Plastikwelle
Die Verschmutzung der Umwelt durch Kunststoffe ist ein allgegenwärtiges und wachsendes Problem.

Die Plastik­welle stoppen

Ein Team aus internationalen Forscher*innen um Martin Stuchtey zeigt mögliche Lösungsansätze und Maßnahmen auf, um der Plastikverschmutzung der Meere zu begegnen. Die methodischen Grundlagen dafür wurden im Fachmagazin Science veröffentlicht. Sofortige, global koordinierte Maßnahmen könnten die Verschmutzung durch Kunststoffe bis 2040 um fast 80 Prozent reduzieren.

In Zusammenarbeit mit international renommierten Wissenschaftler*innen und Expert*innen legen die Non-Profit-Organisation Pew und die Umweltberatung SYSTEMIQ ihrem Bericht ein neuartiges wirtschaftswissenschaftliches Modell zugrunde, das den Eintrag und die Menge an Plastik im globalen System quantifiziert. Die Untersuchung hat dabei sechs mögliche Szenarien zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung der Meere analysiert, die jeweils auf unterschiedlichen Kombinationen von einzelnen Annahmen basieren: Von keiner Veränderung – „Business as Usual“ – bis zu einer völligen Umgestaltung – „Systemwandel-Szenario“ – des weltweiten Kunststoffsystems, einschließlich Produktion, Sammlung, Verbrauch und Entsorgung/Recycling. Das Modell quantifiziert die mit jedem Szenario verbundenen Auswirkungen auf Kosten, Klima und Arbeitsplätze.

„Business as usual“ keine Option

„Das Business-as-Usual-Szenario zeigt einen Anstieg des Plastikeintrags ins Meer in den nächsten 20 Jahren von 11 auf 29 Millionen Tonnen, sofern es keinerlei Eingriffe in die aktuelle Kunststoffpolitik, -wirtschaft, -infrastruktur oder -materialien gibt und sich weder die kulturellen Normen noch das Verhalten der Verbraucher ändern“, sagt Martin Stuchtey, Professor am Institut für Geographie der Universität Innsbruck und geschäftsführender Gesellschafter von SYSTEMIQ. „Das würde fast 50 Kilogramm Kunststoff pro Meter Küstenlinie weltweit entsprechen“, veranschaulicht Stuchtey die Zunahme des Plastiks im Meer im ungünstigsten Fall. Der Bericht zeigt auch, dass selbst eine ambitionierte Umsetzung von Einzellösungsstrategien, wie in den Szenarien „Sammeln und Entsorgen“, „Recycling“ und „Reduzieren und Ersetzen“ beschrieben, nicht in der Lage ist, den Plastikeintrag in die Meere unter das Niveau von 2016 abzusenken, ohne dabei an wesentliche technische, wirtschaftliche, soziale oder ökologische Grenzen zu stoßen.

Systemwandel-Szenario

Die Ergebnisse für das „Systemwandel-Szenario“ zeigen, dass mit Hilfe acht konkreter Maßnahmen bis 2040 etwa 80 Prozent weniger Kunststoff jährlich in die Ozeane fließt. Dazu gehören die Reduzierung der Kunststoffproduktion und des Kunststoffverbrauchs, der Ersatz von Kunststoffen durch Alternativen wie Papier und kompostierbare Materialien, das Verändern des Designs von Produkten und Verpackungen für das Recycling, die Ausweitung der Abfallsammlung in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen, die Steigerung des Recyclings und die Verringerung der Exporte von Kunststoffabfällen. Zusätzlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Meeren würde die Umsetzung des „Systemwandel-Szenarios“ den Regierungen bis 2040 Einsparungen in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum „Business-as-Usual“-Szenario bringen. Die jährlichen Treibhausgasemissionen zur Herstellung von Kunststoffen würden zudem um 25 Prozent reduziert und 700.000 Arbeitsplätze neu geschaffen.

„Diese Maßnahmen könnten mit Hilfe der heute schon verfügbaren Technologien und Lösungen umgesetzt werden“, sagt Stuchtey. „Trotzdem wird es auch in diesem Szenario nicht gelingen, den Plastikeintrag in die Meere gänzlich zu vermeiden. Auch 2040 würden trotz erheblicher Anstrengungen noch mehr als fünf Millionen Tonnen pro Jahr in die Ozeane gelangen. Die vollständige Beseitigung der Meeresverschmutzung durch Plastik würde eine drastische Steigerung von Innovation und Investitionen, mit bedeutenden technologischen Fortschritten, neuen Geschäftsmodellen und einem stärkeren Fokus auf Forschung und Entwicklung erfordern“, so Stuchtey weiter, der sich mit Fragestellungen des nachhaltigen Ressourcenmanagements und der nachhaltigen Entwicklung von Organisationen und Systemen seit 2017 auch im „Innovation Lab for Sustainability“ an der Uni Innsbruck auseinandersetzt.

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