Georg Kaser
Der Kampf gegen den Klimawandel wird auch vonseiten der Universität Innsbruck unterstützt. Georg Kaser ist seit Jahrzehnten in der Klimaforschung und im Klimaschutz tätig.

Fünf Jahre Pa­riser Klima­ab­kommen

Im Übereinkommen von Paris wurde 2015 ein globaler Rahmen im Kampf gegen den Klimawandel festgelegt, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Prof. Georg Kaser war bei den Verhandlungen in Frankreich dabei und erinnert sich im Interview mit der Tiroler Tageszeitung an die Konferenz.

Georg Kaser, Professor am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften und Dekan der Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften der Uni Innsbruck, zählt zu den einflussreichsten Klimaforschern der Welt und arbeitete an mehreren IPCC-Berichten des Weltklimarates mit. 2015 war er auch Teil der Verhandlungen rund um das Übereinkommen von Paris, einer Vereinbarung von 195 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes in Nachfolge des Kyoto-Protokolls.

Die Universität Innsbruck und zahlreiche ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen viele Bemühungen rund um den Klimaschutz. Bereits seit Beginn der Fridays-for-Future-Bewegung begleiten auch Innsbrucker Forscher*innen diese Initiative im Rahmen der internationalen Scientists for Future (S4F).

Aus aktuellem Anlass erschien am 9. Dezember 2020 ein Beitrag von Matthias Christler in der Tiroler Tageszeitung, den wir hier im Wortlaut zur Verfügung stellen dürfen:

Klimaforscher Georg Kaser: „Am Weg zu mehr als drei Grad Erwärmung“

Vor fünf Jahren war Georg Kaser in Paris und erlebte, wie um ein historisches Klimaabkommen gerungen wurde. Jetzt stehen wieder entscheidende Verhandlungen an.

Innsbruck – Der Körper spürt kaum, wenn die Luft um ihn herum 1,5 Grad oder 3 Grad Celsius wärmer wird. Für die Welt sind es diese Zahlen, die entscheiden, wie sich die Klimakrise entwickelt. Ob Inselstaaten komplett unbewohnbar oder ob Extremereignisse wie aktuell in Osttirol zur Regel werden. Deshalb war Georg Kaser vor fünf Jahren, als er in Paris ankam und am Flughafen einen Kollegen traf, so hellhörig. Es hatte sich Sensationelles herumgesprochen. Der globale Temperaturanstieg sollte nicht nur auf 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, sondern auf 1,5 Grad.
„Wir waren von Stunde zu Stunde gespannter, ob das hält. Man kann sich die Konferenz wie einen Jahrmarkt für den Klimaschutz vorstellen, dem ein Jahr lang Geheimverhandlungen vorausgegangen waren, wo vor Ort viel Stimmung gemacht wurde und am Ende ein Kompromiss herauskam. Man einigte sich auf die 2 Grad, aber mit einem Zusatzartikel, der den Wunsch auf die 1,5 Grad offenhielt“, erinnert sich der Dekan der Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften an der Uni Innsbruck, der mehrfach am Sachstandbericht des Weltklimarates IPCC mitgearbeitet hat.

Klimaschutz-Index: Österreich nur auf Platz 38

Obwohl sich die 197 Regierungen nicht auf das sensationelle 1,5-Grad-Ziel festlegten, brandete nach Bekanntgabe der Einigung am 12. Dezember 2015 Jubel auf. 30.000 Menschen im Konferenzzentrum feierten das historische Übereinkommen genauso wie Klimaschützer vor dem Eiffelturm. „Nach den mühsamen Verhandlungen war bei uns Forschern eine Riesenerleichterung da, aber alle haben gewusst, dass dieses Abkommen Schwachstellen hat.“
Zum einen war den Klimaforschern klar, dass die Schulterklopfer von Paris in den eigenen Ländern aufgrund von parteipolitischen Spielchen die Ziele nicht wie ausgemacht verfolgen könnten. Zum anderen wurde zum Beispiel gefordert, dass alle fünf Jahre eine Klimaschutz-Inventur gemacht werden sollte, bei der die Regierungen ihre Leistungen auf den Tisch legen müssen. Diese Inventur aber findet erstmals 2023 statt.
Gäbe es das heuer schon, müsste sich Österreich einiges ankreiden lassen. Das zeigt der am Montag veröffentlichte Klimaschutz-Index, der Österreich nur auf Platz 38 von 57 Staaten reiht. Die Versäumnisse in der Klimapolitik formuliert Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, so: „Österreich hat es seit 1990 nicht geschafft, die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Damit sind wir keine Vorreiter, sondern Schlusslichter in der EU.“ Die Maßnahmen, um die Trendwende zu schaffen, kenne man schon lange und seien auch in die Forderungen des Klimavolksbegehren, das im Sommer von mehr als 380.000 Menschen unterschrieben wurde, zusammengefasst. „Zwar investiert die Regierung eine Milliarde in den Klimaschutz, aber mit 4,7 Milliarden werden noch immer Förderungen ausgeschüttet, die klimaschädliches Verhalten begünstigen“, sagt Rogenhofer. Diese Kritik wird in einer Woche auch direkt mit den Politikern besprochen werden. Nächsten Mittwoch findet die erste Ausschusssitzung statt, in der das Klimavolksbegehren im Parlament behandelt wird.

„Es muss schnell mehr passieren“

Schon diese Woche entscheidet sich beim EU-Ratsgipfel, ob sich die 27 Staaten auf neue, ambitionierte Klimaziele einigen. Die sind notwendiger denn je, wenn man an das Szenario denkt, das Kaser skizziert: „Im Moment sind wir mit unserem Emissionsverhalten am Weg auf eine Erwärmung von mehr als 3 Grad bis ins Jahr 2100.“ 2015 war man laut Kaser bei +0,8 Grad und die Forscher schrieben das bei gleichbleibender Erwärmung fort auf +1,5 im Jahr 2040. Vergangenes Jahr ist man bereits bei +1,1 angekommen und kürzlich wurde von der Weltorganisation für Meteorologie eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent errechnet, dass die +1,5 Grad bereits in den kommenden fünf Jahren erreicht werden. „Außerdem hat niemand eine Ahnung, was passiert, wenn das Klima bei über 2 Grad Erwärmung instabil wird. Und die Möglichkeit, dass wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen, schwindet mit jedem Tag. Es muss schnell mehr passieren, sonst verlieren wir die Kontrolle über den Klimawandel.“
Die Hoffnung, dass Paris nicht umsonst war, besteht allerdings. Und das liegt vor allem am Jahr 2018. Forscher konnten damals mit verbesserten Modellen zeigen, welche Vorteile es hat, wenn sich die Welt nur um 1,5 Grad erwärmt und dass dies noch machbar sei. Dazu kam ein Wachrütteln durch den Dürresommer in Europa mit erstmals mehr als 40 Grad in einigen Ländern. Und mit Fridays For Future gibt es seit 2018 eine weltweite Bewegung, die den Klimaschutz auf die Straßen geholt hat.
2020 wurde der Klimaschutz durch Corona zwar etwas aus den Köpfen und Medien verdrängt. Ab jetzt, fünf Jahre nach dem Abkommen von Paris, wird sich weisen, „ob wir das Ruder im allerletzten Moment herumreißen können“, sagt Klimaforscher Kaser. „Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden entscheidend sein.“

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