Künstler FLATZ vor dem umgestalteten „Ehrenmal“.
FLATZ spricht vor dem enthüllten Denkmal.

Uni arbei­tete eige­ne Ge­schichte neu auf

Zum Auftakt der Festwoche im Rahmen des 350-Jahr-Jubiläums hat die Universität Innsbruck heute die neu aufgearbeitete Universitätsgeschichte vorgestellt und eine künstlerische Intervention am umstrittenen „Ehrenmal“ vor dem Hauptgebäude der Universität enthüllt.

Zum 350-Jahr-Jubiläum erscheint mit heutigem Tag die wissenschaftlich neu aufgearbeitete Geschichte der Universität Innsbruck in zwei Bänden. „Unsere Universität blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Anlässlich des Jubiläums haben wir gemeinsam mit unseren Historikerinnen und Historikern entschieden, die unterschiedlichen Phasen der Universitätsgeschichte aufbauend auf umfangreichen Quellenrecherchen neu zu untersuchen, neu darzustellen und insofern bisher dunkle Stellen entsprechend zu beleuchten. Ich freue mich, dass dieses Unterfangen so vorbildhaft geglückt ist“, betonte Rektor Tilmann Märk anlässlich der Präsentation. Die von Prof. Margret Friedrich vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie und Prof. Dirk Rupnow vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebene Uni-Geschichte geht erstmals ausführlich auf die Thematisierung einer hohen Schule vor der tatsächlichen Gründung 1669 ein. Nach dem Auf- und Ausbau und der zunehmenden Einbindung in eine staatliche Bildungspolitik folgten Krisen – Herabstufungen, Kriegszeiten, eine verminderte Wiedereinrichtung. Erst ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts konnte sich die Universität mit allen vier Gründungsfakultäten und deren Ausdifferenzierung entwickeln und ihre Schwerpunkte auf Forschung und forschungsgeleitete Lehre legen, allerdings rasch wieder, intern wie extern, gestört durch ideologische Konflikte und den „Großen Krieg“.

Differenzierter Blick

Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auch auf dem 20. Jahrhundert, wie Co-Herausgeber Dirk Rupnow ausführte: „Es ist ein wichtiges Statement der Universität Innsbruck, sich im Jubiläumsjahr gewissermaßen selbst eine neue Geschichte zu schenken – und in dieser einen deutlich sichtbaren Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert mit seinen Brüchen und Verwerfungen, zwei Diktaturen und ihren Nachfolgen zu legen. Es geht ja nicht darum, die 350 Jahre einfach abzufeiern, sondern einen vorbehaltlosen, durchaus selbstkritischen Blick auf die Innsbrucker Unigeschichte zu werfen. Dies ist viel zu lange unterblieben. Umso besser, dass es jetzt passiert. Und es ist auch unser Anspruch, eine gut lesbare Unigeschichte vorzulegen, die aber schon noch einmal frisch aus den Quellen und Archiven herausgearbeitet ist.“ Neben der weitgehend chronologischen Darstellung der Geschichte im ersten Band (der in zwei Teilen erscheint), legt der zweite Band ein Augenmerk auf einige zentrale Einzelaspekte und -gruppen, etwa das wissenschaftliche und das allgemeine Personal ebenso wie die Studierenden, oder die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Infrastrukturen der Universität, ihre Symbole und Rituale. „Geschichtswissenschaftliche Forschungsfragen werden in der Gegenwart gestellt. Angesichts der fundamentalen Umbrüche im tertiären Sektor innerhalb von zwei Jahrzehnten – UG 2002 und Autonomie, Bolognaprozess, Ausdifferenzierung im tertiären Sektor mit Fachhochschulen und Privatuniversitäten und ein stetiger Anstieg der Studierendenzahlen – dient eine Geschichte der Universität der Verortung und Selbstvergewisserung, allerdings nicht in Form einer linearen ‚Großen Erzählung‘ von der Gründungszeit bis zur heutigen international renommierten Forschungsuniversität. Vielmehr wird ein differenzierender Blick auf Planungen, Leistungen und Erfolge wie auch auf interne und externe Konflikte, existentielle Bedrohungen und Krisen und deren jeweilige Bewältigungsmechanismen gerichtet“, betonte Co-Herausgeberin Margret Friedrich. Als im übertragenen Sinn „dritter Band“ der Universitätsgeschichte erscheint zudem ein Blick in die Zukunft, wie Rektor Märk ausführte: „Für einen Essayband haben wir prominente Persönlichkeiten – gewissermaßen beobachtende und begleitende Zeitzeugen – aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion, die mit der Universität Innsbruck in engem Kontakt stehen, gebeten, Schlaglichter auf die Bedeutung der Universität, insbesondere im Tiroler Kontext, zu werfen.“ Diese Persönlichkeiten stellen aus persönlicher Sicht einen Gegenwartsbezug her, wagen einen Ausblick in die Zukunft und zeigen vor allem die Vielfalt der Universität heute.


„Ehrenmal“ durch Künstler FLATZ umgestaltet

Zudem hat das Rektorenteam anlässlich des Jubiläums entschieden, eine künstlerische Intervention am 1926 enthüllten und von Lois Welzenbacher gestalteten Adler-„Ehrenmal“ für Kriegsgefallene vor dem Hauptgebäude der Universität Innsbruck vornehmen zu lassen – als Zeichen eines offenen und selbstkritischen Umgangs mit der eigenen Geschichte. „Das in deutlich deutschnationalem Geist errichtete Denkmal hat über die Jahrzehnte hin berechtigterweise immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen, Diskussionen und aufsehenerregenden Interventionen geführt. Martialische, heroisierende Gestalt und Worte des Monuments stehen seit langem in völligem Widerspruch zu bzw. sind fehl an einem Ort, der eigentlich als Förderer und Forderer des freien Denkens, der Kritik- und Urteilsfähigkeit, Toleranz und objektiven Wahrheit gelten und wahrgenommen werden sollte – einem Ort mit höherer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“, sagte Rektor Tilmann Märk bei der Enthüllung der Intervention im Anschluss an die Vorstellung der Universitätsgeschichte. Den geladenen Wettbewerb gewann der in München lebende Künstler FLATZ. Das „Ehrenmal“ ist umgeben von den drei Begriffen „Ehre“, „Vaterland“ und „Freiheit“: „Das sind Begriffe, die im deutschnationalen Umkreis nach dem Ersten Weltkrieg gerne verwendet werden und noch heute Leitspruch vieler Burschenschaften sind. FLATZ belässt diese Worte, stellt ihnen einfache Fragen, Fragen, die blutgetränkt sind und teilweise die in Stein gehauenen Begriffe überziehen. Welche Freiheit? Welches Vaterland? Welche Ehre? Er löst damit den ursprünglich intendierten Inhalt auf, hinterfragt die gesetzten Wörter in allgemeiner Form, gültig für dieses Denkmal wie auch für alle anderen mit ähnlichen Inhalten“, hielten Christoph Bertsch und Helena Pereña für die Jury fest, und erklärten: „Der Adler selbst, martialisch das Monument bestimmend, Wappentier mit vielfacher Symbolik, bleibt bei FLATZ auf den ersten Blick unangetastet. Es ist die übergroße weiße Rose, mit der FLATZ versucht, die Stimmung zu verändern. Zu Füßen des Adlers verweist die weiße Rose auf positive Inhalte, auf Liebe, Glück, auf das Geheime: ‚sub rosa dictum‘.“

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