Das Freundschaftsspiel Frankreich gegen Deutschland, das am 13. November 2015 durch den Pariser Terroranschlag jäh unterbrochen wurde, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit – diesmal als Turnierspiel – dieses Jahr im EURO-Halbfinale wiederholen, der Gewinner spielt im Finale am wahrscheinlichsten gegen Spanien – das weist der Statistiker Prof. Achim Zeileis von der Uni Innsbruck in einer gemeinsamen Arbeit mit zwei Kollegen von der Wirtschaftsuniversität Wien nach. Die Wissenschaftler verwenden dabei ein statistisches Modell, das sich bereits bei Vorhersagen für die vergangenen je beiden Fußball-Europameisterschaften und –Weltmeisterschaften bewährt hat: Das sogenannte Buchmacher-Konsensus-Modell. Das Forscherteam greift darin auf die Quoten von 19 Online-Wettanbietern (Buchmachern) zurück, die, kombiniert mit komplexen statistischen Rechenmodellen, eine Simulation aller möglichen Spielvarianten und Ergebnisse zulassen. Die höchsten Chancen auf einen Turniersieg hat demnach Frankreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 21,5 Prozent, dicht gefolgt von Deutschland mit 20,1 Prozent. Die Gewinnchancen von Titelverteidiger Spanien liegen als Drittplatziertem schon nur mehr bei 13,7 Prozent, „best of the rest“ sind England mit 9,2 Prozent Gewinnchance und Belgien mit 7,7 Prozent.
Spanien verliert im Finale, Österreich im Viertelfinale
Das Modell erlaubt die Simulation von Wahrscheinlichkeiten des Finalspiels, indem die Statistiker das gesamte Turnier hunderttausendfach durchspielen und wiederholt von der Gruppenphase über Viertel- und Halbfinalpaarungen letztlich zum Finale kommen – praktisch werden so alle denkbaren Spielpaarungen durchgespielt. „Frankreich und Deutschland gehen aus den Modellen als deutliche Sieger ihrer jeweiligen Gruppen hervor. Dadurch ergibt sich allerdings auch, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit schon im Halbfinale aufeinandertreffen und nicht erst im Finale – der Sieger dieses Spiels wird nach unserem Modell dann vermutlich auf Spanien treffen“, erklärt Achim Zeileis. Aufgrund der hohen Unsicherheit durch die hohe Anzahl an Mannschaften und Regeländerungen, weil erstmals 24 statt wie bisher 16 Teams antreten, sinken die Wahrscheinlichkeiten für konkrete Spielpaarungen allerdings gegenüber allgemeinen Gewinnvorhersagen stark: Die Wahrscheinlichkeit, dass Frankreich und Deutschland im Halbfinale aufeinandertreffen, ist mit 7,8 Prozent höher als die Wahrscheinlichkeit, dass sie einander im Finale begegnen (4,2 Prozent). Da beide Mannschaften mit ganz geringem Vorsprung für Frankreich als fast gleich stark eingeschätzt werden, treffen sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,7 Prozent (Frankreich) bzw. 5,4 Prozent (Deutschland) im Finale auf Spanien, beide Teams würden ein Spiel gegen Spanien mit einer Wahrscheinlichkeit von 56,3 (Frankreich) bzw. 55,8 Prozent (Deutschland) gewinnen.
„Als Vertreter österreichischer Universitäten haben wir uns natürlich auch Österreich genauer angesehen: Das österreichische Nationalteam wird von den Buchmachern als das insgesamt neuntstärkste Team angesehen und hat mit 34,9 Prozent noch relativ gute Chancen auf das Viertelfinale – die Wahrscheinlichkeit, das gesamte Turnier zu gewinnen, liegt dann allerdings nur mehr bei 2,3 Prozent“, sagt Achim Zeileis.
Erfahrung der Buchmacher und statistisches Wissen
„Die Buchmacher wollen natürlich Geld verdienen und setzen ihre Quoten deshalb möglichst realistisch fest. Dabei berücksichtigen sie nicht nur historische Daten, sondern auch die Turnierauslosung sowie kurzfristige Ereignisse wie etwa Spielerausfälle“, sagt der Statistiker. Das bildet eine sehr solide Basis für das von Prof. Zeileis, Dr. Christoph Leitner und Prof. Kurt Hornik (beide WU Wien) entworfene Modell. „Die Buchmacher-Quoten müssen wir noch um die Gewinnaufschläge der Wettfirmen bereinigen, bevor wir sie für unsere Berechnungen verwenden können.“ Über die Wettquoten ergeben sich so grundsätzliche Gewinnwahrscheinlichkeiten für jedes Team; darüber können die Statistiker dann auch erheben, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmtes Team auf ein anderes trifft und gewinnt. Kombiniert mit den Buchmachererwartungen können die paarweisen Gewinnchancen in ein Rechenmodell einfließen, mit dessen Hilfe jede mögliche Spielvariante am Computer simuliert werden kann. „Unser Modell hat im Vergleich zu allen anderen den Vorteil, dass es sowohl Gewinn- als auch ‚Überlebens’-Chancen für jede einzelne Mannschaft liefert“, erläutert Zeileis. „Von einer 100 Prozent sicheren Prognose sind wir aber weit entfernt“, ergänzt er. So galt bei der WM 2014 Brasilien sowohl unter den Buchmachern als auch im statistischen Modell der Forscher als klarer Favorit, schied aber im Halbfinale gegen Deutschland aus – und auch Spanien sahen die Buchmacher und Forscher klar im Halbfinale. „Es liegt in der Natur von Prognosen, dass sie auch danebenliegen können – sonst wären Fußball-Turniere auch sehr langweilig. Wir liefern Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten.“ Bis zum Finale im Stade de France bleibt es also spannend.