Universitätszentrum Obergurgl

Universitätszentrum Obergurgl

7. Inns­bru­cker Win­ter­school: Poten­zi­ale der Ange­wand­ten Lin­guis­tik

Von 17.­ bis 19. November 2022 fand die Innsbrucker Winterschool „Potenziale der Angewandten Linguistik“ zum siebten Mal statt, zum ersten Mal seit 2019 wieder am angestammten Ort, im Universitätszentrum Obergurgl im Tiroler Ötztal. Organisiert wurde die Winterschool von Lucia Assenzi, Monika Dannerer und Cordula Meißner vom Institut für Germanistik.

Das bewährte Grundkonzept der Winterschool – ein jährlich wechselndes Thema aus dem Bereich der Angewandten Linguistik und die Verbindung von Vorträgen renommierter Wissenschaftler*innen mit Präsentationen von hervorragenden Doktorand*innen – konnte so wieder in einem intensiven Seminarsetting stattfinden. Der Austausch erstreckt sich dabei vom Frühstück bis zu den abendlichen Diskussionsrunden am Kamin, bei denen die Nachwuchswissenschaftler*innen noch einmal Fragen aufwerfen können und aus dem Kreis der Teilnehmer*innen wertvolle inhaltliche und methodische Tipps für ihre Dissertationsprojekte erhalten. Ein weiteres Charakteristikum der Winterschool ist die Pflege des interdisziplinären Austauschs, da regelmäßig Wissenschaftler*innen anderer Fachrichtungen oder auch und Expert*innen aus der Praxis eingeladen werden.

Verweisen, Zitieren und Wiedergeben

Das diesjährige Thema „Verweisen, Zitieren und Wiedergeben: medial – interaktional – fachsprachlich“ betraf Phänomene, die allgegenwärtig sind. In Medien, im fachlichen und im wissenschaftlichen Kontext, aber auch in unserem Alltag werden die Worte anderer wiedergegeben, es wird zitiert und auf das verwiesen, was andere zu einem frühen Zeitpunkt formuliert haben. Die komplexen Anforderungen der Rekontextualisierung führen zu unterschiedlichen Formen des Zitierens und Wiedergebens, mit denen die jeweils intendierten Funktionen realisiert werden können.

Den Fokus auf das Referieren in fach(sprach)lichen Kontexten eröffnete Lisa Rhein (Darmstadt) mit ihrem Beitrag zur Funktionalisierung von Referieren, Evaluieren und Verorten für die Fremd­ und Selbstdarstellung in der mündlichen Wissenschaftskommunikation. Beijia Chen (Berlin) lenkte die Aufmerksamkeit dann auf das Zitieren in Fachzeitschriftenartikeln der Junggrammatiker an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dorothee Jahai (Darmstadt) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der Redewiedergabe in der wissenschaftlichen Politikberatung und konnte zeigen, wie sich hier Konventionen der Legitimierung offenbar erst etablieren. Johanna Freudenberg (Darmstadt) analysierte Formen und Funktionen des Verweisens in Informationsbroschüren im Kontext des Biodiversitätsdiskurses.

Teilnehmer*innen der 7. Innsbrucker Winterschool: Potenziale der Angewandten Linguistik

7. Innsbrucker Winterschool: Potenziale der Angewandten Linguistik fand im November zum ersten Mal seit 2019 wieder im Universitätszentrum Obergurgl. Im Bild die Teilnehmer*innen.

Auf das Zitieren in juristischen Kontexten gingen dann Jonas Wieschollek (Freiburg) und Joy Steigler­ Herms (Münster) mit ihren Präsentationen ein. Während Wieschollek aus juristischer Perspektive auf der Basis der Analyse von Gerichtsentscheidungen eine Typologie gerichtlicher Zitationsweisen entwickelt hat, ging es Steigler­Herms aus einem linguistischen Blickwinkel um Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion von Zitatfunktionalisierungen am Beispiel verfassungsrechtlicher Entscheidungen.

Den Reigen der Vorträge am ersten Tag schloss Eva Binder (Innsbruck) mit einem spannenden Vortrag über das Zitieren von Bildern im Film, konkret von Pieter Bruegels Jahreszeitenbild „Jäger im Schnee“ als filmische und kulturelle Chiffre u.a. in Andrej Tarkovskijs Film „Solaris“.

Den zweiten Tag eröffnete Annelen Brunner (Mannheim) mit einem Beitrag, der sich der automatisierten Erkennbarkeit von Redewiedergabe widmete und die automatischen Erkenner des Redewiedergabe­Projekts sowie ihre Nutzung zur Beantwortung von Forschungsfragen vorstellte. Hierauf folgten drei Vorträge, die das Thema der Winterschool in seiner interaktionalen Perspektive aufgriffen: Tanja Jeschke (Hildesheim) ging der Frage nach, wie sich die Multimodalität und Hybridität von Erklärvideos angemessen in der Transkription wiedergeben lässt. Louisa­Kristin Maiwald (Hildesheim) untersuchte Interaktionsstrukturen zwischen Studierenden und KiTa­Kindern in literalen Erzählfördersequenzen. Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, welchen Einfluss unterschiedliches Interaktionsverhalten seitens der Studierenden auf die eröffneten narrative Verweisräume und das Erzählverhalten der Kinder hat. Kristina Matschke (Karlsruhe) zeigte in ihrem Beitrag welche Funktionen der Einsatz animierter Rede im Geschichtsunterricht hat.

Am Freitagnachmittag und am Samstag folgten schließlich vier Vorträge, die das Verweisen, Zitieren und Wiedergeben im medialen Kontext thematisierten. Monika Kirner­Ludwig (Innsbruck) ging den Formen und Funktionen von Pseudo­Zitaten und ­Verweisen anhand von Beispielen verschiedener Social­Media­Plattformen nach. Anita Fetzer (Augsburg) zeigte anhand einer Analyse von Zeitungsüberschriften und Beiträgen in Parlamentsdebatten (aus Großbritannien), wie die sprachliche Gestaltung von Zitaten nach Kontext und kommunikativer Absicht variiert. Katharina König (Münster) widmete sich der Redewiedergabe in mobilen Messenger­Chats und stellte Affordanzen und Praktiken vor, die sich in diesem Medium beobachten lassen. Daniel Pfurtscheller (Innsbruck) nahm Zitate als mediale Wanderphänomene in den Blick und zeichnete die Wechsel in Medialität und Multimodalität anhand digitaler Zitierpraktiken nach.

Zum Bedauern aller mussten aus verschiedenen Gründen zum Teil äußerst kurzfristig mehrere Vorträge entfallen. Den interaktionalen Schwerpunkt hätten die Beiträge von Cordula Schwarze (Marburg) zum multimodalen Zitieren in Feedbackprozessen im Seminar, von Karin Birkner (Bayreuth) zum Zitieren in Krankheitsnarrativen und von Anja Stukenbrock (Heidelberg) zu therapeutischen Bezugnahmen auf Patientenäußerungen ganz wesentlich verstärkt. Der Beitrag von Elisa Eisenstecken (Stams) zu Verweisstrukturen in Buchblogrezensionen hätte die mediale Perspektive bereichert, Martin Steinseifer (Regensburg) mit seinem Beitrag zu Direktheit und Indirektheit in der fachlichen Textwiedergabe die fachsprachliche. Einen spannenden Einblick in die Europäische Ethnologie hätte Konrad Kuhn (Innsbruck) mit wissenshistorischen Überlegungen zu disziplinären Verweissystemen am Beispiel von Gewährspersonen und Autoritäten in der "Volkskunde im Alpenraum" einbringen können. Die durch die entfallenen Vorträge freiwerdende Zeit wurde für intensivere Diskussionen genutzt.

Das Wetter in Obergurgl machte der Winterschool alle Ehre. So konnte am Freitag bei leichtem Schneefall die verlängerte Mittagspause für einen Spaziergang durch den weißen Zirbenwald genutzt und der fachliche Austausch im Schnee weiter vertieft werden. Für alle Teilnehmer*innen war die Erfahrung, nach langer coronabedingter Pause wieder in Präsenz zusammentreffen und an verschiedenen Orten auch informell diskutieren zu können, eine große Bereicherung. Die nächste PAL Winterschool wird vom 16.­18. November 2023 in Obergurgl stattfinden.

Die Winterschool wäre nicht möglich gewesen ohne Sponsoren. Die Organisatorinnen danken den Fördergebern an der Universität Innsbruck (dem Vizerektorat für Forschung, dem deshalb International Relations Office, der Philologisch­Kulturwissenschaftlichen Fakultät, dem Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“, der Alpinen Forschungsstätte Obergurgl und dem Institut für Germanistik) sowie dem Verband für Angewandte Linguistik verbal für ihre finanzielle Unterstützung.

Lucia Assenzi, Monika Dannerer und Cordula Meißner

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