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Christoph Kreutz und Ronald Micura vom Institut für Organische Chemie

Pistolen-Molekül beschrieben

Twister, Twister-Sister, Pistol and Hatchet – das sind nicht Figuren aus einem Horrorfilm, sondern neue, erst kürzlich entdeckte Ribozym-Klassen. In Zellen steuern diese sich selbst schneidenden Moleküle wichtige biologische Prozesse, wie die Replikation von RNA-Genomen. Nun haben Forscher um Ronald Micura erstmals die funktionelle Struktur eines Ribozyms der Pistol-Klasse beschrieben.

Ribozyme sind RNA-Moleküle, die chemische Reaktionen in der Zelle beschleunigen. Seit ihrer Entdeckung 1982 durch die späteren Nobelpreisträger Sidney Altman und Thomas R. Cech wurden in den letzten zwei Jahrzehnten keine neuen Klassen von Ribozymen mehr nachgewiesen. Dies änderte sich erst kürzlich. Welche Struktur und Funktion die neu gefundenen Katalysatoren in der Zelle genau haben, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. „Die Kristallographie liefert uns ein momentanes Abbild der Ribozym-Architektur. Um dessen Aktivität zu verstehen, brauchen wir aber ein dynamisches Bild des Moleküls“, sagt Prof. Ronald Micura vom Institut für Organische Chemie und dem Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (CMBI) der Universität Innsbruck. Vor zwei Jahren haben er und sein Team gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dinshaw Patel am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York eine aktive Strukturform eines Twister-Ribozyms präsentiert. Dieses Ribozym ist weitverbreitet und kommt sowohl in Bakterien als auch in Eukaryoten vor. Es ist sowohl für biotechnologische Anwendungen als auch für die medizinische Forschung von Bedeutung. Wie auch manch andere Ribozyme, schneidet sich dieses Molekül selbst auseinander, um sich seine endgültig funktionsfähige Form zu geben. Wie dieser Prozess des Auseinanderschneidens genau abläuft, wurde auf Basis der von den Wissenschaftlern beschriebenen Struktur in den Grundzügen verständlich.

Mit NMR-Spektroskopie Funktion verstehen

In einer Ende vergangenen Jahres in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie erschienenen Arbeit haben die Wissenschaftler diesen in der Fachliteratur kontroversiell diskutierten Mechanismus weiter aufgeklärt. Dabei konnten sie zum Beispiel zeigen, dass die katalytische Funktion des Moleküls auch erhalten bleibt, wenn ein Teil des Ribozyms (der phylogenetisch hoch-konservierte Basisstamm) entfernt wird. Wichtig für die Aufklärung waren dabei Untersuchungen mittels NMR-Spektroskopie, die in intensiver Kooperation mit der Arbeitsgruppe um Christoph Kreutz, ebenfalls am Institut für Organische Chemie beheimatet, durchgeführt wurden.
Die NMR-Spektroskopie spielte auch bei der erstmaligen funktionellen Strukturbeschreibung eines Pistol-Ribozyms eine entscheidende Rolle. Diese haben die drei Arbeitsgruppen soeben in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht. „Mit der NMR-Spektroskopie lassen sich zum Beispiel die Protonierungszustände im Molekül sehr akkurat und gezielt nachweisen. Und diese sind wiederum entscheidend für den Schneidemechanismus“, erklärt Ronald Micura. „Möglich wird dies über das Einfügen von 13C-markierten Bausteinen, die Christoph Kreutz speziell für die Untersuchung intrinsischer RNA-Nukleosid-Dynamik entwickelt hat, die wir nun aber auch zur Aufklärung der Ribozym-Mechanismen einsetzen können.“ Der Arbeitsaufwand ist dabei durchaus beträchtlich, da die markierten Bausteine nicht kommerziell erhältlich sind, und mehrstufige effiziente Synthesewege ausgearbeitet werden müssen. „Dieser Aufwand lohnt sich aber nicht nur im Licht der gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern auch im Sinne ihrer Publizierbarkeit in hochrangigen internationalen Journalen.“

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