Alexander Horn schreibt am 4. Februar 1799 aus Regenburg an seinen Freund Sir Arthur Paget.
Alexander Horn schreibt am 4. Februar 1799 aus Regenburg an seinen Freund Sir Arthur Paget. (Quelle: British Library, Add MS 48394 B-013)

Im Auftrag Seiner Majestät

Das frühe 19. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs: Die Französische Revolution war dabei, Europa zu verändern, Napoleon schien unaufhaltbar. Eine Blütezeit für Spionage. Innsbrucker Historiker arbeiten Leben und Wirken von Alexander Horn auf, der zur Zeit Napoleons für Großbritannien als Geheimagent tätig war.

Er war Mönch, Bibliothekar, Diplomat und später Geheimagent, versorgte England während der Koalitionskriege gegen Napoleon mit geheimen Informationen vom europäischen Festland und hatte seine Finger auch beim Tiroler Aufstand 1809 im Spiel: Der Brite Alexander Horn (1762–1820) war eine schillernde Persönlichkeit. Dass er dennoch nahezu unbekannt ist, liegt nicht zuletzt an seinem Beruf: Die Identität von Geheimagenten war schon im frühen 19. Jahrhundert – richtig vermutet! – geheim. Und selbst die Suche nach seinem Namen in Archiven blieb bis in jüngere Vergangenheit erfolglos – wegen eines eigentlich sehr profanen Fehlers, wie Dr. Claus Oberhauser vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie erklärt: „In den englischen Archiven wird sein Nachname Horne, mit einem abschließenden E, geschrieben, im deutschen Sprachraum allerdings eben deutsch und ohne diesen Buchstaben. Das hat dazu geführt, dass die Suche nach ihm unter der deutschen Schreibweise erfolglos blieb. Dabei gibt es in den britischen Archiven sehr viel Material von ihm.“ Diese Materialfülle, darunter seine Berichte über Vorgänge in Mitteleuropa, gilt es jetzt aufzuarbeiten: Oberhauser leitet ein vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanziertes Projekt mit genau diesem Ziel.

Mönch in Regensburg

Alexander Horn kommt schon in jungen Jahren in das Schottenkloster in Regensburg und erhält dort eine wissenschaftliche Ausbildung. „Die Schottenklöster wurden im Mittelalter von schottisch-irischen Missionaren in Europa errichtet, aus Wien ist etwa die Schottenkirche bekannt. Als Brite kam Horn über diese Verbindung schon 1776, als 14-Jähriger, zur Ausbildung nach Deutschland“, sagt Claus Oberhauser. Regensburg als Tagungsort des Immerwährenden Reichstags des Heiligen Römischen Reichs war damals ein politisches Machtzentrum – diplomatische Gesandtschaften unterschiedlichster Länder hatten dort ihren Sitz, der Reichstag selbst brachte deutsche Fürsten und Könige und deren Gesandte in die Stadt. Der letzte bedeutende Beschluss des Reichstags, der Reichsdeputationshauptschluss 1803, war zugleich Ausschlag für Alexander Horn, seinen Orden zu verlassen und seinem Land politisch zu dienen: „Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurden mehrere kirchliche Fürstentümer säkularisiert. Indirekter Grund dafür waren deutsche Gebietsverluste an Frankreich; Alexander Horn beschloss, gegen Frankreich in den Dienst der britischen Regierung zu treten und Diplomat zu werden.“

Bereits nach einem Jahr übernimmt Horn ungeplant die Vertretung in Regensburg als deren Leiter: „Der eigentliche Gesandte, Francis Drake, muss aus Regensburg flüchten, nachdem Frankreich ihn eines Mordkomplotts gegen Napoleon bezichtigt. So übernimmt Horn 1805 die gesamte Gesandtschaft.“ Ein weiteres Jahr später zerfällt das Reich, der Reichstag wird aufgelöst und mit ihm die Gesandtschaften ausländischer Mächte in Regensburg. Horn bekommt allerdings einen neuen Auftrag: Er arbeitet als Informant und Geheimagent der britischen Regierung weiter und berichtet regelmäßig an das Foreign Office in London. „Vorerst geht er nach Linz und nimmt von dort unter anderem Kontakte zum habsburgischen Hof auf, der ihn unterstützt“, erklärt Claus Oberhauser.

Geheime Korrespondenz

Seine Berichte müssen London unerkannt erreichen – im kriegsgebeutelten Europa keine einfache Aufgabe, zumal jährlich 300 bis 400 Berichte zusammenkommen. Die Briefe werden in Wien verschlüsselt und über geheime Kuriere transportiert. „Teile der chiffrierten Texte liegen nach wie vor in Wiener Archiven. Leider ist die dazugehörige Chiffre nicht mehr auffindbar, wir können sie also bis jetzt nicht lesen. Allerdings gibt es entschlüsselte Originale in London“, sagt der Historiker. In seiner Zeit als Agent bewegt sich Horn regelmäßig zwischen Linz, Wien und Prag, stets im Geheimen – französische Agenten sind ihm auf der Spur. Im Umgang mit Dritten gibt er sich als Schwede aus und nennt sich Jonas Bergström. Nur wenigen ist seine wahre Identität bekannt, darunter dem österreichischen Hof in Wien, der ihn unterstützt.

„Jonas Bergström“ hatte nachweislich auch Kontakt mit den Tiroler Aufständischen 1809, verspricht ihnen Geld – das allerdings zu spät ankommt und vermutlich an Familien geht, die während des Aufstands ihre Söhne und Männer verloren haben. „Andreas Hofer selbst hat Horn vermutlich nie getroffen, wohl aber andere Aufständische. Der Verbleib des britischen Geldes ist später übrigens auch Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Es liegt nahe, dass einige von ‚Bergströms’ Tiroler Kontakten da höhere Summen für sich selbst abgezweigt haben.“ Die Aufträge, die Horn/Bergström aus London erhält, sind vielfältig: Neben Verhandlungen mit Aufständischen ist er auch beauftragt, für die Franzosen schädliche Gerüchte zu streuen oder entsprechende Flugblätter unters Volk zu bringen. Dabei agiert er keineswegs allein: Der Agent verfügt über mehrere Mitarbeiter, die ihn bei seiner Aufgabe unterstützen.

Zurück nach England

1811 wird Horn zurück nach England beordert, wo er auch heiratet. Schon zwei Jahre später bricht er wieder nach Deutschland auf, ohne Auftrag: „Er geht nach Stuttgart und schreibt unverlangt weiter Berichte. Überliefert sind hier Antworten vom Foreign Office, die ihn auffordern, aufzuhören – aber er macht das weiterhin. Letztlich verschafft ihm das ab 1815 sogar erneut einen offiziellen Auftrag, ab da wird er in Frankfurt eingesetzt.“ 1820 stirbt er.

„Die Person Alexander Horn ist aus mehreren Perspektiven spannend. Er war ein hochgebildeter, sprachgewandter und kommunikativer Mann, allerdings aus einfachen Verhältnissen stammend – weswegen ihm der höhere diplomatische Dienst auch verschlossen blieb. Dennoch wurde er in London prominent wahrgenommen, seine Berichte gelesen, das ist unter anderem durch häufige Briefe vom Leiter des Foreign Office an ihn belegt – er hat also die britische Außenpolitik mitgeprägt und ist dennoch fast unbekannt“, erklärt Claus Oberhauser seine Faszination hinsichtlich seines Forschungsgegenstands. Bis 2018 sollen nun zwei Bücher entstehen: Eine Edition mit ausgewählter Korrespondenz und weiterem Quellenmaterial zu Alexander Horn und eine Monografie zu seinem Leben, seinem Wirken und seinen Netzwerken.

Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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