Daten Personalentscheidungen
Symbolbild: Immer häufiger stehen für Entscheidungen im Personalmanagement große Datenmengen zur Verfügung.

Daten als Grund­lage für Per­sonal­ent­schei­dungen

Anna Schneider forscht am Institut für Organisation und Lernen. Im Interview erklärt sie, wie Algorithmen heute Einfluss auf Personalentscheidungen nehmen können und betont dabei vor allem die Bedeutung des Umgangs von Personalmanager*innen mit den so gewonnenen Informationen.

Frau Schneider, Algorithmen, Big Data, Künstliche Intelligenz – Begriffe, die wir alle schon einmal gehört haben. Was aber haben sie mit dem Personalmanagement zu tun?

Anna Schneider: Das Personalmanagement setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen. Das reicht von der Darstellung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber, dem sogenannten Employer Branding, über die Personalsuche, dem Recruiting, bis hin zum Umgang mit Mitarbeiter*innen im Unternehmen selbst. In allen diesen Bereichen können auf große Datenmengen basierende Algorithmen eingesetzt werden, um Personalentscheidungen zu treffen. Aktuell befinden wir uns in einem Transformationsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Beide Formen, analoges und digitalisiertes Personalmanagement, existieren also parallel und im Austausch zueinander.

Worin besteht der größte Unterschied dieser beiden Formen des Personalmanagements?

Anna Schneider: Während viele Entscheidungen im klassischen Personalmanagement nach einem Gefühl entschieden werden, stützt sich das digitale Personalmanagement auf große Datenmengen, die als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen. Mir ist es an dieser Stelle aber wichtig, zu betonen, dass die Entscheidung selbst meist immer noch von einem Menschen getroffen werden muss. Und genau hier setzt meine Forschung an: Wie gehen Personen im Personalmanagement mit den Informationen um, die sie aus diesen großen Datenmengen erhalten?

Verantwortung

Ist es dann nicht sehr leicht, die Verantwortung für schwierige oder gar falsche Entscheidungen auf diese digitalisierten Prozesse abzuschieben?

Anna Schneider: Das ist die Gefahr dabei. Wir können zwar die Verantwortung an eine Maschine abgeben, aber die Algorithmen, die die Berechnungen aus den großen Mengen an Daten vornehmen, müssen erst einmal von einem Menschen programmiert werden. Bereits zu Beginn des Digitalisierungsprozesses werden also Entscheidungen von Menschen getroffen, die damit auch die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen müssten. Wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit der Programmierung solcher Anwendungen ist, zeigt ein Beispiel eines großen Online Händlers. Für eine Recruiting-Software wurden Daten aus der Vergangenheit übernommen, mit denen ein Algorithmus für die Personalauswahl trainiert wurde. Nun war es aber so, dass in der Vergangenheit häufiger Männer als Frauen eingestellt wurden und die Software das so übernommen hat. Hier sehen wir also, wie wichtig die menschliche Komponente bei diesen Prozessen ist. Es muss bereits im Vorfeld definiert werden, wie ich meine automatisierten Entscheidungsgrundlagen ethisch, rechtlich und auch gesellschaftlich nach außen hin vertreten kann. Hinzu kommt außerdem, dass wir auf Grundlage von Daten bei Prognosen, beispielsweise welche Mitarbeiter haben eine hohe Wahrscheinlichkeit das Unternehmen in den nächsten 12 Monaten zu verlassen, immer nur mit Korrelationen, also Zusammenhängen zwischen Daten, aber nicht mit Kausalitäten, also Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung, arbeiten können. Zur Interpretation und Einordnung braucht es ein tieferes Verständnis der vorliegenden Daten und dazu braucht man Menschen.

Wie wird sich der Beruf des Personalmanagers durch die Digitalisierung ändern oder wird er möglicherweise sogar überflüssig?

Anna Schneider: Überflüssig wird er sicher nicht, auch dazu gibt es Berechnungen: Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beruf des Personalmanagers künftig von Maschinen übernommen wird, liegt gerade einmal bei 0,6 Prozent. Verändern wird sich die Tätigkeit aber schon. Vor allem administrative Aufgaben werden künftig weniger und irgendwann sogar ganz durch technische Hilfsmittel abgelöst. Bereits heute gibt es zahlreiche Tools, die beispielsweise die Gestaltung und Platzierung von Stellenausschreibung oder die Auswahl geeigneter Kandidat*innen vereinfachen. Insgesamt werden Personalabteilungen in Zukunft also stärker strategisch und weniger administrativ ausgerichtet sein. Auch ethische Fragestellungen werden stärker in den Fokus rücken.

Distanz wahren

Das sind gute Aussichten für diese Berufsgruppe. Sie sehen die Entwicklung hin zu einem digitalen Personalmanagement also positiv?

Anna Schneider: Ja, ich bin hier sehr positiv gestimmt, wichtig ist allerdings eine kritische Distanz zu den digitalen Instrumenten zu wahren. In Zukunft wird es Personalmanager*innen brauchen, die digitalisierte Entscheidungsprozesse in den Kontext ihrer Unternehmen und auch der sozialen Auswirkungen setzen können. Ziel muss sein, eine automatisierte Entscheidungskultur zu vermeiden. Es müssen immer Menschen hinterfragen, was mit den auf Daten basierten Entscheidungen tatsächlich passiert. Das erlaubt es künftig auch, Mitarbeiter*innen in Personalabteilungen strategischer einzusetzen und ihren Stellenwert in Unternehmen zu stärken. Blickt man auf die kritischen Stimmen, die sich etwa aus ethischen oder datenschutzrechtlichen Gründen gegen Digitalisierungsprozesse im Personalmanagement aussprechen, so ist zu sagen, dass nicht alles, was möglich ist, auch zum Einsatz kommt. Studien zeigen, dass Unternehmen hier sehr wohl abwägen, welche Daten sie sammeln und auch auswerten möchten. Schließlich haben sie ja auch eine Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen.

Werfen wir mal einen Blick auf die andere Seite: Wie wirkt sich dieser digitale Transformationsprozess auf Bewerber*innen aus? Die Verwendung von Algorithmen im Recruiting bedeutet ja auch, dass es fest vorgeschriebene Abläufe und Kriterien gibt, nach denen Bewerber*innen gesichtet und ausgewählt werden.

Anna Schneider: Das ist richtig. Nichts ist in Zeiten wie diesen leichter, als zu wissen, was ich machen muss, um diese digitalen Hürden zu überwinden. Denn das Gute für Bewerber*innen ist, dass diese Systeme berechenbar sind. Gerade bei größeren Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeiter*innen kann man davon ausgehen, dass es ein automatisches Bewerber-Tracking gibt. Es wird sich also keine Person hinsetzen und Ihren Lebenslauf lesen, sondern eine Maschine wird das übernehmen. Für Bewerber*innen bedeutet das, dass bestimmte Schlüsselwörter, die aus der Stellenausschreibung bekannt sind, im Lebenslauf stehen sollten. Ähnlich diesem Beispiel sind viele Prozesse im Recruiting automatisiert. Die Vorbereitung auf eine Bewerbung und ein mögliches Interview ist damit wesentlich leichter, weil Bewerber*innen wissen, worauf sie achten sollten.

Dieses Interview ist in der Dezember-2020-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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