„Anfangs hatten wir nur einen einzigen Kristall, den wir untersuchen konnten und an dem eine Lösung der Kristallstruktur der Substanz gelang“, schildert Leonard Pasqualini, Doktorand in der Gruppe von Prof. Hubert Huppertz. „Die atomare Struktur dieser Substanz war bis dato für die gesamte Substanzklasse der Borosulfate unbekannt, es war also sehr wichtig, mehr von dieser Substanz zu synthetisieren.“ Während bei der gängigen Synthese von Borosulfaten die festen Ausgangstoffe direkt in rauchender Schwefelsäure bei hohen Temperaturen und Drücken in Glasampullen umgesetzt werden, konnten bei der neu entwickelten Synthesestrategie die vermörserten Ausgangsstoffe ausschließlich den aggressiven Dämpfen der rauchenden Schwefelsäure ausgesetzt werden. Hierfür sind dezidierte Kenntnisse in der Bearbeitung von Glas notwendig, da jede Ampulle mehrfach mit einer Brennerflamme manipuliert werden muss, bevor sie zur Synthese in dem höchst aggressiven Umfeld verwendet werden kann. Ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Methode ist, dass das Produkt nicht komplett in Schwefelsäure getränkt ist und somit einfacher aufgearbeitet werden kann. Mithilfe dieser neuartigen Synthese konnte das Strontium-Borosulfat problemlos in größeren Mengen hergestellt werden.
Unbekanntes Strukturmotiv
Strukturell wechseln sich in konventionellen Borosulfaten eckenverknüpfte, also über ein Sauerstoffatom verbrückte, (BO4)- und (SO4)-Tetraeder ab. Die Verknüpfung von zwei Tetraedern mit dem gleichen Zentralatom, also Bor oder Schwefel, ist möglich, jedoch vergleichsweise selten. Sr[B3O(SO4)4(HSO4)] weist eine Verknüpfung von gleich drei (BO4)-Tetraedern über ein einziges Sauerstoffatom auf. „Dieses Strukturmotiv wurde bisher noch nicht für Borosulfate beschrieben und ist eher aus der Boratchemie bekannt.“ sagt Dr. Jörn Bruns, Habilitand am Institut für Anorganische Chemie der Universität zu Köln. Nachdem die experimentellen Daten ausgewertet waren, wurden diese in Kooperation mit den theoretischen Chemikern Dr. Minyeong Je und Dr. Heechae Choi der Universität zu Köln validiert und bestätigt. Unter anderem wurde hierbei die Bindungssituation des ungewöhnlich dreifachverknüpften Sauerstoffatoms näher beleuchtet. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir durch diesen neuen Zugang noch viele neue und ungewöhnliche Borosulfate erhalten werden können“, ergänzt Dr. Jörn Bruns.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie, welche die Qualität und Bedeutung des Artikels mit einem Titelbild würdigte.
Links
- Innenrücktitelbild: Eckenverknüpfung von drei (BO4)-Tetraedern in einem Borosulfat: Synthese, Kristallstruktur und quantenchemische Untersuchung von Sr[B3O(SO4)4(SO4H)] (Angew. Chem. 36/2021)
- Triple-Vertex Linkage of (BO4)-Tetrahedra in a Borosulfate: Synthesis, Crystal Structure, and Quantum-Chemical Investigation of Sr[B3O(SO4)4(SO4H)]
- Eckenverknüpfung von drei (BO4)-Tetraedern in einem Borosulfat: Synthese, Kristallstruktur und quantenchemische Untersuchung von Sr[B3O(SO4)4(SO4H)]
- Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie, Universität Innsbruck
- Nachwuchsgruppe Bruns, Universität zu Köln