Nicht nur in den Tropen, der Tiefsee und im Regenwald, sondern auch in heimischen Gewässern leben unzählige von der Wissenschaft noch nicht erfasste Arten. Während über eine Million Insektenarten bekannt sind, sind bisher nur etwa 15.000 Prokaryotenarten wissenschaftlich beschrieben, bei einer Schätzung von mehreren Millionen bis zu einer Milliarde Bakterien und Archaeen. Martin Hahn, Professor am Forschungsinstitut für Limnologie in Mondsee, leitet gemeinsam mit Alexandra Pitt vom selben Institut das Sparkling-Science-Projekt „Verborgene Welt der Bakterien. Der Artenvielfalt der Bakterien in heimischen Gewässern auf der Spur: Isolierung und Beschreibung neuer Arten“. Schülerinnen und Schüler aus sechs Oberstufenklassen von Gymnasien in und um Salzburg arbeiten noch bis Ende des Jahres an der Erforschung neuer Bakterien. „Wissenschaftliches Ziel ist es, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Bakterien aus Gewässern zu isolieren, zu charakterisieren, die Genome zu sequenzieren und als Arten und eventuell auch als höhere taxonomische Einheit, zum Beispiel Gattungen, zu beschreiben. Die isolierten Stämme werden bei Stammsammlungen deponiert sowie die erhaltenen Genomsequenzen in Datenbanken hinterlegt werden“, erläutert Hahn. Allgemeines Ziel im Projekt „Verborgene Welt der Bakterien“ ist es, den Blick der Schülerinnen und Schüler sowie der Öffentlichkeit auf den Mikrokosmos im Gewässer zu lenken, denn Bakterien haben ungerechtfertigter Weise einen schlechten Ruf. Dabei sind sie für die Stoffumsetzungen im Gewässer wichtig. Mit ihrer Hilfe wird abgestorbene Biomasse sowie Ausscheidungen anderer Organismen abgebaut und in die Stoffkreisläufe zurückgeführt. „Cyanobakterien und andere photosynthetische Bakterien sind auch an der Primärproduktion im Gewässer beteiligt. Sie dienen zudem verschiedenen planktischen Organismen wie Protisten und Wasserflöhen als Nahrung. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass hier noch sehr viel Forschungsbedarf besteht und ein Großteil der Akteure noch nicht identifiziert und wissenschaftlich beschrieben ist“, verdeutlicht Pitt.
Gemeinsam Neues entdecken
Über zwei Jahre können Schülerinnen und Schüler aus sechs Oberstufenklassen als Teilnehmende im Sparkling-Science-Projektes den gesamten Vorgang von der Probenahme bis zur Publikation mitverfolgen. „Im ersten Teil des Projektes wurden die Schülerinnen und Schüler in Workshops mit den mikrobiologischen Arbeitstechniken vertraut gemacht, bevor sie dann im zweiten Workshop die eigentlichen Gewässerproben bearbeitet haben“, erklärt Alexandra Pitt den Aufbau des Projekts. Dafür bekamen sie die Aufgabe, selbst das Gewässer zur Probennahme auszusuchen. „Die von den Schülerinnen und Schülern in sterilen Röhrchen gesammelten Proben wurden durch Filter mit verschiedenen Porenweiten filtriert, um auch kleinere Bakterien das Wachstum zu ermöglichen. Die Proben wurden dann anschließend auf Agrarplatten mit unterschiedlicher Nährstoffzusammensetzung und Konzentration ausgestrichen“, so Pitt weiter. Regentonnen, Gartenteiche, Tümpel, Pfützen bis hin zu größeren Gewässern – bei der Auswahl der Gewässer für die Probenahme waren die Schülerinnen und Schüler sehr einfallsreich. „Die Vielfalt der ausgewählten Habitate zeigte sich auch in der Vielfalt der daraus erhaltenen Bakterienkulturen. Interessanterweise wurden gerade aus den ungewöhnlichen Wasserbiotopen interessante und unbekannte Arten isoliert“, freut sich Hahn über das Ergebnis, und er betont, dass so auch die Gewässerauswahl der Schülerinnen und Schüler einen Mehrwert für die Forschung gebracht hat. Ziel war es, durch das Variieren der Kultivierungsverfahren möglichst viele interessante und unbeschriebene Bakterienarten zu isolieren. Im Rahmen von Sommerpraktika arbeiteten mehrere Schülerinnen und Schüler im Labor an der phänotypischen Charakterisierung der isolierten Bakterienstämme. „Im weiteren Verlauf des Projektes beteiligen sie sich auch an der Aufbereitung der Daten und sind bei der Namensgebung der neu zu beschreibenden Arten beteiligt“, so Pitt. Im Sparkling-Science-Projekt ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern neue Bakterienstämme aus Gewässern der Umgebung zu isolieren und als Arten oder höhere taxonomische Einheiten zu beschreiben. Die erste taxonomische Beschreibung einer neuen Gattung wurde bereits publiziert. Für die rot gefärbten, weit verbreiteten Gewässerbakterien dieser neuen Gattung, haben sich Schülerinnen des BRG Seekirchen den Namen Aquirufa ausgedacht. Auch die Artnamen für die beiden ersten Mitglieder dieser neuen Gattung wurden von den Schülerinnen vorgeschlagen. Weitere Schulen und Schülerinnen waren an der Isolierung und an den für die wissenschaftlichen Beschreibungen der neuen Gattung und Arten notwendigen Untersuchungen beteiligt. Eine weitere Beschreibung einer neuen Art wird in wenigen Tagen veröffentlicht werden und weitere Arbeiten wurden eingereicht oder werden derzeit abgefasst. „Wir freuen uns sehr über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den SchülerInnen und Ihren LehrerInnen und natürlich auch über die vielen durch das Projekt neu entdeckten Gattungen und Arten“, so Hahn.