Die Restaurierungswerkstätte am Institut für Archäologien gleicht einer Fundgrube. Luftdicht abgeschlossene Artefakte warten auf ihre Restaurierung, andere werden in Entsalzungs-Bädern auf eine genauere Untersuchung vorbereitet, während an weiteren Stücken bereits gearbeitet wird. Wie mit den fragilen Bruchstücken menschlicher Vergangenheit fachgerecht umzugehen ist, weiß Ulrike Töchterle, Leiterin der Restaurierungswerkstatt am Institut für Archäologien, genau. „Direkt von der Grabung bekommen wir als erste die geborgenen Funde. Noch eingebettet in Erdklumpen wissen wir oft noch nicht, um welche Teile es sich konkret handelt. Im Labor starten wir dann unsere eigene kleine Grabung, indem wir unter dem Mikroskop die winzigen Funde freilegen“, erläutert Töchterle. Mit jedem Schritt eröffnet sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine neue Welt und sie bekommen Einblicke in längst vergangene Zeiten. Um zu klären, welche Artefakte sich tatsächlich in den geborgenen Erdblöcken befinden, werden teilweise nicht nur Röntgenaufnahmen, sondern auch in Kooperation mit der Klinik Computertomographien angefertigt. „In den Aufnahmen sehen wir Schicht für Schicht genau, was sich in der Erde befindet und sind dementsprechend schon vorbereitet, bevor wir mit dem Freilegen beginnen“, verdeutlicht Töchterle.
Hochaufgelöste Vergangenheit
Zwei über 2.500 Jahre alte hauchdünne Schmuckarmbänder erregten die Aufmerksamkeit der Archäologinnen und Archäologen im Team um Margarethe Kirchmayr und Ulrike Töchterle, die im Rahmen von Grabungsarbeiten in der Gemeinde Ehrwald im Bezirk Reutte gefunden wurden. „Normalerweise kommt dieser Art von Schmuck, die sogenannten Tonnenarmbänder, nur in Gräbern vor. Interessant ist, dass diese Armbänder neben dem Weg gefunden wurden. Nun stellt sich die Frage, ob sie beispielsweise verloren wurden, oder ob sie die Menschen damals an dieser Stelle vergraben haben“, erläutert Töchterle. Die einzige Möglichkeit zur Untersuchung der hauchdünnen, aus Bronzeblech getriebenen Schmuckstücke besteht in der berührungslosen Digitalisierung mittels eines MicroCT-Scans. „Die dabei gewonnen hochauflösenden Daten sind nicht nur zur wissenschaftlichen Untersuchung der Herstellungstechnik oder der Gebrauchsspurenanalyse, sondern auch für alle in Folge anfallenden Erhaltungsmaßnahmen notwendig“, so die Wissenschaftlerin. Die hochauflösende 3D-Darstellung der Tonnenarmbänder ist Grundlage für die notwendige Restaurierung und weitere wissenschaftliche Bearbeitung. Da die Schmuckstücke für eine tatsächliche Trennung zu fragil sind, können sie nicht real, aber doch grafisch bzw. digital getrennt werden. So erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit, trotzdem beide Reifen getrennt voneinander zu untersuchen. „Mit Hilfe dieser Methode konnten wir Hammerspuren und Hinweise auf Flickungen feststellen. Dies gibt uns Aufschluss über die zentralen Fragen nach der Herstellung und dem Gebrauch der Schmuckstücke. Schon die Tatsache, dass sich die Menschen damals die Arbeit gemacht haben sie zu flicken, zeigt den hohen Wert der Armbänder“, verdeutlicht Töchterle. Doch auch Textilien und Lederreste sind für die Wissenschaftlerin besonders spannend, denn mithilfe moderner Methoden ist es möglich, diese bis ins Detail zu untersuchen. Die Bindungsart der Stoffe, die Spinnrichtung vom Faden oder die Dichte des Gewebes lassen auf die Art des Stoffes, Trachten oder andere Kleidungsarten schließen. „Für diese Untersuchungen ist das neue Digitalmikroskop von Keyence sehr hilfreich. Bis zu 20 Bilder pro Sekunde machen es möglich, auch strukturierte Funde scharf abzubilden. Dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren Methoden“, freut sich die Archäologin. Mit der Fülle neuer digitaler Methoden müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Vorgehensweisen anpassen und den Umgang mit ihnen neu erlernen.
Herausforderung
Die archäologische Restaurierung hat sich mit den neuen Möglichkeiten weiterentwickelt und verändert. „Unsere Arbeit bewegt sich im Mikro-Bereich. 3D-Modellierungen oder die Untersuchungen mit dem Digitalmikroskop ermöglichen uns eine viel genauere Analyse“, so Töchterle. Mit der Einführung neuer Methoden auch in der archäologischen Restaurierung müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit anpassen und teilweise neu ausrichten. „In unserer Arbeit sind wir nicht nur auf hochauflösende Bilder angewiesen, sondern vor allem auf die daraus lesbaren archäologischen Informationen“, erklärt die Wissenschaftlerin, die verdeutlicht, dass in ihrer Arbeit noch nicht gänzlich auf Handzeichnungen verzichtet werden kann. „Ein Foto allein sagt noch nicht sehr viel aus. In Skizzen und Kartierungen von archäologischen Funden oder Befunden können wir aber bereits für uns wichtige Details, wie beispielsweise die Beschaffenheit einer Oberfläche oder Erdschicht, einzeichnen. Diese Feinheiten spüren geübte Forscherinnen und Forscher nur mit der Kelle. Achten wir schon in der Grabungsdokumentation auf solche Besonderheiten, können wir auch noch Jahre später den Fund richtig interpretieren. Hier gibt es noch Bedarf an digitalen Lösungen.“ Mit der Fülle an neuen Methoden ist auch das Bewusstsein vieler Archäologinnen und Archäologen für die Kleinigkeiten im Fundmaterial gestiegen. „Früher wurde der ‚Dreck‘ auf Bodenfunden einfach weggeputzt und so wertvolle Informationen wie beispielsweise Überreste von organischen Auflagen oder Schäftungshölzern vernichtet. Heute ist das Bewusstsein für einen sorgsamen Umgang mit den Objekten, aber auch mit der Suche nach Details, viel größer, denn die Archäologie lebt davon“, betont Töchterle, die darauf hinweist, dass auch sie erst lernen muss, sowohl mit den neuen Methoden, aber auch mit der Fülle an neu gewonnenen Erkenntnissen bestmöglich umzugehen. „Wir finden Hinweise auf Herstellungs- und Gebrauchsspuren, besondere Materialien und ihre Handelswege“, vertieft die Archäologin, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Barbara Welte daran arbeitet, Artefakte aus Keramik, Metall oder Stein zu konservieren und restaurieren, Mikrospuren zu analysieren oder Zusammenhänge aufzudecken.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).