Schloss Tirol bei Meran
Schloss Tirol bei Meran heute. Das Schloss ist der historische Stammsitz der Grafen von Tirol.

Von wegen Burg­fräulein

Politisch aktiv, geschäftstüchtig, vermittelnd: Fürstinnen haben mittelalterliche Politik häufig entscheidend mitgeprägt und sind heute dennoch weitgehend vergessen. Die Historikerin Julia Hörmann-Thurn und Taxis untersucht die Handlungsspielräume von Fürstinnen im 13. und 14. Jahrhundert und holt sie so vor den Vorhang.

Im Jänner 1363 überließ die kinderlose Witwe Margarete von Tirol-Görz Tirol den Habsburgern: ein Ereignis, dem heute noch regelmäßig gedacht wird. Den auf ihre angebliche Hässlichkeit abzielenden, abwertenden Beinamen „Maultasch“, unter dem Margarete heute bekannter ist, hat sie vermutlich der gegnerischen Propaganda zu verdanken. Mit Margarete (1318–1369) und 21 weiteren Ehefrauen der Grafen von Tirol-Görz und der Herzöge von Österreich im späten 13. und im 14. Jahrhundert hat sich Prof. Julia Hörmann-Thurn und Taxis vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie in ihrer Habilitation näher auseinandergesetzt: „Mittelalterliche Fürstinnen wurden bislang als soziale Gruppe praktisch nicht untersucht, obwohl es natürlich einzelne Arbeiten zu herausragenden Fürstinnen gibt. Der systematisch aufgebaute Vergleich mehrerer Fürstinnen-Biografien lässt zum einen allgemeine Rückschlüsse auf ihre Handlungsspielräume zu, zum anderen geht es mir auch darum, den individuellen Umgang mit den jeweiligen Rahmenbedingungen herauszuarbeiten.“ Denn „die Fürstin“ hat es nicht gegeben – es sind immer Individuen mit unterschiedlichen Veranlagungen, Interessen und Voraussetzungen.

Einfluss und Ohnmacht

Es ist dabei häufig nicht leicht, Nachweise zu finden, denn die Quellenlage des 13. und 14. Jahrhunderts ist mit Ausnahmen noch recht dünn. „Die überschaubare Quellensituation ist einer der Gründe, warum ich mir gleich 22 Fürstinnen angesehen habe – die vergleichende Untersuchung ergibt ein rundes Bild und lässt generelle Schlüsse durchaus zu“, erklärt Julia Hörmann-Thurn und Taxis. Von einzelnen Frauen ist etwa ein umfassender Briefverkehr erhalten, Urkunden öffnen die politische Ebene, Testamente ermöglichen unter anderem Aussagen über das persönliche Netzwerk der Fürstinnen. „Die Fürstinnen kamen in der Regel von außen an den jeweiligen Hof und mussten sich dort einleben. Wenn dann im Testament der Fürstin auch Leute aus ihrem Hof, also ihrem unmittelbaren Umfeld, bedacht wurden, spricht das für den Aufbau von Beziehungen und eine gelungene Integration.“

Ein Beispiel für dieses „Einleben“ ist Isabella von Aragón, die 1313 den Habsburger Friedrich den Schönen heiratete. Friedrich war Herzog von Österreich und der Steiermark und seit 1314 auch römisch-deutscher König. Isabella musste als Tochter des Königs von Aragón – im heutigen Spanien – nach ihrer Ankunft in Österreich erst Deutsch lernen. „Von Isabella ist ein Briefverkehr mit ihrem Vater erhalten, in dem sie positiv über ihre Ehe und ihr Leben in Österreich schreibt. Sie starb 1330 im Alter von 28 Jahren, wenige Monate nach ihrem Mann; ihr Testament ist auf Deutsch verfasst. Das lässt den Rückschluss zu, dass sie die Sprache gut beherrscht hat.“ Der Transfer von Kulturgütern und kulturellem Knowhow ist bei Heiraten unterschiedlicher Kulturkreise in der Forschung heute ebenfalls Thema: „Letztlich bleibt aber vieles Spekulation – wiewohl sich einzelne Momente nachvollziehen lassen, etwa, wenn eine Fürstin Künstler aus ihrer früheren Heimat mit Arbeiten beauftragt.“

Eheglück

Einige der durchwegs arrangierten Fürstenehen können dennoch als funktionierend bezeichnet werden, zum Beispiel die Ehe Herzog Albrechts II. von Österreich mit Johanna von Pfirt. Die liebevolle Anrede „bruederlin“ auch in der Urkundenpraxis ist ein Hinweis dafür. Anders war es bei Margarete von Tirol-Görz: Mit ihrem ersten Ehemann Johann Heinrich von Luxemburg, der schon als fünfjähriges Kind an den Tiroler Hof gekommen und gemeinsam mit seiner Braut aufgewachsen war, verband sie regelrechter Hass. „Margarete war im Gegensatz zum sonst üblichen Fall in der für sie glücklichen Lage, selbst Erbin der Grafschaft Tirol zu sein. Ihr Mann war also der Zugezogene. Über Umwege und mit prominenter Unterstützung durch den Kaiser gelang es ihr schließlich, sich von ihrem ungeliebten Mann zu trennen und ihn regelrecht aus dem Land zu werfen“, erklärt die Historikerin.

Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte die finanzielle Ausstattung, deren Basis das Heiratsgut war. Dieses setzte sich aus der Widerlage und der Morgengabe, die von der Mannesseite beizusteuern waren, und aus der Heimsteuer oder Mitgift von der Brautseite zusammen. „Mitgift und Widerlage waren vor allem als Witwenabsicherung für die Zeit nach dem Tod des Fürsten gedacht, wobei neuere Forschungen zeigen, dass zumindest die Mitgift in bereits während der Ehe zur Verfügung stehen konnte. Einige Fürstinnen haben sehr gut verstanden, mit ihrem Geld auch politisch zu operieren“, erläutert die Historikerin.

Machtsphären

Von großem Einfluss war Elisabeth von Tirol-Görz (1262–1313), eine Tante Margaretes. Durch ihre Heirat mit dem Habsburger Albrecht I. war sie Herzogin von Österreich und der Steiermark und seit 1298 auch römisch-deutsche Königin. Sie galt als außerordentlich geschäftstüchtig und politisch engagiert: „Nach dem Tod ihres Mannes nahm sie eine prominente Rolle als Mediatorin zwischen ihren zerstrittenen Verwandten ein und bestimmte die politische Performance ihrer Söhne mit, quasi als mater familias.“ Die dritte Ehefrau von Margaretes Vater Heinrich, Beatrix von Savoyen, war politisch ebenfalls sehr aktiv. Sie war bei der Hochzeit 1328 vierzig Jahre jünger als Heinrich und starb schon drei Jahre später im Alter von nur 21 Jahren. „Heinrich überließ Beatrice mehrfach die Regentschaft in seiner Abwesenheit und auch als Vermittlerin hat sie sich – obwohl sehr jung – hervorgetan. Außerdem hatte sie ein ausgeprägtes wirtschaftliches Talent und schaffte es, in den wenigen Jahren ihrer Ehe sich beachtliche Einkünfte und Rechte zu sichern. Dieses Beispiel zeigt aber auch deutlich: Ein Eindringen in männliche Machtsphären erforderte die Unterstützung des Fürsten und seiner Berater oder zumindest ein Gewähren-Lassen.“ Auch hier dient Margarete als Gegenbeispiel: Ihr zweiter Mann, der Wittelsbacher Ludwig von Brandenburg, hat sie an der Herrschaft in Tirol kaum mitbeteiligt und übertrug ihr bei seiner Abwesenheit auch nicht die Regentschaft. „Trotz aller Unterschiede: Viele Fürstinnen verstanden es, Einfluss zu nehmen und viele von ihnen haben die fürstliche Politik zumindest mitgeprägt. Es lohnt sich, diese Frauen vor den Vorhang zu holen“, sagt die Historikerin.

Zur Person

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Julia Hörmann-Thurn und Taxis ist seit 2017 Leiterin des Instituts für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck. Die Mittelalterhistorikerin ist unter anderem Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Wien, ihre Forschungsschwerpunkte sind die Mittelalterliche Kanzlei- und Verwaltungsgeschichte, die Hof- und Residenzenforschung, Frauengeschichte, mittelalterliche Tiroler Geschichte und historische Hilfswissenschaften. Sie ist außerdem wissenschaftliche Kuratorin in Museums- und Ausstellungsprojekten.

Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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