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Das Bild vom Weinstock: Teil sein (Joh 15,1-8)
(Predigt in der Jesuitenkirche 2. Mai 2021)

Autor:Findl-Ludescher Anni
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2021-05-05

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt zu Joh 15,1-8.

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Das klingt wie eine Drohung. Ist es Ihnen auch so ergangen beim Zuhören des Evangeliums?

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Nachdem ich diesen Abschnitt aus dem Johannesevangelium zur Predigtvorbereitung gelesen hatte, ist es mir in den darauffolgenden Tagen immer wieder durch den Kopf geschossen: Das ist eine Drohung: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ „Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt.“

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Im Gegenzug dann die Worte: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten.“

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Ist das nicht Zuckerbrot und Peitsche?

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Ich habe diesen Gedanken einfach nicht aus dem Kopf gebracht. Und dann aber, vor ein paar Tagen, war dieses Bild plötzlich in einer anderen Weise da.

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Wir sind mitten in einer Vertragsverhandlung. Neben uns wird gebaut und diese neuen Nachbarn brauchen einen neuen Kanal. Dieses Projekt betrifft viele angrenzende Eigentümer. Die Verhandlungen ziehen sich schon. Es ist sehr mühsam, immer wieder Termine zu koordinieren, unterschiedliche Positionen unter einen Hut bringen. Dann waren wir an einem Punkt, dass der Ärger über die Betreiber so groß war, dass fast alle anderen Beteiligten zurückzogen. Schluss, da machen wir nicht mit. Es reicht.

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Und dann kam das mail von der Betreiberseite: doch noch einmal reden, heute Abend.

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„Sicher nicht, das hättet ihr euch früher überlegen können, warum sollen wir so kurzfristig Zeit haben, usw.“ Solche Gedanken melden sich in mir – und bei ziemlich allen anderen auch.

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Und dann war da plötzlich dieses Bild vom Weinstock und den Reben da. Die dürren Zweige, die vertrockneten Trauben und die Idee, dass doch gute Früchte wachsen sollen. Ich wollte nicht die sein, die etwas abschneidet, das vielleicht noch Frucht bringen kann. Ich bin hingegangen zu diesem Treffen und – keine große Erfolgsmeldung – aber es geht weiter. Das Gespräch, die Verhandlungen sind wieder aufgenommen. Ich muss nicht wegschauen, wenn ich sie auf der Straße sehe.

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Das Bild vom Weinstock wirkte plötzlich anders, es ist eine innere Realität: Alles ist mit allem verbunden. Ich bin irgendwo mitten drin. Wenn ich mich abwende, zusammenziehe, und den Lebenssaft nicht durchströmen lasse, dann beginnt ein Teil zu verdorren. Nicht als Strafe, sondern schlicht als Konsequenz.

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Dieses Bild ist keine Drohung, es ist eine Beschreibung und eine Einladung: Bleib in der Verbundenheit – mit den Menschen, mit Gott, mit der Schöpfung.

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Bleib in der Verbundenheit mit Jesus! Das meint beim Evangelisten Johannes, bleib in der Verbundenheit mit der Wahrheit, mit dem Leben, mit dem Licht. Immer wieder hören wir im Johannesevangelium wie Jesus sagt: ich bin die Wahrheit, ich bin das Licht, ich bin das Leben.

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Wir, die wir Jesus kennengelernt haben, die ihn lieben – ein bisschen- zaghaft- innig – wir entdecken in ihm diese Wahrheit, das Licht, wir entdecken, wie mit ihm Leben, gutes Leben möglich ist. Wenn wir uns diesem Lebensfluss nicht verschließen.

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Wenn wir uns in diesem Lebensfluss beteiligen, die Verbundenheit spüren und aktivieren – nicht nur dort, wo sie fein ist, auch wo wir aktiv steuern und gegensteuern müssen, wo wir bleiben, wenn es schwer fällt, aussichtslos scheint. Wo wir etwas beenden, abschneiden, im Dienst des großen Lebensflusses.

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Von außen lässt sich das nicht erkennen und beurteilen, jedenfalls nicht eindeutig. Auch ein soziales Engagement, eine aufopfernde Haltung, die Entscheidung zu bleiben, kann kleinmütig sein, kann den Lebensfluss eher behindern als fördern.

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Nur jede/r selbst, nur ich selbst - gemeinsam mit dem Winzer - kann das immer besser, immer klarer empfinden. Wenn wir dieses Bild vom Weinstock in uns tragen, in uns bewegen. So merken wir mit der Zeit immer mehr, immer lauterer, was tatsächlich dem Leben, der Wahrheit, der Liebe dient. Wie wir dem Lebensstrom dienen können, so dass möglichst süße Trauben wachsen.

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Und noch eine Aufmerksamkeit zum Schluss:

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Jesus spricht in diesem Bild vom Weinstock. Warum genau ein Weinstock? Das Prinzip mit dem Fruchtbingen und dem Beschneiden würde auch für andere Pflanzen gelten: Für Rosen z.B., für einen Obstbaum oder eine Tomatenstaude,… Warum gerade ein Weinstock? Die Traube ist eine Frucht, die sowohl Nahrungsmittel als auch Genussmittel ist. Trauben bzw. Wein stehen sinnbildlich für Lebensfreude, Genuss, Leichtigkeit, Tanzen und Feiern, für ein Leben, das viel mehr ist als nur Überleben.

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Diese Zusage ist uns mit dem Bild vom Weinstock geschenkt: Unser Leben in Verbindung mit dem Lebensstrom Jesu hat das Potenzial von Trauben – nicht nur von Äpfeln oder Tomaten. Wir haben das Potenzial von Trauben.

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