Dirk Rupnow mit John Nicklow
UNO-Präsident John Nicklow (2.v.l.) begrüßte die TeilnehmerInnen des Symposiums persönlich.

Flucht, Migration und Illegalisierung

Ende Mai debattierten an der University of New Orleans 15 WissenschafterInnen aus Europa und den Vereinigten Staaten über die aktuellen Themen Flucht, Migration und Illegalisierung. Highlight der Veranstaltung war die abschließende Diskussion, bei der zwei lokale Menschen- und Arbeitsrechtsaktivistinnen am Podium saßen.

Seit dem ersten Symposium dieser Art im Jahr 1982 ist das Format zu einem der Vorzeigeprojekte und alljährlichen Fixtermine im Rahmen der Universitätspartnerschaft zwischen den Universitäten Innsbruck und New Orleans geworden. Das diesjährige Symposium zum Thema „Debates over Immigration: American and European Experiences in a Comparative Perspective“ war das 33. seiner Art. Organisiert wurde es von Prof. Dirk Rupnow vom Institut für Zeitgeschichte und Marshall Plan Professor Günter Bischof vom Center Austria an der University of New Orleans. Das Symposium fand im Rahmen der 350-Jahr-Feier der Universität Innsbruck statt.

Unter den anwesenden WissenschafterInnen setzten sich einige mit Migrationsgesetzgebung auseinander, jedoch auf ganz unterschiedliche Weise. Madeleine Hsu erörterte die Exklusionsgesetze gegen chinesische ImmigrantInnen (Chinese Exclusion Act), die im Jahr 1882 den Grundstein für die US-amerikanische Migrationspolitik legten. Beth Lew-Williams und Philipp Strobl zeichneten ein anschauliches Bild davon, wie Gesetze zum Leben erwachen, ob im Alltag von Betroffenen oder in den Praktiken der GrenzbeamtInnen. Klaus Neumann zeigte eindrücklich, wie rechtliche Begriffe - beispielsweise „illegaleR EinwanderIn“ - ein Eigenleben entfalten, indem sie bestimmte politische Antworten befördern.

Um die Wirkmacht ideengeschichtlicher Konzepte ging es bei Bernd Kasparek, Deborah Kang und Andreas Oberprantacher. Während Kasparek dem Konzept der europäischen Grenze nachging und zeigen konnte, wie es sich innerhalb von sechs Jahrzehnten buchstäblich auf den Kopf stellte, beschrieb Deborah King den Weg, den die außenpolitische Leitlinie der Abschreckung (Englisch: deterrence) vom US-Verteidigungsministerium ins Migrationsressort beschritt. Andreas Oberprantacher nahm die Teilnehmenden mit auf eine ideengeschichtliche Exkursion, indem er die Frage erörterte, wie im Rahmen gegenwärtiger Sprachpolitiken in Bezug auf MigrantInnen und Geflüchtete ihre Erfahrungen überhaupt wahr- und erstgenommen werden können.

Mit den Aus- und Nachwirkungen des Kalten Krieges auf europäische und US-amerikanische Asylpolitik beschäftigten sich Jana Lipman, Judith Welz und Vicko Mareli. Jana Lipman und Judith Welz zeigten, wie das Ende des Kalten Krieges eine asylpolitische Wende dies- und jenseits des Atlantiks einläutete. Während Geflüchtete aus kommunistischen Ländern bis dahin aus Gründen der Außenpolitik gerne aufgenommen wurden, begann sich der Kreis der Aufenthaltsberechtigten danach stetig zu verengen. Vicko Marelirief in Erinnerung, dass das Mittelmeer bereits zu Zeiten des Kalten Krieges ein fixer, wenn auch bereits äußerst gefährlicher Teil von Fluchtrouten in Richtung Nordeuropa war.

Für die TeilnehmerInnen aus Europa gehörte der Vortrag von Sarah Fouts sowie die Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltung zum Höhepunkt, da sie detailreiche Einsichten in das New Orleans nach dem Hurrikan Katrina zeichneten. Sarah Fouts berichtete darüber, wie unter dem Zeichen des Wiederaufbaus und der „urbanen Aufwertung“ Verdrängungsprozesse in Gang gesetzt wurden, die besonders die Schwarze Stadtbevölkerung traf. Die Rechtsanwältin Kathleen Gasparian und die anwesende Repräsentantin des Congress of Day Laborers (Deutsch: TagelöhnerInnenkongress) teilten die Einschätzung, dass die veränderte Migrationspolitik der gegenwärtigen Trump-Administration vor allem auf der Ebene der Implementierung spürbar ist und wiesen einmal mehr auf den Zusammenhang zwischen aufenthaltsrechtlicher Illegalisierung und Ausbeutung am Arbeitsmarkt hin.

(Judith Welz)

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