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Literarisches Lernen im Gespräch: interaktive Praktiken, Aufbau und Entwicklung von Gesprächsfähigkeit, didaktische Implementierung - Gernot Knittelfelder

Die Frage nach literarischen Lernprozessen, speziell des literarischen Verstehens, zählt zu den Forschungsschwerpunkten der Innsbrucker Deutschdidaktik; mitunter wird dabei in theoretischer Modellierung besonders auf das Verhältnis zwischen Sprache, Kognition, Affekt und Körperlichkeit fokussiert. Ebendiese Faktoren sind es auch, die nicht nur bei der individuellen, stillen Lektüre literarischer Texte eine zentrale Rolle spielen, sondern gerade auch in Gesprächen, d.h. bei der kollektiven, ‚lauten‘ Auseinandersetzung mit Literatur, geradezu als konstitutiv gelten mögen. Mittels multimodal ausgerichteter Sequenzanalyse konnte bereits gezeigt werden, welche interaktiv-ganzheitlichen Strategien Gesprächsteilnehmende einsetzen, um sich in Bezug auf einen literarischen Gegenstand zu äußern, mitzuteilen und verständlich zu machen (vgl. Masterarbeit Knittelfelder 2022). Die Vorstellung von „literarische[m] Verstehen als dynamischem Gesprächsprozess“ (Härle 2014: 111) verdeutlicht in diesem Zusammenhang die hier angenommene Prämisse, dass die gemeinschaftliche Ausverhandlung von Textsinn, wie sie unterrichtlich durchaus zurecht als gängiges Verfahren praktiziert wird, von Verstehensbewegungen verschiedenster Art gekennzeichnet ist. Ausgegangen wird dabei davon, dass – anders als von an Stufenmodellen orientierten Kompetenzmodellen suggeriert, wenn nicht sogar gefordert – diese nicht von einer stets linear nach vorne gerichteten Progression gekennzeichnet sind, sondern insbesondere auch stagnierende, ja regressive Momente der Irritation und Verunsicherung aufweisen, je tiefer eine Annäherung an mögliche Textbedeutungen erfolgt. Vor diesem Hintergrund rücken Fragen nach Praktiken konkreter Verstehensdokumentationen im literarischen Gespräch ins Zentrum empirischer fachdidaktischer Grundlagenforschung, ebenso wie Bemühungen, Aufbau und Entwicklung einer Fähigkeit des Miteinander-Redens auf Basis von Literatur durch im Deutschunterricht geleistete Intensivierungen ebendieses Zugangs in ihrem zeitlichen Verlauf nachzuzeichnen.

Literatur:

Härle, Gerhard (2014): Lenken – Steuern – Leiten. Theorie und Praxis der Leitung literarischer Gespräche in Hochschule und Schule. In: Kein Ders./Steinbrenner, Marcus (Hrsg.): Kein endgültiges Wort. Die Wiederentdeckung des Gesprächs im Literaturunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 107-139.

 

Kunst oder Leben? Ästhetisches Lernen in Zeiten globaler Krisen an der Universität

Sammelband in Planung zur Zweiten Tagung des Österreichischen Forums Deutschdidaktik (ÖFDD) an der Universität Innsbruck, 27.-29.09.2023. Johannes Odendahl, Marcel Illetschko (Hg.).

Programm Zweite Tagung des ÖFDD

 

Zum Selbstverständnis einer akademischen Fachdidaktik: Ziele, Forschungsfelder und Methoden.

Sammelband zur 5. Innsbrucker Tagung der Fachdidaktik. Caroline Bader, Johannes Odendahl (Hg.). Waxmann-Verlag. GFD-Reihe „Fachdidaktische Forschungen“. Erscheinungsdatum voraussichtlich Anfang 2024.

Programm 5. Tagung der Fachdidaktik

 

Literaturgeschichte vernetzt

ide (informationen zur deutschdidaktik) 1/24. Matthias Pauldrach (Universität Salzburg), Johannes Odendahl, Hg. Erscheinungstermin März 2024

Während sich die literaturdidaktische Debatte in der Vergangenheit vor allem um die Konstruktion des Gegenstands drehte, etwa um die Legitimation von Literaturgeschichte im Unterricht allgemein, die Problematik von Epochenbegriffen oder von Kanonfragen (vgl. Der Deutschunterricht 6/2003 und ide 4/2012), möchte das geplante Heft gesellschaftliche und unterrichtspraktische Aspekte stärker in den Fokus rücken. Wie lässt sich Literaturgeschichte in heterogenen Klassen, in einer globalisierten und multiethnischen (Medien-) Gesellschaft unterrichten? Wie lässt sich Literaturgeschichte stärker mit den historischen Dimensionen anderer Fächer und der Universalgeschichte vernetzen? Wie kann man den Gegenstand stärker als eine Geschichte ‚von unten‘ modellieren, die an die Lebenswelt der Schüler anknüpft, also weniger wie bisher als Geschichte von Autor*innen und Texten als vielmehr Geschichte von Leser*innen und literarischen Praxen? Und nicht zuletzt: Wie kann man Literaturgeschichte attraktiver und anschaulicher für die Lernenden aufbereiten?

Zielsetzung eines solchen Literaturgeschichtsunterrichts ist es, anstelle deklarativen literaturhistorischen Wissens, „Geschichtsbewusstsein“1 zu bilden und Einsichten in typische literaturhistorische Konstellationen und Prozeduren zu fördern. Das heißt, Schüler*innen sollten in die Lage versetzt werden, sowohl Bedingungen der Entstehung, Verbreitung und Rezeption von Literatur als auch die verschiedenen Möglichkeiten, wie Literaturgeschichte konstruiert und tradiert wird, zu entdecken und zu erforschen.

Dies sollte schon in der Sek. I beginnen. Es ist nicht einzusehen, warum dort Geschichte unterrichtet wird, aber Literaturgeschichte allein dem Oberstufenunterricht überlassen werden soll. Deshalb sollten möglichst alle Beträge auch die Sek I und den Mittelschulbereich mitdenken oder sogar schwerpunktmäßig behandeln.

 

1 Pandel, Hans-Jürgen 1987: Dimensionen des Geschichtsbewusstseins. Ein Versuch, seine Struktur für Empirie und Pragmatik diskutierbar zu machen, in: Geschichtsdidaktik 12, S. 130–141.

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