Puzzle

Paarweises stabiles Matching in großen Ökonomien

Die Lehrbuchdefinition der Volkswirtschaftslehre ist die Allokation knapper Ressourcen. Nimmt man diese Definition allerdings ernst, geht es hierbei nicht nur um die Entwicklung des Ölpreises oder des ATX, sondern auch um einfache Fragen wie „Welches Proseminar besuche ich?“ bis hin zu weitreichenden Fragen wie „Wen heirate ich?“ – was auf der Ebene der Mathematik die Schwierigkeit...

mit sich bringt, dass man andere Menschen nicht nur „ein bisschen“ heiraten kann.

Im klassischen „Heiratsmodell“ werden die Marktseiten traditionell als Männer und Frauen beschrieben. Das zentrale Problem ist, wie man Männer auf der einen und Frauen auf der anderen Marktseite stabil „matched“. Stabilität heißt hier, im einfachsten Fall, wenn zwei Leute von verschiedenen Seiten nicht lieber miteinander gematched wären als mit ihren jeweiligen Partnern. Dieses Modell kann auch erweitert werden auf „many-to-one“ Matching-Probleme, z. B. zwischen Angestellten und Firmen, Studierenden und Universitäten, etc. Der Heiratsmarkt ist als einfachster dieser Märkte wissenschaftlich sehr interessant. Üblicherweise werden solche Märkte mit Methoden der diskreten Mathematik analysiert. Allerdings hat man in den letzten Jahren festgestellt, dass auch stetige Methoden anwendbar sind, wenn zumindest eine Marktseite so groß ist, dass sie als teilbar aufgefasst werden kann.

Ein solcher Ansatz wurde von Eduardo Azevedo und Jacob Leshno in einem many-to-one Kontext verwendet, um das empirische Puzzle zu untersuchen, warum stabile Matchings in großen Märkten meist eindeutig sind, obwohl die Theorie eine Vielzahl stabiler Matchings erlaubt. Einer von uns, Christopher Kah (damals PhD-Student bei Markus Walzl), sah Eduardo Azevedo diese Arbeit auf einer Konferenz vortragen und fragte sich, ob sich dieser Ansatz auch auf one-to-one Märkte, also dem Heiratsproblem, mit beiden Marktseiten „groß“ anwenden lässt. Der andere von uns, Michael Greinecker (damals neuer Post Doc bei Markus Walzl), wusste wenig über klassische Matchingtheorie, aber sehr viel über große Ökonomien. Unsere Formulierung eines Heiratsmarktes, inspiriert von Methoden der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, enthält keine einzelnen Individuen, sondern lediglich die statistische Verteilung der Charakteristika der beiden Marktseiten. Ein Matching selbst beschreibt dann die gemeinsame Verteilung der Charakteristika von Paaren. Formal ist ein Matching damit wirklich nur eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Wir definieren ein Matching als stabil, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Abendessen zweier zufällig gezogener „Pärchen“ nicht in einer Scheidung mündet, da die Frau des einen Pärchens und der Mann des anderen Pärchens einander ihren ursprünglichen Partnern vorziehen. Diese Definition wirkt auf den ersten Blick etwas umständlich, ist jedoch in endlichen Heiratsmärkten mit der klassischen Stabilitätsdefinition identisch und spiegelt auch in großen Märkten das asymptotische Verhalten stabiler Matchings in endlichen Märkten wider. Unser Zugang garantiert außerdem, dass stabile Matchings selbst bei Vorliegen von Externalitäten existieren (im Gegensatz zu endlichen Matchingmärkten). Lässt man außerdem „Transfers“ innerhalb eines Pärchens zu, stimmt der Stabilitätsbegriff mit dem aus anderen Modellen überein. Eines dieser anderen Modelle stammt von Georg Nöldeke und Larry Samuelson, was uns während des Game Theory World Congress 2016 in Maastricht kurzfristig schlecht schlafen ließ, nachdem Larry Samuelson deren Modell als President Elect vor Tausenden Teilnehmer vortrug. Diese Aufregung stellte sich jedoch als größtenteils unbegründet heraus; wir profitierten entlang des Weges von der großzügigen Unterstützung von Georg und Larry.

Michael Greinecker & Christopher Kah

Mittlerweile arbeitet Christopher als spieltheoretischer Berater bei der Mercedes-Benz AG in Stuttgart und Michael forscht in Graz. Große Matchingmärkte beschäftigen Innsbruck allerdings auch weiterhin. Karolina Vocke untersucht im Rahmen ihrer (zweiten) Dissertation große „many-to-many“ Matchingmärkte – Märkte mit viel höherer Komplexität als einfache Heiratsmärkte. Zusammen mit Ravi Jagadeesan von der Stanford University konnte sie die Existenz stabiler Matchings beweisen, wenn es endlich viele Typen gibt. In Zusammen-

arbeit mit Michael möchte sie dieses Existenzresultat auf Probleme mit unendlichen Typenräumen ausdehnen, wobei Methoden aus unserer Arbeit angewandt werden.

 

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