Screenshot Datenbank
Bei dem englischen Dialektwort arselings erinnert Wright an holländisch aarzelings und deutsch ärschlings. Solche und zahllose andere Zusammenhänge im Bereich englischer Dialekte im United Kingdom und weltweit macht die Suchmaschine EDD Online zugänglich.

Eine Fundgrube englischer Dialekte

Normen bedeuten für unser Zusammenleben eine große Erleichterung. Aber das Leben erhält seine „Würze“ erst durch Abweichungen und Vielfalt: z.B. die Vielfalt der Arten, der Regionen und besonders auch der Sprachen. Im Rahmen eines Projekts am Institut für Anglistik wurde die regionale und soziale Sprachenvielfalt im Englischen erforscht und eine Online-Datenbank erstellt.

„Die Österreicher meinen zu wissen, was Dialekt ist. Wohl die Mehrheit von ihnen spricht Dialekt, trotz des gegenläufigen Einflusses der Medien, der wachsenden Bedeutung der Ballungszentren und der starken Bemühungen in den Bildungsinstitutionen um eine standardisierende Hochsprache. Und es ist gut, dass Dialekte weiterhin gepflegt und gesprochen werden“, ist em. o. Univ.-Prof. Manfred Markus, Projektleiter am Institut für Anglistik, überzeugt: „Dialekt ist wichtig: als identitäts- und solidaritätsstiftender Faktor und als der Aspekt der mündlichen Sprache, den ihre Benutzer als besonders natürlich und als wesentlichen Bestandteil ihrer kulturellen Überlieferung empfinden. Der Dialekt ist die Seele der Sprache.“ Auch in seinem Forschungsgebiet, dem Englischen, spielen Dialekte eine große Rolle. „Das Englische existiert weltweit in über hundert nationalen Varietäten. Und dieser internationalen Vielfalt entspricht innerhalb der britischen Inseln die Vielzahl von Dialekten“, so Markus. Neben regionalen Unterschieden gewannen in Großbritannien, dem Pionierland der Industrialisierung, seit etwa 1900 immer mehr auch sogenannte Soziolekte eine Bedeutung. „Arbeiter reden meist anders als Akademiker“, erklärt er. „Vorher aber, das heißt bis 1900, schlug sich Sprachvarianz vor allem in regionalen Dialekten nieder. Die Erfassung der englischen Dialekte des 18. und 19. Jahrhunderts – dies ist der Gegenstand des vorliegenden Projekts – ist daher von besonderer Wichtigkeit.“

Glücksfall

In diesem Sinne empfindet der Anglist es als Glücksfall, dass er bei Recherchen in der Innsbrucker Universitätsbibliothek das English Dialect Dictionary des Oxfordprofessor Joseph Wright entdeckte. „Joseph Wright, der selbst aus kleinsten Verhältnissen stammte und erstmals mit 15 eine öffentliche Schule besuchen konnte, hielt von 1898 bis 1905 die Dialektsituation von 1700 bis 1900 fest und veröffentlichte ein englisches Dialektwörterbuch, an dem er circa 15 Jahre gearbeitet hatte – mit einem kleinen MitarbeiterInnenstab und 600 regional wie international weit verstreuten Helferinnen und Helfern. Das Wörterbuch umfasst rund 4500 engbedruckte Seiten“, beschreibt Manfred Markus seinen „Fund“. Um diesen für die Forschung und für interessierte Laien zugänglich zu machen, entschied sich der Wissenschaftler dazu, das Werk zu digitalisieren und eine dazu angemessene Suchsoftware zu entwickeln. Unterstützt wurde dieses Projekt vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Nach der digitalen Schrifterkennung (OCR) wurde der XML-Text von Markus und seinem Team korrigiert und in seine Bestandteile zerlegt (Parsing und Tagging). „Erst in dieser Form sind die vielfältigen Informationen des Wörterbuchs zugänglich. Und diese Informationen betreffen nicht nur Dialektwörter als solche und ihre regionale Zuordnung, sondern auch ihre Wortbildung, ihre Bereitschaft, Ableitungen, Komposita und Phrasen zu bilden, und ihre ‚Pragmatik’, also zum Beispiel die Frage, welcher Sprechergruppe eine bestimmte Form zuzuordnen ist und gegenüber wem. Natürlich geht es auch immer um Bedeutungen und Aussprachevarianten“, erklärt der Wissenschaftler. „Und ganz am Rande zeigt der historische Sprachwissenschaftler Wright immer wieder, dass Dialektformen uralt sein können und sich für sie verwandte Vorfomen im Altenglischen – das heißt vor mehr als 1000 Jahren – oder doch wenigstens in der späteren Literatur bei Chaucer oder Shakespeare finden lassen.“

Treasure Trove

In einer der zahlreichen Aufsatz- und Buchpublikationen über ihr Projekt haben die Innsbrucker Anglisten um Manfred Markus das EDD ein „treasure trove“ (Fundgrube) genannt, und das überaus positive internationale Echo auf Konferenzen und Vortragsreisen hat diese Einschätzung der Projektbetreiber bestätigt. In der Tat reichen die Optionen des Interface bis zu Quellenabgrenzungen und etymologischen Querverweisen. So kann man Dialektwörter finden, die schon ähnlich bei Shakespeare oder in der Bibel zu finden sind, und andererseits solche, die im Deutschen eine Entsprechung hatten. Die Bearbeitung der Daten und die Erstellung der komplizierten Software wurden im März 2016 abgeschlossen. Der Start der EDD-Online-Website hat in der Fachwelt bereits in den ersten Wochen Bewunderung und Anerkennung ausgelöst: David Crystal (einer der derzeit berühmtesten Linguisten weltweit) bezeichnete das Ergebnis des Projekts als „brilliant“. Clive Upton, einer der namhaftesten Dialektologen der englischen Sprache, sprach von einem „magnificent tool“. Als MitarbeiterInnen zeichnen, neben Manfred Markus, Mag. Andrea Krapf und, als Programmierer, Joachim Masser und Martin Köll verantwortlich.

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