Stausee
Wasserkraft gilt als erneuerbarer Energieträger. Klimaneutral ist der Weg vom Stausee zur Steckdose aber nicht.

Wasser­kraft ist nicht per se klima­neut­ral

Ein Speichersee reflektiert weniger Sonnenstrahlung als seine Umgebung. Dies führt zu einem Ungleichgewicht im Strahlungshaushalt der Erde und in der Folge zu einer Erwärmung. Diese Facetten des „Albedo-Effekts“ haben Ökologen der Uni Innsbruck gemeinsam mit Südtiroler Fachkollegen für über 700 Wasserspeicherkraftwerke erstmals erforscht.

Nach aktuellem Stand erspart die Erzeugung von Wasserkraft Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2), wenn dadurch fossile Energieträger ersetzt werden. Hier geht die Wissenschaft bisher von einem kühlenden Einfluss auf das Klima aus. Stauseen haben aber, wie Naturseen eine geringere Albedo als terrestrische Ökosysteme. Sie reflektieren weniger Sonnenstrahlung, wodurch mehr Sonnenstrahlung absorbiert wird.  Wird ein Stausee errichtet, konkurrieren sich diese beiden Effekte. Die wärmende Albedo-Wirkung tritt unmittelbar ein. Der CO2-Effekt - durch die Einsparung fossiler Energieträger - entwickelt sich kumulativ, weil dieses Treibhausgas über lange Zeit, zumindest hundert Jahre, in der Atmosphäre verbleibt. „Wir haben erstmals berechnet, wie lange es bei einem Wasserspeicherkraftwerk dauert, bis der CO2-Einsparungseffekt den Albedo-Effekt besiegt. Einfach gefragt, wie lange dauert es, bis ein Stausee netto auf das Klima kühlend wirkt?“, erklärt Prof. Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie die jetzt im Fachjournal Nature Energy erschienenen Ergebnisse.
Laut den Resultaten benötigen rund die Hälfe der untersuchten Stauseen aufgrund des Albedo-Effektes weniger als vier Jahre, um netto auf das Klima kühlend zu wirken. Solche Wasserspeicherkraftwerke können gemäß der Studie zum Klimaschutz beitragen. 19 Prozent der erforschten Stauseen benötigen dazu bereits mehr als 40 Jahre. 13 Prozent der untersuchten Wasserspeicherkraftwerke brauchen wegen des Albedo-Effektes sogar mehr als 80 Jahre, bis sie durch die Einsparung von CO2 netto klimatisch kühlend wirken. „Die durchschnittliche Lebensdauer einer Wasserkraftanlage liegt global betrachtet aber bei etwa 80 Jahren. Ein Neubau solcher Anlagen ist zur Erreichung mittelfristiger Klimaziele, wie dem Pariser Abkommen mit dem Ziel, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf deutlich unter zwei Grad begrenzt zu halten, daher kontraproduktiv“, sagt der Wissenschaftler.

„Worst case“ ist flacher großer Stausee im tropischen Klima

Als „besonders problematisch“ sieht der Klimaforscher, dass ein Großteil künftiger Wasserkraftkapazitäten in den Tropen geplant ist. Schon bereits dort existente Stauseen benötigen laut den Resultaten der Gruppe vergleichsweise lange, bis sie netto einen kühlenden Einfluss auf das Klima haben. Grund dafür ist, dass in diesen Breiten die Sonneneinstrahlung hoch ist. Der Albedo-Effekt, damit die erwärmende Wirkung aufs Klima, ist daher größer. Ein weiterer Schlüsselparameter ist das Verhältnis zwischen jährlicher Energieerzeugung und Seefläche. Je kleiner der Energieertrag in Relation zur Seefläche ist, desto stärker ist der Albedo-Effekt. „Worst case ist daher ein flacher, großer Stausee im tropischen Klima“, betont Wohlfahrt.

Albedo-Effekt Speichersee

Albedo-Effekt Speichersee (Credit: Albin Hammerle)

Als „Albedo“ bezeichnet die Wissenschaft jenen Anteil an Sonnenstrahlung, der von einer Oberfläche reflektiert wird. Eine Albedo von 0.2 bedeutet, dass zwanzig Prozent der Strahlung reflektiert und 80 Prozent absorbiert wird. Dass die Albedo von Seen deutlich niedriger ist, als jene der meisten terrestrischen Ökosysteme, war bisher bekannt. Dass dieser Unterschied einen teilweise beträchtlichen Teil der CO2-Einsparungen durch Wasserkraft zunichtemacht, wurde bisher nicht erforscht. Die Abbildung zeigt links die Situation vor und rechts jene nach der Errichtung eines Speichersees. Der nach unten weisende Pfeil symbolisiert die einfallende Sonnenstrahlung. Diese ist in beiden Fällen ident. Der Pfeil ist daher gleich breit. Links dominieren terrestrische Ökosysteme die Landschaft, von diesen wird ein höherer Anteil der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert. Dargestellt ist dies durch den nach oben zeigenden Pfeil. Nach der Errichtung des Speichersees wirft die neu entstandene Wasserfläche weniger Sonnenstrahlung zurück. Das veranschaulicht der im Vergleich schmälere nach oben gerichtete Pfeil. Die Albedo, der Anteil der reflektierten Sonnenstrahlung, ist nach der Errichtung eines Speichersees daher geringer.

Albedo-Effekt in künftige Planungen einrechnen

Das Forschungsteam regt nach eigenen Angaben aufgrund der Ergebnisse an, „dass die Berechnung des Albedo-Effektes zum integrativen Bestandteil des Genehmigungsverfahrens von Wasserkraftanlagen wird und damit genauso berücksichtigt wird, wie negative Auswirkungen auf die Umwelt“. Insgesamt hat Wohlfahrt gemeinsam mit Albin Hammerle vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck sowie Enrico Tomelleri von der Freien Universität Bozen 724 Stauseen zwischen 50 Grad südlicher und 60 Grad nördlicher geographischer Breite auf allen Kontinenten (mit Ausnahme der Antarktis) unter die Lupe genommen. Das Team berechnete mithilfe von Satellitendaten der NASA die Albedo-Unterschiede zwischen Stauseen und deren Umland. Auf dieser Basis erstellte die Gruppe eine Datenbank von Stauseen mit gebündelten Informationen zu Seefläche, jährlicher Energieerzeugung und weiteren, klimarelevanten Daten. Gefördert wurden diese Forschungen von der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol sowie vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Projekt No. P31669 und I03859, Projektleiter: G. Wohlfahrt).

 

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