Interstellare Staubwolke
Experimente auf der Erde geben Einblick in die Bildung von Molekülen in interstellaren Staubwolken im Weltall.

Neues Zen­trum für Mole­ku­lare Wasser­for­schung

Mehr als 45 Institutionen aus Europa und weltweit - darunter die Uni Innsbruck - haben sich zu einer Initiative zusammengeschlossen, um die vielen Geheimnisse eines sehr alltäglichen Stoffes zu lüften: Wasser. Nach intensiver Vorbereitung wurde in dieser Woche ein „White Paper“ veröffentlicht, das die Ziele und Aufgaben des Zentrums für Molekulare Wasserforschung beschreibt.

Wasser ist die elementare Substanz für das Leben auf unserem Planeten und spielt eine zentrale Rolle bei zahlreichen ökologischen und technologischen Prozessen im Alltag. Zugleich ist es eine der faszinierendsten chemischen Verbindungen, die viele Anomalien und Rätsel aufweist: Es dehnt sich bei Abkühlung aus, ist praktisch inkompressibel, hat eine ungewöhnlich hohe Wärmespeicherkapazität und gefriert unter bestimmten Umständen bei Erwärmung. Einige dieser überraschenden Eigenschaften sind essenziell für das Leben, wie wir es kennen.

Das vergleichsweise einfache Molekül überrascht die Wissenschaft auch heute noch – nach Jahrhunderten der Forschung. Viele seiner Eigenschaften und Eigenheiten sind noch nicht verstanden. Um Licht in die Geheimnisse des Wassers zu bringen, wurde das Zentrum für Molekulare Wasserforschung CMWS ins Leben gerufen, in dem mehr als 45 Forschungsgruppen zusammenarbeiten und das am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg angesiedelt ist. „Im Centre for Molecular Water Science schließen sich führende europäische Wissenschaftler*innen mit dem ehrgeizigen Ziel zusammen, ein detailliertes molekulares Verständnis von Wasser und den dynamischen Prozessen an Wassergrenzflächen zu erreichen, das von höchster Relevanz für Biologie, Erde und Umwelt sowie für viele Zukunftstechnologien ist“, sagt DESY-Direktor Helmut Dosch. Die hochauflösende Analytik an den modernen Forschungsinfrastrukturen bei DESY ist ein wesentlicher Kernbaustein dieses interdisziplinären Forschungsverbundes.

Tiefer Blick in die Molekülküche

Ein zentraler Bestandteil des Konzepts ist der Zugang zu den hochmodernen Forschungslichtquellen von DESY und zum European XFEL. „Mit der Veröffentlichung des White Papers wollen die CMWS-Wissenschaftler*innen ihre gemeinsame Forschung ausbauen“, sagt Melanie Schnell vom DESY und eine der Koordinator*innen des CMWS. Im Rahmen eines Early Science-Programms, das von DESY und den CMWS-Partnern gemeinsam finanziert wird, wurden bereits wissenschaftliche Kooperationen gestartet. Eines der geförderten Projekte wird von der Arbeitsgruppe um Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie gemeinsam mit der Gruppe um Melanie Schnell durchgeführt. Zusätzlich fördert die Österreichische Akademie der Wissenschaften das Projekt über ein DOC-Stipendium für Christina Tonauer. „Wir untersuchen, wie unter dem Einfluss von Strahlung selbst bei ganz tiefen Temperaturen (bis zu -200°C) chemische Reaktionen im Eis passieren. Dabei entstehen aus stabilen Molekülen, die im Eis eingebettet sind (wie z.B. CO2, CO oder Alkohole), neue komplexe Moleküle“, erzählt Thomas Lörting. Wie dies geschieht und welche Moleküle wie schnell entstehen, ist von zentraler Bedeutung für die Evolution der Moleküle im Weltraum, insbesondere in interstellaren Staubwolken. Diese Wolken bestehen aus Staubkörnern, die von einer amorphen Eisschicht ummantelt sind. Die organischen Moleküle, die in diesen Wolken nachgewiesen wurden, lassen sich mit traditioneller organischer Chemie jedoch nicht erklären. Der amorphe Eismantel hat daher eine zentrale, aber unverstandene Rolle bei der Molekülbildung. Er beschleunigt viele chemische Reaktionen trotz der tiefen Temperaturen enorm - und wirkt dabei ähnlich wie ein Katalysator. „Wir suchen dabei nach den neu gebildeten Molekülen mithilfe von Schwingungsspektroskopie, solange sie sich noch im Eis befinden, sowie mithilfe von Mikrowellenspektroskopie, sobald sie vom Eismantel in die Gasphase wechseln“, so Lörting.

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