Studieren an der Uni Innsbruck, heißt nicht immer im Hörsaal zu sitzen. Im Bild die Dissertantin Nora Els bei einer Ihrer Expeditionen nach Grönland
Studieren an der Uni Innsbruck, heißt nicht immer im Hörsaal zu sitzen. Im Bild die Dissertantin Nora Els bei einer Ihrer Expeditionen nach Grönland

Lernen abseits des Hörsaals

Hörsaal, Seminarraum und Universitätsbibliothek: Orte, an denen Studierende üblicherweise lernen. Studieren an der Uni Innsbruck kann aber auch bedeuten, auf einem Bohrschiff vor Japan zu forschen, Luftproben in Grönland zu sammeln, im Iran auszugraben oder in einem EU-Sitzungssaal zu dolmetschen.

 „Am Anfang waren wir fast erschlagen von den ganzen Informationen und Eindrücken, die bei unserem Einzug auf das Forschungsschiff auf uns hereinbrachen“, beschreiben Jonas Keller und Dominik Jaeger die bisher wohl aufregendsten zwei Wochen ihres Geologie-Studiums an der Uni Innsbruck. Die beiden Masterstudenten von Univ.-Prof. Michael Strasser am Institut für Geologie waren 16 Tage auf dem Bohrschiff Chikyu unterwegs – ein sowohl technisch wie auch wissenschaftlich voll ausgestattetes 210 Meter langes Forschungsschiff, das vor der Küste Japans Bohrungen in bis zu 7000 Meter Tiefe vornehmen kann. Auch wenn Geologie auf den ersten Blick eher mit Gebirgen und Steinformationen in Verbindung gebracht wird, ist der Meeresboden ein wichtiges Forschungsgebiet dieser Disziplin. Durch die Analyse von Sedimentablagerungen im Meeresboden erhoffen sich Wissenschaftler beispielsweise, mehr über die Entstehung von Erdbeben herauszufinden. Bei einer Expedition der Chikyu im Rahmen des Integrated Ocean Discovery Program (IODP) im Jänner 2018 wurde ein Langzeitobservatorium am Meeresboden angebracht, das im Falle eines Erdbebens und einer möglicherweise folgenden Flutwelle einen wichtigen Informationsvorsprung verschaffen könnte.

Die Geologie-Studenten Jonas Keller und Fabian Jaeger waren 16 Tage auf dem 210 Meter lange Forschungsschiff Chikyu. (Credit: Keller)

Die Geologie-Studenten Jonas Keller und Fabian Jaeger waren 16 Tage auf dem 210 Meter lange Forschungsschiff Chikyu. (Credit: Keller)

Zu dieser Expedition wurden auch NachwuchswissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt eingeladen, –  dank der Teilnahme der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im IOPD auch aus Österreich –  im Rahmen eines Workshops das Forschungsleben an Bord eines Bohrschiffes kennenzulernen. „Der Betreuer unserer Master-Arbeit, Michael Strasser, der selbst ein Experte auf diesem Forschungsgebiet ist, hat uns dazu animiert, uns für den IOPD-Workshop auf der Chikyu zu bewerben“, erklärt Dominik Jaeger. Er und Jonas Keller wurden neben DissertantInnen und Post-Docs als einzige Masterstudenten ausgewählt, um am Workshop teilzunehmen. Finanziell unterstützt wurden sie dabei von der ÖAW. Auf dem Schiff hatten die NachwuchswissenschaftlerInnen die Möglichkeit, unter der Aufsicht von ExpertInnen alte Daten, die im Zuge vorhergehender Expeditionen der Chikyu gesammelt wurden, neu aufzuarbeiten und darauf aufbauend neue Forschungsfragen zu erarbeiten. „Wirkliche Koryphäen in diesem Forschungsgebiet haben zudem Vorträge über ihre wissenschaftliche Arbeit gehalten und standen uns auch zur Verfügung, um Fragen zu unseren eigenen Projekten zu besprechen“, erzählt Jonas Keller. In seiner Master-Arbeit, die er im Sommer 2019 abschließen will, beschäftigt er sich mit dem Tiefseebecken vor Japan. „Der Aufenthalt auf der Chikyu hat mich auch in diesem Bereich einen großen Schritt weitergebracht“, so Keller. Und auch Dominik Jaeger, der sich im Rahmen seiner Master-Arbeit mit der Herkunft und dem Ablagerungsprozess der Sedimente im Meeresboden beschäftigt, bestätigt die Vorteile des Workshops an Bord des Forschungsschiffes. „Abgesehen von den fachlichen Eindrücken war es einfach eine unglaubliche Erfahrung, morgens an Bord dieses riesigen Schiffes zu stehen“, zeigen sich die beiden Studierenden begeistert von ihrer 16-tägigen Reise auf der Chikyu.

Kalte Luft

 „Soweit das Auge reicht von Eis umgeben zu sein, ist eine wunderschöne und beeindruckende Erfahrung. Das Zusammenspiel von Farben, Schattierungen und Oberflächenformen des Eises mit spätsommerlichen Lichtverhältnissen, das ist einfach ein Eindruck, den man nicht mehr vergessen kann“, so beschreibt die PhD-Studentin Nora Els ihre Eindrücke von der Forschungsexpedition nach Grönland.

Die Ökologie-Studentin Nora Els sammelt für ihre PhD-Arbeit Luftproben in Grönland.
Die Ökologie-Studentin Nora Els sammelt für ihre PhD-Arbeit Luftproben in Grönland. (Credit: Els)

Im Rahmen ihrer PhD-Arbeit untersucht die junge Ökologin Luftproben in Gletschergebieten und versucht herauszufinden, ob das Leben im Schnee über die Luft eingebracht wird. Grundsätzlich gehen die Wissenschaftler davon aus, dass das Leben im Schnee über Partikel eingetragen wird, die sowohl Bakterien als auch die von diesen zum Überleben benötigten Nährstoffe enthalten. „In den bisher von mir untersuchten Proben hat sich aber gezeigt, dass 50% der Mikroorganismen freischwebend – also ohne Nährstoffpartikel – unterwegs waren. Ob diese aktiv oder inaktiv sind, was ihre Aufgabe ist und ob und wie sie es schaffen, zu überleben, wissen wir leider noch nicht. Grundsätzlich hat mich aber überrascht, dass so eine große Anzahl nicht partikelgebundener Bakterien allein unterwegs ist.“  Ebenfalls überraschend für die Nachwuchswissenschaftlerin war die Tatsache, dass aus Luftproben, die bei sehr hohen Minustemperaturen und starken Winden genommen wurden, sehr viele Organismen kultiviert werden konnten. „Von den Proben eines Tages konnten wir teilweise über 60 verschiedene Organismen kultivieren. Eine Zahl, die noch beeindruckender ist, wenn man weiß, dass nur circa ein Prozent aller vorhandenen Organismen kultivierbar sind.“ Neben den fachlichen Erkenntnissen sieht die Ökologin einen weiteren Vorteil in ihren Auslandsaufenthalten: „Ich war mit einem Feldassistenten an zwei Orten in Grönland unterwegs. Die Logistik des gesamten Aufenthaltes habe ich selber geplant und organisiert. Das war eine große Herausforderung für mich. Als wir dann nach langer Planung mit unserer gesamten wissenschaftlichen Ausrüstung einige Kilometer am Grönländischen Inlandeis standen und die Messgeräte liefen, war das Gefühl, das alles geschafft zu haben, unbeschreiblich.“

Puzzle der Geschichte

Wärmere Gegenden bevorzugt die Archäologin Brigit Danthine. Die Studentin untersucht in ihrer Dissertation im Fachbereich Vorderasiatische Archäologie am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik die Fundstätte Chors in der iranischen Provinz West-Aserbaidschan. Diese Fundstätte bildet ein 8 Hektar großes Siedlungsplateau, das aufgrund seiner Größe und unmittelbaren Nähe zur Festung von Bastam sowie der langen Siedlungsgeschichte eine besondere Bedeutung für die Erforschung des Königsreiches Urartu hat. „Das Ziel meiner Forschungsarbeit ist die Erstellung einer Keramiktypologie aus Siedlungskontexten, um die Entwicklung der Keramik von der späten Bronze- bis späten Eisenzeit im Spannungsfeld Siedlung – Befestigung zu beschreiben. Daraus sollen anhand unterschiedlicher Analyseverfahren Vergleiche zur mitteleisenzeitlichen Keramik der Festungsanlagen gezogen werden, um die gegenseitige Beeinflussung beziehungsweise Abhängigkeit der Siedlungen von den militärischen Verwaltungszentren des Königreiches zu erfassen“, erklärt Brigit Danthine.  

Brigit Danthine bei der Forschungsarbeit im Iran. (Credit: Bahman Hassanzadeh)

Brigit Danthine bei der Forschungsarbeit im Iran. (Credit: Bahman Hassanzadeh)

Das Interesse an Geschichte begleitet die Dissertantin schon ihr ganzes Leben, weshalb sie sich für ein Geschichte-Studium entschied. „Während des Bachelorstudiums in Zürich fokussierten sich meine Interessen bereits auf die Alte Geschichte und die Archäologie, wobei mich besonders der Vorderasiatische Raum am meisten faszinierte. Da ein Studium zur Vorderasiatischen Archäologie an der Universität Zürich nicht angeboten wird, verschlug es mich an die Universität Innsbruck, wo ich glücklicherweise auf Ass.-Prof. Dr. Sandra Heinsch-Kuntner und Dr. Walter Kuntner traf. Die nicht nur theoretische, sondern auch stark praxisbezogene Ausbildung war genau das, was ich suchte, wobei mich vor allem die Archäoinformatik interessierte. Schon bald nach meinem Studienbeginn in Innsbruck konnte ich mich in die laufenden Forschungsarbeiten am Fachbereich Vorderasiatische Archäologie einbinden“, beschreibt Danthine. Die gebürtige Schweizerin war bereits zwei Mal im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten im Iran tätig, in Kürze startet eine dritte Kampagne. Die Forschungen zu Urartu bzw. dem gesamten südkaukasischen Gebiet im 1. Jt. v. Chr., die an der Universität Innsbruck betrieben werden, beschränken sich allerdings nicht nur auf den Iran. Es finden zudem seit längerer Zeit Grabungen in Georgien und Armenien statt. In beiden Ländern hat Brigit Danthine mittlerweile bereits an je fünf Kampagnen mitgearbeitet und die digitale Grabungsdokumentation durchgeführt. Im Iran war bisher einen Großteil der Arbeit der Geomagnetik gewidmet, die es erlaubt, ohne Eingriffe Strukturen im Boden ausfindig zu machen. „Am Spannendsten dabei ist, am Schluss die Bilder zusammenzusetzen. Aufgrund dieser Ergebnisse können dann gezielt Grabungen geplant und die gewonnenen Funde und Befunde mit den bekannten wissenschaftlichen Ergebnissen verglichen werden, um so der Vergangenheit ein weiteres Puzzlestück hinzuzufügen“, so Danthine. „Darüber hinaus waren wir während unseren Kampagnen jeden Tag aufs Neue von der überaus großzügigen Gastfreundschaft beeindruckt.“

Erste Berufserfahrungen sammeln

Beeindruckt waren auch die Studierenden der Translationswissenschaft, die im Jänner 2018 im Rahmen eines Study Visit die Einrichtungen der Europäischen Union besuchten. Eleonora Romano, Lehrbeauftragte am Institut und Konferenzdolmetscherin für die europäischen Institutionen, organisiert diese Exkursionen an der Univeristät Innsbruck. Die teilnehmenden Studierenden hatten dabei die Möglichkeit, mehr über die Arbeit der DolmetscherInnen beim größten Dolmetsch-Dienst der Welt zu erfahren und durften auch in einer sogenannten „stummen Kabine“ live versuchen, eine reale Sitzung des Europäischen Ministerrates zu dolmetschen. Ein eigens für sie organsierter Test, der der realen Aufnahmeprüfung für Dolmetscher im Dienst der europäischen Institutionen entspricht, bot ihnen auch die Möglichkeit, die Anforderungen kennenzulernen und ihren Wissensstand zu testen.

Ein Study-Visit in Brüssel ermöglichte es Claudia Schaidraiter (rechts) in einer "stummen Kabine" live, ihre Dolmetsch-Kompetenz zu überprüfen. (Credit: Romano)

Ein Study-Visit in Brüssel ermöglichte es Claudia Schaidraiter (rechts) in einer „stummen Kabine“ live, ihre Dolmetsch-Kompetenz zu überprüfen. (Credit: Romano)

„Ich befinde mich jetzt im letzten Semester meines Master-Studiums und möchte im Juni die Dolmetsch-Abschlussprüfung machen. Da die Europäische Union einer der größten Arbeitgeber für Dolmetscher überhaupt ist, war der Study Visit nach Brüssel für mich eine wunderbare Möglichkeit, einen Einblick in die Arbeitswelt in den Institutionen zu gewinnen und mich konkret auf einen Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten“, beschreibt eine der TeilnehmerInnen des Study Visits, Claudia Schaidreiter. Für Robert Natter, der noch am Beginn seines Studiums der Translationswissenschaft an der Uni Innsbruck steht, war der Study Visit in Brüssel Gewinn und Ansporn zugleich. „Mein persönliches Highlight war das Dolmetschen in der stummen Kabine bei einer echten Ratssitzung. Hier wurde mir klar, dass ich noch viel zu lernen habe, bis ich eine solche Sitzung ohne Probleme dolmetschen kann, es aber auf jeden Fall machbar ist“, so Natter.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).


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