Rubidium-Atome
Links: Aufnahme von Rubidium-Atomen in einem Quadratgitter (oben) und Dreiecksgitter (unten); Konfiguration am Beginn des Experiments. Rechts: Am Ende des Experiments bilden die Atome antiferromagnetische Zustände mit charakteristischen Strukturen, die durch die Wechselwirkungen erzeugt werden. Der Hintergrund zeigt eine Illustration eines Matrixproduktzustandes, der zur Computersimulation des Experiments verwendet wird.

Quan­­ten­­simu­­lator über­­flügelt Com­­puter

In der Fachzeitschrift Nature haben Innsbrucker Physiker um Andreas Läuchli gemeinsam mit Kollegen in Frankreich einen Quantensimulator für große Vielteilchensysteme präsentiert. Die Wissenschaftler konnten mit dem Simulator antiferromagnetische Materiezustände mit bis zu 200 Atomen erzeugen. Mit klassischen Simulationen lassen sich solche Festkörperphänomene kaum mehr untersuchen.

Quanteneigenschaften in Festkörpern lassen sich nur sehr schwer analysieren. Quantensimulatoren bieten hier neue Möglichkeiten: Mit ihnen können die Wechselwirkungen einzelner Teilchen in einem Vielteilchensystem unter sehr gut kontrollierten Bedingungen studiert werden. Gemeinsam mit Experimentalphysikern am Laboratoire Charles Fabry der Universität Paris-Saclay hat das Team um Andreas Läuchli vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck nun einen Quantensimulator mit bis zu 200 Atomen präsentiert. „Im Vergleich zu bisher verfügbaren Systemen stellt dies einen Meilenstein dar“, freut sich Andreas Läuchli. „Wir kommen hier in eine Größenordnung, in der klassische Computersimulationen an ihre Grenzen stoßen.“

Materialproben von beliebigem Zuschnitt

Das Experiment der französischen Physiker kann bis zu 200 Rubidium-Atome mit optischen Pinzetten einfangen und miteinander zur Wechselwirkung bringen. Mit Hilfe der Pinzetten lassen sich dabei beliebige Anordnungen erzeugen. Die Atome werden zunächst in den Grundzustand gekühlt und dann mit Hilfe von Laserlicht einzeln angeregt. Die Anregung in den sogenannten Rydberg-Zustand, bei dem die Elektronenwolke um den Atomkern eine riesige Ausdehnung erreicht, führt zur Wechselwirkung zwischen benachbarten Atomen. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel antiferromagnetische Materie nachbilden. Im Experiment wurden Antiferromagneten auf Quadratgittern und Dreiecksgittern erzeugt. „Die Dreiecksgitter sind unsere Spezialität“, betont Michael Schuler, der zur Zeit der Entstehung der Studie Post-Doc an der TU Wien war. „Hier konnten wir sogar zwei unterschiedliche antiferromagnetische Zustände erzeugen.“

Quantensimulator überlegen?

An der Universität Innsbruck haben die Theoretiker um Andreas Läuchli die untersuchten Materiezustände mit Hilfe von Computersimulationen auf Hochleistungsrechnern überprüft. „Die Ergebnisse zeigen eine hohe Übereinstimmung mit dem Experiment“, sagt Alexander Eberharter. Diese Überprüfung am Computer kommt freilich an ihre Grenzen: Während die Simulation für 100 Teilchen auf dem Hochleistungsrechner LEO der Universität Innsbruck bereits mehrere Wochen gedauert hat, liefert der Quantensimulator Ergebnisse für 200 Teilchen in weniger als einem Tag. Mit der Größe der erzeugten Gitter und der damit steigenden Anzahl von Teilchen, wächst der Aufwand für die Computersimulation exponentiell an. „Die nächste Generation von Experimenten mit einigen Hundert Atomen wird somit in einen Bereich vorstoßen, in dem Computersimulationen mit einem vertretbaren Aufwand keine exakten Ergebnisse mehr liefern können.“ Unabhängig davon bleiben die Simulationen der Theoretischen Physiker für die Beschreibung und Validierung der Experimente wichtig. Auch liefern sie Hinweise, in welchen Bereichen der Quantensimulator weiter verbessert werden kann.

Optimierungsprobleme lösen

Der auf Rydberg-Atomen basierende Quantensimulator bietet nicht nur die Möglichkeit, Phänomene der Festkörperphysik im Detail zu studieren. „Es gibt zahlreiche Vorschläge, auch von Kollegen an unserem Institut, solche Systeme für die Lösung von Optimierungsproblemen einzusetzen“, sagt Andreas Läuchli. Ob dies tatsächlich möglich ist, bleibt vorerst noch offen. „Mit der aktuellen Arbeit haben wir jedenfalls einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht.“

Die Arbeit wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union finanziell unterstützt.

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