Blick auf eine Wiese im Hochgebirge
Oberhalb der Waldgrenze sind die Nährstoffverhältnisse ähnlich.

Glo­baler Wan­del an der Wald­grenze

Kurze schneefreie Perioden, große Temperaturunterschiede und geringes Nährstoffangebot: Hochgebirgspflanzen sind an ihren extremen Lebensraum gut angepasst. Ein Forscherteam unter Beteiligung von Michael Bahn kommt im Fachmagazin „Nature“ zum überraschenden Schluss, dass die Nährstoffverhältnisse der Pflanzen oberhalb der Waldgrenze im globalen Vergleich sehr ähnlich sind.

Pflanzen benötigen für ihr Wachstum eine Vielfalt von Nährstoffen, wobei Stickstoff und Phosphor die mengenmäßig wichtigsten sind. Je nach Nährstoffangebot und -aufnahme durch die Pflanzen ergeben sich bestimmte Nährstoffverhältnisse im Gewebe, die sich von Art zu Art unterscheiden und durch Umweltveränderungen beeinflusst werden. Gemeinsam mit einem internationalen ForscherInnen-Team von 10 verschiedenen Universitäten untersuchte Bahn über 30 Waldgrenzstandorte in Mitteleuropa, Australien, Neuseeland, Colorado, British Columbia, Japan sowie in Patagonien. Sie machten dabei eine erstaunliche Beobachtung, die neulich im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde: Während die Nährstoffverhältnisse der Vegetation unterhalb der Waldgrenze regional sehr unterschiedlich waren, kam es oberhalb der Waldgrenze weltweit zu einer starken Angleichung der Stickstoff- und Phosphorverhältnisse.

Vergleichbarkeit

„Diese bemerkenswerte globale Konvergenz der Nährstoffverhältnisse oberhalb der Waldgrenze steht in engem Zusammenhang zu Bodeneigenschaften und zur mikrobiellen Biomasse“, erklärt der Ökologe Michael Bahn. „Wir gehen davon aus, dass sie vor allem auf eine verringerte Stickstoffversorgung im Hochgebirge zurückzuführen ist“. Vermutungen, dass die Ergebnisse aus den untersuchten Höhentransekten unmittelbare Rückschlüsse auf Auswirkungen durch den Klimawandel zulassen, sieht Bahn eher skeptisch. „Zwar ändert sich mit der Meereshöhe die Lufttemperatur, sodass an den untersuchten alpinen Standorten bis zum Ende dieses Jahrhunderts etwa jene Lufttemperaturen vorherrschen könnten wie heute an den Waldstandorten. Allerdings sind für die Nährstoffumsätze in erster Linie die Bodentemperaturen ausschlaggebend, und diese liegen bei der kleinwüchsigen Alpinvegetation deutlich über den Lufttemperaturen.“ Dennoch erscheint es plausibel, dass der Klimawandel die Stickstoffumsätze im Boden erhöht, was vor allem stickstoffliebenden Pflanzen, die im Zuge des globalen Wandels aus tieferliegenden Höhenstufen in der alpinen Zone einwandern, nutzen könnte. „Bei erhöhter Stickstoffversorgung könnten diese Arten gegenüber den langsamer wachsenden Hochgebirgsarten einen Konkurrenzvorteil haben“, so Bahn.

Forschungsbedarf

Um genauere Aussagen über die Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme treffen zu können, sind laut Michael Bahn neben Beobachtungsstudien aber auch gezielte Experimente nötig. Er selbst arbeitet bereits seit vielen Jahren an Freilandexperimenten zum Klimawandel und seinen Auswirkungen auf Pflanzen, Böden und Stoffkreisläufe. Neben laufenden Experimenten zu den Folgen von Wetterextremen auf Alm- und Waldflächen im Stubaital und zu den Wechselwirkungen von Klimaerwärmung und Wetterextremen bei erhöhtem CO2, beginnt Bahn in diesem Jahr zwei internationale Projekte zu kombinierten Effekten von Erwärmung und Stickstoffversorgung in Island und zu Auswirkungen veränderter Schneeverhältnisse im Hochgebirge.

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