Dolmetschstudentin mit Eye-Tracking-Brille.
Notiznahme mit Eye-Tracking-Brille – die etwas andere Dolmetschsituation.

Eye-Tra­cking-Studie am INT­RAWI

Die Augen sind ja bekanntlich das Tor zur Seele, aber nicht nur das: Sie können auch Aufschluss über die komplexen Prozesse geben, die in unseren Gehirnen ablaufen. Dies wollte sich die am 6. und 7. Juli am Institut für Translations­wissenschaft (INTRAWI) durchgeführte Eye-Tracking-Studie zu Nutze machen, um den so vielschichtigen Dolmetsch­vorgang zu ergründen.

Das Ziel des Experimentes war es, Genaueres über die kognitiven Abläufe während einer Konsekutivverdolmetschung herauszufinden. Was passiert, wenn Notizen genommen werden, während der Redner spricht? Was auf dem Block an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt notiert wird, kann problemlos auf dem Block gesehen werden, wann Elemente notiert werden, wird mittlerweile durch die Verwendung von Digital-Pen-Aufzeichnungen nachverfolgt. Was aber im Kopf des Dolmetschers während des Notierens geschieht, ist bislang kaum analysierbar. Das gleiche gilt für die Phase der Reproduktion der Rede: Was geht im Dolmetscher vor während er gleichzeitig seine Notizen liest, sich an der Gehörte erinnert und die Rede in einer anderen Sprache wiedergibt? Hier erhofft sich das Team erste Hinweise zum vermeintlich gleichzeitigen Ablauf dieser kognitiven Prozesse, die es dann weiterführend zu untersuchen gilt. Im zweiten Teil der Studie wurde daher zudem ein Reading-Span-Test zur Erhebung der Arbeitsgedächtnisleistung der Probanden durchgeführt, um die Theorie weiter zu festigen, der zufolge Dolmetscher hier höhere Leistungen verzeichnen. Erkenntnisse aus letzterem Test sollen in Folge einer größeren Untersuchung in Bezug auf das Simultandolmetschen dienen.

Für die Durchführung des Versuches waren Univ.-Prof. Dr. Martina Behr und Ilaria Fregni, BA vom INTRAWI und Univ.-Prof. Dr. Pierre Sachse, Ass.-Prof. Dr. Markus Martini und Lucas Haraped, BSc. aus dem Bereich der Allgemeinen Psychologie verantwortlich. Bei den Probanden handelte es sich um drei Experten (Institutsdozenten) und drei Novizen (Dolmetschstudierende, zu denen auch ich gehörte). So konnte verglichen werden, welchen Unterschied Expertise ausmacht. Für mich war die Teilnahme eine spannende Chance dazu, Forschung in Aktion zu erleben. Die Dolmetschsituation war unkonventionell: Der Notizblock war am Pult befestigt, die Kameras linderten nicht unbedingt die Nervosität und die für das Messgerät notwendige Verkabelung war etwas gewöhnungsbedürftig – ganz zu schweigen von der futuristischen Eye-Tracking-Brille. Doch, wie heißt es so schön: The show must go on. Und gerade beim Dolmetschen ist es eine essentielle Voraussetzung, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen.

Auch der anschließende computerbasierte Kognitionstest war mir neu. Jedoch findet man sich schnell in den Rhythmus ein. Buchstaben merken, Satz lesen, Frage Ist dieser Satz sinnvoll? beantworten, Buchstaben merken, Satz lesen … und schließlich: alle Buchstaben wiedergeben. Verschiedenste Merkstrategien kamen zum Einsatz: Vom Bauen von Eselsbrücken bis hin zum mantraartigen Vorbeten der Buchstaben. Für mich war es persönlich faszinierend zu sehen, wie eine so ungewöhnliche Lage meine Verdolmetschung beeinflusst, wie fortgeschritten die technischen Möglichkeiten sind, um unendlich vielschichtige Prozesse in unserem Inneren zu entschlüsseln und wie praxisbezogen und interdisziplinär diese Aufarbeitung stattfindet. So erwarte ich die Ergebnisse bereits neugierig und bedanke mich in der Zwischenzeit dafür, Teil einer Erfahrung gewesen sein zu dürfen, die ich wirklich nur als augenöffnend bezeichnen kann.

(Magdalena Hirn)

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