Herzrasen, feuchte Hände, Zittern, Schwindel und im schlimmsten Fall ein Blackout bei einer Präsentation, einer Prüfung oder während eines Gesprächs mit Lehrenden und Kollegen: Der Uni-Alltag wird für immer mehr Studierende belastend und birgt schwer überwindbare Hürden auf dem Weg zum Studienabschluss. Diese Beobachtung aus ihrem eigenen Umfeld fand Ida Gradl bei den Vorrecherchen zu ihrem Dissertationsprojekt in zahlreichen internationalen Studien, insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Raum, bestätigt. Aber auch unter Studierenden an der Universität Innsbruck sind Ängste ein Thema, wie eine von Ida Gradl durchgeführte Umfrage nahe legt: „Ich habe Screening-Fragebögen über den Uni-Server an alle Studierenden versendet und über 700 Antworten erhalten. Das hat mich selbst überrascht und war eine weitere Motivation für mich, auf diesem Gebiet meine Dissertation zu schreiben“, erzählt die Doktorandin und fügt hinzu „Ich finde, es wird viel zu wenig dazu gemacht.“
Bisher nur Einzelstudien
So will Ida Gradl mit ihrem neuen Trainingsprogramm, das sie mit insgesamt 34 Studierenden unterschiedlicher Fakultäten und mit unterschiedlichen Ängsten erprobt hat, eine Lücke füllen. Bisherige Untersuchungen mit Studentenstichproben fokussieren sich auf einzelne Strategien zur Angstbewältigung. So gibt es Forschungen zu den positiven Effekten von Achtsamkeitsübungen und von Entspannungsübungen. Ein kombiniertes Anti-Angsttraining, wie es Gradl zusammengestellt hat, wurde in der Praxis aber noch nicht getestet. „Ich habe verschiedene Übungen, deren positive Auswirkungen bereits belegt wurden, in einem neuen Programm kombiniert“, beschreibt sie ihren Ansatz. Entstanden ist ein aufbauendes Training, das mit körperbezogenen Übungen wie Atmungs- und Entspannungstechniken beginnt, in einer weiteren Phase Achtsamkeitsübungen integriert und mit sogenannten metakognitiven Methoden abschließt. In wöchentlichen Kleingruppensitzungen vermittelte Gradl ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Hintergrundwissen, vor allem aber wurden die Übungen praktiziert, wie sie betont. In anschließenden Feedbackrunden konnten die Probanden unmittelbar Rückmeldung zu den Übungseinheiten geben. „Mir war wichtig, einen roten Faden durch das Programm zu ziehen und darauf zu achten, dass für jeden etwas dabei ist“, begründet die Nachwuchswissenschaftlerin ihr Konzept.
Verschiedene Ebenen
Da Angst eine Emotion ist, die sich in körperlichen Symptomen stark äußert, bildet der körperbezogene Trainingsteil die Basis. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer üben darin Techniken wie die bewusste Bauchatmung oder die Jacobsen-Entspannung. „Im nächsten Schritt geht es mir darum, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf das zu lenken, was gerade ist, beziehungsweise zu zeigen, was ein Gedanke im Körper auslösen kann“, erklärt Ida Gradl und nennt zur Illustration die sogenannte Zitronen-Übung, bei der man den Biss in eine Zitrone in alle Einzelschritte zerlegt und sich vom Gang in die Küche, über das Aufschneiden der Frucht bis hin zum tatsächlichen Hineinbeißen alles detailliert vorstellt. „Die Teilnehmer haben danach eigentlich alle gesagt, dass sie starken Speichelfluss bekommen haben“, schmunzelt sie. „Mit solchen Übungen kann man sehr gut bewusst machen, wie sehr Ängste kognitiv hergestellt werden.“ Im letzten Teil werden die Teilnehmer eingeladen, sich auf eine abstraktere Ebene zu begeben, um mithilfe von Metaphern jenen Gedanken entgegenzusteuern, die Ängste auslösen. „Wir haben verschiedene Fantasiereisen gemacht, zum Beispiel die Blatt-Übung, bei der man sich vorstellt, man spaziert einen Fluss entlang, setzt die negativen Gedanken auf ein im Wasser schwimmendes Blatt und lässt sie davontreiben“, verdeutlicht Gradl, die bei der Konzeption aller Teile darauf Wert gelegt hat, dass die Übungen leicht in den Alltag zu integrieren sind.
Positive Tendenzen
Positive Rückmeldungen hat sie von ihren Probanden einige erhalten. Ein Teilnehmer zum Beispiel meint: „Ich kann das Training uneingeschränkt weiterempfehlen.“ Er lobt außerdem, dass es „professionell geleitet und trotzdem sehr herzlich war.“ Eine andere Rückmeldung ist: „Mir hat am Training besonders gut gefallen, dass die Übungen sich so leicht in den Alltag integrieren lassen. Das liegt einerseits an den Audioversionen, die uns zugeschickt wurden und andererseits daran, dass sie nicht zu lang sind. – Dadurch kann man sie auch in stressigen Zeiten beibehalten, was für mich während der Prüfungsphase eine große Unterstützung war." Feedbacks wie diese freuen Ida Gradl natürlich sehr, wissenschaftlich ausschlaggebend ist für die angehende Doktorin jedoch der Vergleich zwischen der Trainingsgruppe und der Kontrollgruppe, die das Training zum Vergleichszeitpunkt noch nicht absolviert hatte. Hier liegen bereits erste Auswertungen der abschließenden Fragebögen vor: Die Experimentalgruppe weist nach dem Training eine höhere Lebensqualität und Lebenszufriedenheit gemäß der WHO-5-Skala auf. „Die Trainingsgruppe bezieht ihr metakognitives Wissen tatsächlich in den Alltag mit ein. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe wenden im Vergleich dazu wesentlich ungünstigere Strategien an“, fasst Ida Gradl die Tendenzen zusammen. Außerdem sei die Trainingsgruppe vergleichsweise weniger besorgt und überlastet. Damit hat sie eines ihrer selbst gesetzten Ziele bereits erreicht. „Ich wollte, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sagen können: Jetzt habe ich einen anderen Blickwinkel auf die Angst.“ Die Ergebnisse ihrer Untersuchung möchte Gradl in diesem Jahr einschlägig publizieren und anschließend ihre Doktorarbeit abschließen.
Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).