Vater und Sohn mit Smartphone
Digitale Medien sind Teil unseres Lebens. Wie unsere Gesellschaft damit umgeht und welche Gefahren und Potenziale der Medienwandel mit sich bringt, untersucht Dr. Petra Missomelius vom Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation.

Digitale Chancen

Social-Media-Sucht! Selfie-Wahn! Dem Internet und sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Co. werden oftmals geradezu apokalyptische Eigenschaften zugeschrieben. Die Medienwissenschaftlerin Petra Missomelius plädiert für einen unaufgeregteren Umgang mit dem Thema und empfiehlt: Nur die Ruhe.

Schon in der Antike brachte Platon seine „Schriftkritik“ zum Ausdruck, der Roman als neue literarische Form wurde im Mittelalter anfangs als minderwertig kritisiert, es folgten im 20. Jahrhundert zahlreiche neue Formate wie Radio, Film oder Comics mit ähnlichen Reaktionen. Und das Internet macht in den Augen populistischer „Missionare“ ohnehin dumm und gewalttätig. Eines ist allen gemeinsam: Die Aufregung rund um neue Entwicklungen war und ist immer groß. „Beim Auftauchen neuer Medienformen ist schnell von Revolution oder Umwälzung die Rede, sogar die Begrifflichkeiten wiederholen sich immer wieder. Da gibt es auf der einen Seite das Heraufbeschwören geradezu apokalyptischer Szenarien, die bis zum gesellschaftlichen Untergang und einer Verrohung vor allem junger Menschen reichen. Und auf der anderen Seite finden wir große Heilsversprechen. Beides halte ich für übertrieben“, sagt Petra Missomelius. Die Medienwissenschaftlerin und Medienpädagogin am neu gegründeten Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation der Uni Innsbruck beschäftigt sich seit ihrer Studienzeit mit digitalen Medienkulturen. Ihr Fokus liegt dabei nicht nur auf technischen Aspekten, sondern vor allem auf der Frage, wie sich unser Weltbild und Selbstbild durch Digitalität verändert. Im Zuge ihrer wissenschaftlichen Arbeit kam Missomelius immer wieder zum Schluss: Kulturpessimismus und Angst sind an keiner Stelle hilfreich.

Gelassenheit

Für Petra Missomelius ist es vor allem die mediengeschichtliche Perspektive, die rund um Stichworte wie Selbstinszenierung, „Like-Jagd“ oder „Social Media-Sucht“ zur Beruhigung beitragen könnte. „Oft wird der Eindruck vermittelt, als wären beispielsweise die Social Media von heute auf morgen völlig überraschend entstanden. Das stimmt so natürlich nicht. Auch das, was wir im Internet heute erleben, ist nicht losgelöst von der Medienwelt davor zu sehen. Und der Großteil der in der Vergangenheit geäußerten negativen wie positiven Prophezeiungen hat sich nicht bestätigt“. Für besonders wichtig hält Missomelius aber die Sensibilisierung für neuartige Mechanismen, die in der Medienlandschaft wirken: „Im Unterschied zu traditionellen Medien sollte die Hintergrundarbeit der Algorithmen nicht unterschätzt werden: Es handelt sich in erster Linie um digitale Netzwerktechnologien, die erst bei massenhafter Nutzung und Befüllung mit Inhalten mediale Züge entfalten. Das ist ein grundlegender Unterschied zu den Programmangeboten der Medieninstitutionen des 20. Jahrhunderts, der wiederum viele zivilgesellschaftliche Prozesse ermöglicht.“ Die Medienwissenschaftlerin stellt in ihrer Arbeit daher immer mögliche Stärken oder Potenziale in den Vordergrund und sieht Medien in erster Linie als Angebot: „Medien eröffnen zunächst einmal Möglichkeiten. Es liegt dann in der gesellschaftlichen Verantwortung, wie mit diesen Möglichkeiten umgegangen wird. Im Zusammenhang mit digitalen Medien befinden wir uns da noch mitten in Aushandlungsprozessen. Das ist das Spannende – und eine große Chance“.

Medienbildung

Hasspostings oder Fake News: Besonders die letzten Monate haben auch Schattenseiten der Social Media zu Tage befördert. Um diesen zu begegnen, sieht Missomelius vor allem den Bildungsbereich in der Verantwortung. „Gerade Kinder und Jugendliche sollten hier stärker im Hinblick auf Kritikfähigkeit sowie Medien- und Kommunikationsanalyse unterstützt werden. Medienbildung muss mehr Platz in den Lehrplänen an Schulen finden“, ist die Medienwissenschaftlerin überzeugt. Petra Missomelius ist in zahlreiche Bildungsprojekte in Deutschland und Österreich involviert, unter anderem arbeitete sie am Konzept der kürzlich vom Bildungsministerium beschlossenen verbindlichen Übung „Digitale Grundbildung“ an österreichischen Schulen mit, die ab Herbst 2017 für 6- bis 14-Jährige verpflichtend vorgesehen ist. Neben informatischen Grundkenntnissen wird auch der kritische Umgang mit Netzwerkmedien und Informationen in Onlinemedien Thema sein. „Ich halte das für einen sehr wichtigen Schritt und ich hoffe, dass noch viele weitere folgen“, sagt Missomelius. Damit weitere Schritte auch nachhaltig erfolgreich sein können, fordert die Wissenschaftlerin mehr Möglichkeiten der Partizipation für Schülerinnen und Schüler im Bildungsbereich. „Für viele Kinder und Jugendliche ist die Nutzung digitaler Medien ein selbstverständlicher Teil ihres täglichen Lebens. Das heißt, dass sie schon sehr viele Nutzungskompetenzen mit in die Schule bringen, die aber häufig nicht zur Anwendung kommen können. Daher sehe ich hier eine Kluft zwischen der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und dem vermittelten Wissen in der Schule.“ Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass man sich nicht zu sehr auf die Anschaffung von Geräten konzentriere und ihren gesellschaftlichen Kontext außer Acht lasse, ist die Wissenschaftlerin überzeugt. Missomelius blickt den „spannenden Zeiten“, wie sie aktuelle wie künftige Entwicklungen nennt, aber positiv entgegen: „Wir sind auf einem guten Weg.“

Medien, Gesellschaft, Kommunikation

Das Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation unter der Leitung von Prof. Günther Pallaver wurde Anfang 2017 an der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften der Uni Innsbruck neu eingerichtet. Im Vordergrund der Forschung werden Fragestellungen im Spannungsfeld von Medienkultur, Bildung, Wissen sowie politischer und gesellschaftlicher Kommunikation stehen. Zu den Anliegen des Instituts zählen außerdem der öffentliche Austausch zu aktuellen Medienthemen sowie Fragen der methodischen Herangehensweise an aktuelle Herausforderungen.

Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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