Die Exkursion wurde im Rahmen des Seminars über Wissensgemeinschaften der Neuzeit vom Lehrveranstaltungsleiter Heinz Noflatscher (Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie) organisiert, der dazu den Experimentalphysiker Emmerich Kneringer (Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Experten gewinnen konnte.
Zunächst erfolgte die gemeinsame Fahrt auf das Hafelekar mit der Hungerburg- und der Nordkettenbahn, bei der einige Studierende den atemberaubenden Blick von der Nordkette hinunter auf die Stadt Innsbruck bestaunten – zumindest so lange, bis die Gondel der Nordkettenbahn in eine vernebelte Wolkendecke eintauchte.
Auf der Aussichtsplattform neben der Bergstation Hafelekar begann Prof. Kneringer mit einer Einführung in die Geschichte der Forschungsstation und das Wirken ihres Initiators, des österreichischen Physikers Victor Franz Hess (1883–1964). Er gilt als der Entdecker der kosmischen Strahlung, wofür er 1936 den Nobelpreis für Physik erhielt. Ab 1931 war Hess als Professor an der Universität Innsbruck am damaligen Institut für Strahlenforschung tätig. Der bekennende Katholik und Nazi-Gegner Hess emigrierte 1938 zusammen mit seiner jüdischen Frau in die USA. Nach dem Krieg kam er nicht mehr dauerhaft nach Österreich zurück, unternahm jedoch bis zu seinem Tod mehrere Besuche in Wien und Innsbruck. An diesen bedeutenden Physiker und seine Arbeit in Innsbruck erinnert heute noch die Bezeichnung des Victor-Franz-Hess-Hauses am Campus Technik, in dem das Institut für Astro- und Teilchenphysik stationiert ist. Im Höhenstrahlungslabor am Hafelekar befindet sich heute eine Messstelle für UV-Strahlung der Medizinischen Universität Innsbruck.
Unter dem Motto „Damals und Heute“ gelang es Prof. Kneringer, in seinem Vortrag einen Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart zu spannen. Die Studierenden erfuhren interessante Details über die Arbeit im Gebiet der Teilchenphysik und die jeweiligen Veränderungen von Forschungsfragen und Methoden im Laufe der Zeit. Insbesondere die Digitalisierung und die Möglichkeiten des Internets zur internationalen Kommunikation und Vernetzung von Forschern sind dabei in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Auch die Forschungsarbeit am CERN (Europäisches Zentrum für Teilchenphysik) und aktuelle Forschungsanalysen rund um das 2012 entdeckte Higgs-Teilchen machte Kneringer zum Thema.
Highlight des Forschungsausfluges stellte der interaktive Besuch der Messanlage am Hafelekar dar. Dabei wurde ausführlich die Funktion und die Verwendung der Ionisationskammer (Steinke-Apparat) im mittleren Gebäude der Forschungsstation, die zur Messung der kosmischen Strahlung verwendet wurde, erklärt. Dieses Forschungsinstrument wurde mit insgesamt 1,5 Tonnen Blei in Form von gestapelten Blei-Quadern gegen andere Strahlung isoliert – nicht wenige waren über das enorme Gewicht eines herumgereichten Bleikörpers erstaunt.
Im Zuge des Vortrags von Prof. Kneringer konnten auch Eindrücke bezüglich der unterschiedlichen Disziplinen der Geistes- und Naturwissenschaften gewonnen werden. Historiker und Physiker arbeiten different und unterscheiden sich auch in ihrem Denken – in der wissenschaftlichen Interaktion macht sich dies bemerkbar. Nichtsdestotrotz können beide Zünfte voneinander profitieren und lernen. In humorvoller Anlehnung an die populäre US-Sitcom „The Big Bang Theory“ ging Kneringer auch auf das generelle Verhältnis zwischen Theoretischen und Experimental-Physikern und den Typus des Physikers als Wissenschaftler und Mensch an sich ein.
Den Schlusspunkt des Ausflugs bildete ein kurzes Referat eines Studenten über die „Artes Liberales“ im Restaurant Seegrube. Summa summarum bleibt die Erinnerung an eine sehr gelungene Exkursion, bei der den Geschichte-Studierenden das interdisziplinäre Denken näher gebracht und ein aufschlussreicher Ausflug in die Forschungsgeschichte der Innsbrucker Physik geboten wurde.
(Jakob Kathrein)