Taucher
Taucher nach dem Einsatz im Faulturm.

Fleißiger Faulturm

Die Reinigung von kommunalen Abwässern zählt heute zum Standard in Industrieländern. Dabei fallen feste Rückstände an, die in den Kläranlagen biologisch behandelt werden, und aus dem entstehenden Biogas werden Wärme und Strom produziert. Ein Expertenteam aus Wissenschaft und Praxis arbeitet an der Optimierung dieser Prozesse, um die Energiebilanz von Kläranlagen zu verbessern.

Viele Faultürme an Kläranlagen sind mit dem Abbau der Rückstände aus der Abwasserreinigung nicht voll ausgelastet, und so werden in Tirol pro Jahr derzeit zusätzlich etwa 25.000 Tonnen organische Reststoffe (Biomüll) in diesen anaeroben Reaktoren mitverarbeitet – „co-vergoren“. Dies entspricht schon fast der Hälfte der in Tirol anfallenden, organischen Reststoffe. Einer dieser Faultürme mit einer Höhe von elf Metern und einem Fassungsvolumen von 1350 m3 steht an der Kläranlage des Abwasserverbandes Zirl und Umgebung (AVZirl) und ist einer der zentralen Untersuchungsgegenstände der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Gemeinsam arbeiten Christian Ebner, Projektleiter von ARAFerm (alpS Zentrum), Thomas Pümpel vom Institut für Mikrobiologie sowie Anna Jank vom Institut für Infrastruktur/Arbeitsbereich Umwelttechnik an unterschiedlichen wissenschaftlichen Fragestellungen, um die Abläufe zu optimieren, Fehler zu beseitigen und den Ertrag des Faulturms zu maximieren. Durch das in Forschung und Praxis entstandene Know-how wurde Tirol in der Zwischenzeit zu einer Pilotregion für die Verarbeitung von organischen Reststoffen auf Kläranlagen. „Tirol verfolgt mit der Aktion Tirol 2050 das Ziel, den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren und die Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Unser Anliegen ist es, mit der Verbesserung der Energiebilanz in der Abwasserreinigung auch zum Erreichen dieses Ziels beizutragen“, führt Christian Ebner aus. Gemeinsam mit Thomas Pümpel und Anna Jank wurden sie mit ihrem Team zu Spezialistinnen und Spezialisten in allen Fragestellungen rund um den Faulturm. „Durch diese Kooperation können wir hier die Expertisen aus mehreren Fächern bündeln, um die ganze Bandbreite der Vorgänge im Faulturm zu verstehen und zu optimieren“, erläutert Pümpel. Immer noch sind viele der bestehenden Faultürme nicht voll ausgelastet und laufen auf „Halbmast“: „Das hier noch vorhandene Anlagenpotential wollen wir durch die Mitverarbeitung weiterer organischer Reststoffe ausschöpfen. Durch das Einbringen von zusätzlichem Material können aber auch Störstoffe in den Faulturm gelangen, die eine neue Problematik aufwerfen, zu deren Lösung wir auch wissenschaftlich beitragen möchten.“

Schematische Darstellung der zunehmenden Ablagerungen im Faulturm und dem sich dadurch reduzierenden Volumens. (Bild: Thomas Pümpel)

Störungen vermeiden

Steine, Glassplitter, Deckel von Getränkeflaschen, Muscheln oder Eierschalen – das sind Fundstücke, die Anna Jank im Rahmen ihrer Dissertation untersucht. Ziel ihrer Forschung ist, zu ermitteln, welche Materialien zusätzlich zu den verwertbaren Stoffen in den Faulturm gelangen und so die Abläufe beeinträchtigen. „Diese sogenannten Störstoffe können Pumpen und Leitungen beschädigen oder verstopfen und lagern sich am Boden des Faulturms ab. Die Leistung des Bioreaktors wird in jedem Fall mit der Zeit beeinträchtigt“, erklärt die Wissenschaftlerin. Regelmäßig untersucht Jank mit ihrem Team den Bioabfall, der dem Faulturm zur Co-Vergärung zugeführt wird. „Durch diese Untersuchungen haben wir bereits ein sehr gutes Bild davon, welche Störstoffe in das System gelangen“, so Jank, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen an Mechanismen arbeitet, Störstoffe schon am Eintreten in den Faulturm zu hindern. „Von der Uni Innsbruck wurde eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, die Organik von den Störstoffen zu trennen, und das erlaubt uns eine genaue Analyse davon, wie viele und welche Störstoffe in den Faulturm gelangen.“ Um jedoch ein Bild davon zu bekommen, welche Störstoffe sich letztendlich im Faulturm ablagern, werden die aus dem Faulturm genommenen Proben gesiebt und die Störstoffe in einem mehrstufigen Verfahren nach Größe und Art sortiert. „Für unsere Untersuchungen ist es wichtig, dass wir genau wissen, mit welchen Materialien wir arbeiten, damit wir mögliche Lösungen zur Verminderung von Störstoffen in Faultürmen passgenau entwickeln können“, so Jank. Nur selten bekommt die Wissenschaftlerin die Gelegenheit, Proben direkt aus dem Turm zu untersuchen, denn diese Arbeit kann nur von speziell ausgebildeten Industrietauchern in einem aufwändigen Einsatz durchgeführt werden. Im Mai diesen Jahres wurde allerdings erstmals eine so aufwändige Probenahme an der Kläranlage Zirl durchgeführt.

Sortierte Störstoffe, die sich im Faulturm ablagern. (Bild: Anna Jank)

Messen und Rechnen statt Tauchen

Trotz der großen Expertise und den laufenden Verbesserungen können feste Partikel wie Glas, Metall oder Steine noch nicht vollkommen abgetrennt werden. „Sie lagern sich bevorzugt in wenig durchmischten Bereichen der Faulbehälter ab und verringern so das nutzbare Volumen der Reaktoren. Dabei wird die Leistung des Faulturms nach und nach beeinträchtigt“, erklären Christian Ebner und Thomas Pümpel, die gemeinsam ein Verfahren zur Messung dieses Volumens entwickelt haben. Da von außen nicht ersichtlich ist, wie viel nutzbares Volumen noch vorhanden ist, bestand bisher die einzige Möglichkeit der Bestimmung in einem sehr kostenintensiven und aufwändigen Taucheinsatz. „In dem schwarzen, dickflüssigen und circa 37° Celsius warmen Faulschlamm mussten die Industrietaucher die Grenzen der festen Ablagerungen ertasten und daraus deren Volumen abschätzen. Um diesen Aufwand auf ein Minimum zu reduzieren, entwickelten wir eine alternative Methode zur Bestimmung des durchmischten Volumens“, erklären die beiden Mikrobiologen. Mit einer sogenannten Tracer-Methode haben Ebner und Pümpel eine Möglichkeit gefunden, mit der das durchmischte Volumen mit Hilfe von chemischer Analytik bestimmt werden kann. „Eine Lithiumverbindung, die weder chemisch verändert noch biologisch abgebaut wird, wird in den Faulturm zugegeben und durch die mechanische Rühraktivität im durchmischten und daher nutzbaren Volumen verteilt. Nimmt man später eine Probe, kann anhand der gemessenen Konzentration rückgerechnet werden, in welchem Volumen sich die Substanz verteilt hat“, erklärt Pümpel. Im abgebildeten Zeitverlauf der Lithiumkonzentration wird die schnelle Durchmischung des Reaktors in diesem Beispiel ersichtlich. Neben dem stabilen Endwert, aus dem das durchmischte Volumen berechnet wird, gibt der Verlauf dieser Einschwing-Kurve Informationen über die Qualität des Mischsystems und zeigt – bei regelmäßiger Untersuchung – eventuelle Veränderungen auf.

 

Zeitverlauf der Lithiumkonzentration. (Bild: Thomas Pümpel)

 

Auf Basis dieser Daten kann entschieden werden, ob und wann eine Räumung der Ablagerungen im Faulturm notwendig ist. „Dies kann entweder von Tauchern durch Absaugen mithilfe spezieller Pumpen oder durch eine komplette Entleerung des Turms durchgeführt werden“, erklärt Pümpel. Außer dem energiehaltigen Methangas wird dem Bioreaktor auch ständig ausgegorener, „anaerob stabilisierter“ Faulschlamm entnommen. Die enthaltenen Feststoffe werden abgepresst und in weiterer Folge in der Landwirtschaft verwertet oder verbrannt. Das Presswasser enthält hohe Konzentrationen an Ammonium und wird auf Kläranlagen zunehmend mit einer weiteren energiesparenden Bio-Technologie der Universität Innsbruck, der kontinuierlichen Deammonifikation (conDEA™) behandelt.

Im Forschungsfeld rund um den Faulturm vermengen sich Wissenschaft und Praxis genauso wie die unterschiedlichen Wissenschaftsgebiete und Kompetenzbereiche. Christian Ebner, Anna Jank und Thomas Pümpel arbeiten mit ihrem Team laufend an Lösungen, um die Effizienz der Abwasserbehandlung durch neue beziehungsweise verbesserte Technologien weiter zu verbessern.

Bildergalerie vom Taucheinsatz

 

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