Gletscherbruchkante im Lemaire-Kanal
Gletscherbruchkante im Lemaire-Kanal, der die Insel Booth von der Antarktischen Halbinsel trennt.

Ant­ark­tische Gletscher unter Druck

Ein Team um Helmut Rott vom Spin-off ENVEO IT der Universität Innsbruck hat auf Basis von Satellitendaten den Einfluss des Meeres auf den Rückzug von Gletschern an der antarktischen Halbinsel untersucht. In einer Arbeit in Nature Communications zeigen die Forscher die komplexe Wechselwirkung von Meer und Eis und dessen wichtige Rolle beim klimabedingten Rückzug der Gletscher.

Während der vergangenen Jahrzehnte haben sich die Gletscher der Antarktischen Halbinsel stark zurückgezogen, was mit einem starken Anstieg der regionalen Lufttemperatur zusammenfällt. Dies ist jedoch nicht der einzige treibende Faktor: auch ozeanische Prozesse spielen eine wichtige Rolle. In dem Beitrag in Nature Communications berichten die Autoren um Helmut Rott über den Einfluss des Meeres auf die Gletscher in verschiedenen Zeitskalen: einerseits einen starken, regionalen Vorstoß kalbender Gletscher aufgrund von Änderungen der Meeresströmungen in den letzten Jahren, andererseits kurzfristige Beschleunigung, ausgelöst durch vorübergehend veränderte Windverhältnisse.

Die Studie basiert auf der Analyse der Eisbewegung anhand von Radarbildern der europäischen Satellitenmission Copernicus Sentinel-1 und auf Höhenänderungen der Gletscheroberflächen, abgeleitet aus Radarbildern der deutschen TanDEM-X-Mission.

Langfristige Trends der Eisbewegung

Seit dem Kollaps der Schelfeise Larsen A im Jahr 1995 und Larsen B im Jahr 2002 an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel kalben die Auslassgletscher, die vorher das Schelfeis ernährten, direkt ins Meer. Die Gletscher beschleunigten stark. Dies verursachte einen starken Anstieg des Kalbens von Eisbergen, einen Rückzug der Gletscherfronten und das Einsinken der Gletscher. „Dieses Verhalten änderte sich 2012 aufgrund einer Änderung der regionalen Meereszirkulation, was dazu führte, dass die Meereis in vielen Fjorden und Buchten das ganze Jahr über liegen blieb“, erklärt Helmut Rott. „Dies führte zu einer allmählichen Abnahme der Fließgeschwindigkeit der Gletscher, wodurch das Kalben von Eisbergen unterdrückt und das Vorrücken der Gletscherfronten erleichtert wurde.“ Zum Beispiel stieß die Front des Hektoria-Gletschers zwischen 2011 und 2016 um 12 km vor (siehe Abbildung). Trotz dieses Vorrückens setzte sich das Einsinken des Gletschers fort. Der schwimmende Abschnitt der Gletscherzunge bedeckte im Juli 2016 eine Fläche von 135 km2.

Abbildung: Digitales Höhenmodell (DEM) der Zunge des Hektoria-Gletschers, Juli 2016, mit Position der Gletscherfront im Juni 2011, Juni 2013 und Juli 2016 und der Trennlinie zwischen aufsitzendem und schwimmendem Gletschereis im Jahr 2016. Die Grafik zeigt die erhöhte Eisbewegung für ein Windereignis vor der Küste zwischen 26. März und 1. April 2017.

Kurzzeitige Beschleunigung

Diese langfristigen Trends in der Eisdynamik werden durch kurzfristige Beschleunigung überlagert, die durch starken Fallwind (Föhn) verursacht werden, der ablandige Meeresströmungen auslöst. „Das sechstägige Beobachtungsintervall der Sentinel-1-Mission ermöglichte es uns, dichte Zeitreihen von Strömungsgeschwindigkeiten zu erstellen“, sagt Helmut Rott. „Auf dieser Basis können wir vorübergehende Ereignisse erkennen.“ Die Gletscherbewegung reagiert schnell auf diese Ereignisse, insbesondere die schwimmenden Abschnitte der Gletscherzunge, wie in der Abbildung dargestellt. Bei Gletschern, die in den offenen Ozean kalben, beobachteten die Forscher Eisberge, die innerhalb von sechs Tagen bis zu 20 km von der Küste fort drifteten.

„Diese Beobachtungen zeigen die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Eis und Ozean, die eine wichtige Rolle für die Reaktion von Gletschern und Eisschilden auf Klimaänderungen spielen“, resümiert Helmut Rott.

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