Die Steinbrech-Art Saxifraga facchinii
Die Steinbrech-Art Saxifraga facchinii ist eine sehr seltene Art, die sehr lokal in den Dolomiten vorkommt.

Arten­viel­falt im Alpen­raum bewah­ren

Mit nahezu 4500 Gefäßpflanzen stellen die Alpen eines der größten Biodiversitätszentren in Europa dar; rund 500 dieser Arten sind endemisch, sie kommen also ausschließlich in den Alpen vor. Ein alpenweit laufendes Projekt, an dem auch BotanikerInnen der Uni Innsbruck beteiligt sind, will die Samenkeimung und Etablierung alpiner Pflanzenarten erforschen und ihre Samen konservieren.

„Klimawandel und Nutzungswandel stellen heute das stärkste Gefährdungspotential für die Artenvielfalt im Alpenraum dar: unbewirtschaftete Almwiesen verbuschen und der Wald dehnt sich aus; Arten der tieferen Lagen wandern immer weiter nach oben und verdrängen die Hochlagen-Arten. Einige Pflanzen verschwinden, andere nehmen zu, wieder andere bleiben gleich“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Brigitta Erschbamer, die in Innsbruck gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Konrad Pagitz und der Doktorandin Vera Margreiter an dem Projekt mitarbeitet. Untersuchen wollen die WissenschaftlerInnen dabei hauptsächlich folgende Fragen: Wie ändern sich die Verbreitungsgrenzen der Arten? Können sich alpine und nivale Pflanzenarten an geänderte Umweltbedingungen anpassen? Welche Merkmale sind entscheidend für das Überleben an neuen Standorten? Können seltene und gefährdete Pflanzenarten überhaupt für die Nachwelt erhalten werden?

500 Arten

Insgesamt haben sich fünf Institutionen aus vier Alpenländern  in dem Projekt zusammengeschlossen, um die Samenkeimung und Etablierung alpiner Pflanzen entlang der Höhengradienten zu untersuchen: Neben dem Institut für Botanik und dem Botanischen Garten der Uni Innsbruck sind das Institut für Pflanzenwissenschaften und der Botanische Garten der Karl-Franzens-Universität Graz, das Conservatoire Botanique National Alpin in Gap (Frankreich); das Department of Earth and Environmental Sciences an der Università di Pavia (Italien) und das Conservatoire et Jardin Botaniques de la Ville de Genève (Schweiz) beteiligt. Geleitet wird das Projekt von Royal Botanic Gardens, Kew (U.K.) und finanziert wird es von der David & Claudia Harding Foundation. „Im Rahmen des dreijährigen Projektes soll eine umfassende Samensammlung alpiner Arten angelegt werden, wobei die Hälfte der Samen der Millennium Seed Bank zukommen soll und die andere Hälfte im jeweiligen Land für Renaturierungs- und Forschungszwecke konserviert werden soll“, beschreibt Brigitta Erschbamer die Projektziele. In der Millennium Seed Bank lagern derzeit 37.399 Arten und 2.115.847.290 Samen (Stand 18.10.2016). Das bedeutet, dass etwa 13 % der auf der Erde vorkommenden Wildpflanzen bereits in Kew vorhanden sind. Neben der Sammlung ist die Erforschung der Keimungsdynamik und Plastizität von Steinbrech-Arten (Saxifraga spec.) eines der Schwerpunktthemen für alle Projektmitglieder. „Alle Partnergruppen sammeln Steinbrech-Samen in ihren jeweiligen Gebieten. Innsbruck, Pavia und Kew sind damit beschäftigt, vergleichende Keimungsexperimente und Behandlungen der Samen zur Erhöhung der Keimrate durchzuführen“, so die Biologin. Von den 500 Arten, die bis Ende 2018 von den Partnerinstitutionen gesammelt werden sollen, sind in diesem Jahr 140 Arten gesammelt worden. „Im Anschluss an die Samensammlung testen wir die Keimfähigkeit der Arten. Um diese dauerhaft lagern zu können, ist es auch wichtig, die Samen zu reinigen und ihren Wassergehalt auf 15% abzusenken“, erklärt Erschbamer die Vorgangsweise.

Nachwuchsförderung

Da ein festgeschriebenes Ziel des Forschungsprojektes auch ist, wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, werden im Rahmen des Projektes auch drei Dissertationen durchgeführt: eine in Innsbruck, eine in Graz und eine in Pavia. Die verbindende Klammer über alle drei Arbeiten sind die Effekte des Klimawandels im Alpenraum: Vera Margreiter, Doktorandin am Institut für Botanik in Innsbruck beschäftigt sich mit dem Thema „Keimung, Etablierung und phänotypische Plastizität von alpinen Pflanzenarten“. Ein Experiment dazu läuft in Obergurgl entlang eines Höhengradienten von 2000, 2300, 2600 bis 2900 m Meereshöhe. Hier wurden Samen von verschiedenen Artengruppen angesät, die in den vergangenen Jahren im Hochgebirge eine Abnahme, eine Zunahme oder keinerlei Veränderung erfahren haben. Untersucht werden soll die Herkunft der Samen, die Höhenstufe der Ansaat, der Boden, Pflanzenbestand und das Vorhandensein einer Nachbarpflanze. In der Klimakammer und im Botanischen Garten in Innsbruck werden weitere Experimente unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt, um einerseits die Variabilität der Keimung zu testen, andererseits aber auch die Ansprüche der Arten und Herkunftseffekte zu ergründen. Parallel dazu wird ein Doktorand an der Università di Pavia – Francesco Porro – verschiedene Szenarien des Klimawandels simulieren und deren Auswirkungen auf die Keimung von alpinen Arten testen sowie Experimente zur Persistenz der Samen durchführen. Der dritte Doktorand – Patrick Schwager in Graz – beschäftigt sich mit Verbreitungsmodellen von gefährdeten und seltenen alpinen Arten.

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