Claudia Jünke
Claudia Jünke ist seit März 2016 Professorin für Spanisch- und Franzoesischsprachige Literaturen und Kulturen.

Vorgestellt: Ver­wo­bene Ver­gangen­heiten

Claudia Jünke bereichert seit März 2016 mit ihrer Forschungsarbeit das Institut für Romanistik. Sie setzt ihren Fokus auf die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung und beschäftigt sich mit dem Umgang mit von Gewalt geprägter Vergangenheit in Literatur und Kultur. Welche Rolle spielt Literatur im Aufarbeitungsprozess der Vergangenheitsbewältigung einer Gesellschaft?

Der Schwerpunkt der Professur von Claudia Jünke liegt auf Spanien und Hispanoamerika. Dabei verfolgt sie die literarische Auseinandersetzung mit einer von Krieg und Diktatur geprägten Vergangenheit. Schon in ihrer Habilitation ging sie der Frage nach, wie die Literatur und der Spielfilm in Spanien heute den spanischen Bürgerkrieg beleuchtet. Was bedeutet dies für die Auseinandersetzung in der Gesellschaft und was leistet Literatur neben anderen Diskursen, der Vergangenheitsbewältigung um diese Zeit aufzuarbeiten und Erinnerungen wachzuhalten? „Gerade in der spanischen Gesellschaft ist das ein sehr großes Thema, weil die Aufarbeitung der Kriegszeit, im Vergleich zu Österreich, sehr spät und bis heute stattfindet, da auf den Bürgerkrieg eine Diktatur folgte, die bis in die 1970er Jahre bestand. Dadurch war lange keine Aufarbeitung, die auch den Opfern von Krieg und Diktatur Rechnung getragen hätte, möglich“, erklärt Claudia Jünke.

Globalisierte Erinnerungskultur

Prof. Jünke möchte ihre Forschung zukünftig auf eine vergleichende Perspektive zwischen Spanien und Hispanoamerika ausweiten. Beide Kulturkreise verbindet eine Vergangenheit, die von Gewaltkonflikten geprägt ist. Durch diese ähnlichen Konstellationen ergeben sich Austauschprozesse, und eine Erinnerungsdebatte, über den Atlantik hinweg. „Diese Auseinandersetzungen mit Diktatur, Krieg und Gewalt können sich gegenseitig befruchten und es entstehen dadurch Querverbindungen zwischen den Kulturen, die ich gerne untersuchen möchte“, sagt die Wissenschaftlerin. Ein Beispiel für einen solchen Austauschprozess kann zwischen Argentinien und Spanien beobachtet werden. In der argentinischen Auseinandersetzung mit der Militärdiktatur spielt die Figur des desaparecido, des „Verschwundenen“, eine zentrale Rolle, die Bezug nimmt auf die unzähligen Menschen, die damals heimlich verhaftet und ermordet wurden. Dieser Begriff war im spanischen Diskurs bis vor kurzem nicht gebräuchlich und wurde aus dem Argentinischen übernommen, in der Beschäftigung mit den während des Franquismus in Massenhinrichtungen getöteten und anonym beerdigten Regimegegnern. Ein Konzept wird aus einem anderen Land, einem anderem kulturellen und geschichtlichen Kontext übernommen, um die Realität in Spanien auf eine neue Weise zu erklären. „Gerade diese Querverbindungen über Grenzen, Kulturen und Kontinente hinweg faszinieren mich ungemein“, erklärt Jünke. Entsteht so eine transkulturelle, globalisierte Erinnerungskultur? Claudia Jünke organisiert im November einen internationalen wissenschaftlichen Workshop, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Frage beleuchten, wie man Vergangenheitsbewältigung in der Literatur und anderen kulturellen Ausdrucksformen wie Film oder Theater in einer vergleichenden Perspektive erforschen kann. Ein transnationaler, aber auch interdisziplinärer Austausch von Expertinnen und Experten der Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaften, Soziologie, Medienwissenschaften und Anthropologie ist das Ziel. Damit eröffnen sich neue Blickwinkel und einzigartige Methoden in der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung.

Spurensuche

In einem zweiten Projekt begibt sich Claudia Jünke auf die Spuren der mexikanischen Autorin Sor Juana Inés de la Cruz aus dem 17. Jahrhundert. Sie beschäftigt sich mit dem Umfeld in dem die Autorin ihre Werke verfasste und interessiert sich vor allem für die dort herrschenden vielfältigen kulturellen Einflüsse. Mexiko war zu dieser Zeit eine spanische Kolonie, in der sich Einflüsse aus der spanischen, der amerikanischen und der afrikanischen Tradition kreuzten. Wie äußern sich diese Kulturkontakte in den Texten der Autorin? Eine Forschung die viel Spürsinn erfordert. „Literarische Texte in ihren kulturellen Kontexten zu analysieren und im Austausch mit anderen Kollegen auf neue Erkenntnisse zu stoßen, das bringt für mich die größte Freude“, freut sich Claudia Jünke.

Zur Person

Claudia Jünke studierte Romanistik (Französisch, Spanisch) und Anglistik in Köln (D), Pau (F) und Barcelona (ESP). Sie promovierte 2002 an der Universität zu Köln und erlangte ihre Habilitation anschließend an der Universität Bonn, im Januar 2009. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Amsterdam School for Cultural Analysis war sie von 2009 bis 2016 an die Universität Bonn tätig und übernahm Professurvertretungen an den Universitäten Bamberg, Duisburg-Essen und Osnabrück. Seit März 2016 ist Claudia Jünke Professorin für spanisch- und französischsprachige Literaturen und Kulturen an der Universität Innsbruck.

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