiten können. Diese Entdeckung hat in den vergangenen Jahren Wissenschaftler veranlasst, solche geschichteten Materialien genauer zu erforschen. Ein bemerkenswertes, aktuelles Beispiel ist ein Material aus drei Graphenschichten, die spiegelsymmetrisch zueinander angeordnet sind. Es ist das erste Material, dessen Eigenschaften mit einem elektrischen Feld effizient eingestellt werden können und für das experimentell gezeigt wurde, dass es neben verschiedenen anderen Eigenschaften auch robuste Supraleitfähigkeit aufweist. „Dies macht dreischichtiges Graphen zu einem aufregenden Material für die Erforschung komplexer Vielteilchenphysik“, sagt Mathias Scheurer vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Was die genaue mikroskopische Physik des Systems ist, bleibt zunächst aber rätselhaft.“

Weil beim Überlagern regelmäßiger Muster eine Moiré-Struktur entsteht, werden solche Schichtmaterialien auch Moiré-Systeme genannt. Ein Team um Mathias Scheurer hat nun in der Zeitschrift Physical Review x ein Dreischicht-Graphen analytisch und mit Hilfe numerischer Simulationen näher untersucht. „Wir haben die Eigenschaften für eine unterschiedliche Anzahl von Elektronen pro Moiré-Zelle in Abhängigkeit von einem elektrischen Feld ermittelt und ein Phasendiagramm erstellt“, sagt der Theoretische Physiker. „Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, weil das System Freiheitsgrade mit sehr unterschiedlichen energetischen Eigenschaften aufweist.“ Dennoch ist es den Wissenschaftlern gelungen zu zeigen, dass der Grundzustand des Systems in Abwesenheit eines elektrischen Feldes aus einem Produkt des Grundzustands von Graphen und jenem von verdrehtem zweischichtigem Graphen besteht. Dies ist auch mit weiteren in der Zwischenzeit erschienenen Experimenten konsistent. „Unsere Ergebnisse belegen außerdem in Gegenwart eines elektrischen Feldes die Dominanz von isolierenden und halbmetallischen Phasen, die nur im dreischichtigen System, d.h. nicht in verdrehten zweischichtigen Graphen, vorkommen“, sagt Scheurer. Die beiden von dem Team theoretisch ermittelten, supraleitenden Zustände decken sich auch mit den Ergebnissen eines anderen Experiments.

In einer an diese theoretische Arbeit anschließende Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Abhay Pasupathy an der Columbia University, USA, konnte die Relevanz der Ergebnisse für die Physik von Moiré-Systemen bestätigt werden. Die in der Fachzeitschrift Science präsentierten Ergebnisse einer Untersuchung des Dreischicht-Systems mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops zeigen, dass in den Spektren sichtbare Wechselwirkungseffekte auch in den numerischen Berechnungen von Mathias Scheurer und seinen Kollaborateuren erfasst sind.

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