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Wir müssen nicht jeden Tag bei den Ersten sein
(Predigt zum Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg)

Autor:Findl-Ludescher Anni
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-10-02

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt am 20. 9. 2020 in der Jesuitenkirche

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Evangelium: Mt 20,1-16

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Eine starke Inszenierung! Wie der Gutsverwalter am Ende des Tages alle antreten lässt. Zunächst der erste Paukenschlag: diejenigen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, bekommen einen vollen Tageslohn. – Ein Denar, das entspricht einem Tageslohn für einen Arbeiter in der Zeit Jesu. Dann geht es der Reihe nach weiter. Diejenigen die drei Stunden gearbeitet haben, die, die sechs oder neun Stunden gearbeitet haben. Sie alle kommen an die Reihe, alle bekommen 1 Denar. Und dann die letzten, diejenigen die 12 Stunden gearbeitet haben. Die Spannung nimmt immer mehr zu. – Sollen nicht wenigstens diese mehr bekommen? Einen Zuschlag für das Durchhalten, für die Verlässlichkeit und den Fleiß. Auch sie bekommen einen Denar und dann verschafft sich die Spannung Luft „Sie murrten über den Gutsherrn und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt. Wir aber haben die Last des Tages und die Hitze ertragen!“ (V12)

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Zwei Gedanken zu diesem Gleichnis möchte ich mit Ihnen teilen:

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1: die Spannung, die sich aufbaut, wird nicht aufgelöst – der Gutsherr macht es nicht allen recht, es sind nicht alle zufrieden. Damals wie heute. Es bleibt dieses Gefühl, den Schwarzen Peter gezogen zu haben: Manchmal erscheint das Leben einfach nur ungerecht. Sie kennen solche Erfahrungen von sich und von anderen in ihrem Umfeld: Eine Beziehung zerbricht, obwohl ich so viel dafür getan habe, in Kauf genommen habe. Das Kind fasst nicht so recht Fuß, bricht die Ausbildung ab, verkriecht sich im Zimmer, obwohl ich mich so bemüht habe in der Erziehung. Gefühlt bin ich ständig beim Arbeiten und doch bekommen die anderen die besseren Aufstiegsmöglichkeiten. – Manchmal, da stimmt einfach der Aufwand, den man betreibt, nicht zusammen mit dem Lohn, den man erhält.

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Die Spannung wird nicht aufgelöst. Sie erinnert an die Lesung aus Jesaja „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege -  Spruch des Herrn.“ Der Gutsherr ändert nichts an seinem Verhalten. Aber die Spannung, die so greifbar ist, wird in Beziehung umgeleitet. Es gibt eine überraschende Wende im Text. Wird vorher immer allgemein und in der Mehrzahl gesprochen und gehandelt, so kommt es in V 13 zur Wende: „Da erwiderte er einem von ihnen: Freund, dir geschieht kein Unrecht. …“ Plötzlich ist jetzt ein Zweierkontakt hergestellt. Keine allgemeinen Ansagen mehr, sondern ein direkter Kontakt, Auge in Auge, zwischen einem Menschen und seinem Freund. Diese Erfahrung, diese Verzweiflung, wenn man sich nicht genügend wertgeschätzt fühlt, bekommt keine allgemeine Antwort, keine unmittelbare Lösung, keine Gerechtigkeit. Aber sie bekommt die besondere Zuwendung Jesu.

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2: Jesus erzählt dieses Gleichnis. Der Gutsherr steht für Gott und dieser Gutsherr kann alle gebrauchen – nicht nur die Besten, Fleißigsten, Verlässlichsten, sondern er bemüht sich auch um diejenigen, die sonst niemand haben möchte, diejenigen, die gar nicht so viel und effizient arbeiten können oder wollen.

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Alle, die sich auch nur ein bisschen beteiligen, sind für ihn gleich viel wert. – Und das ist eine Botschaft für uns alle, besonders für die Eifrigen.Er will uns alle bei sich haben – so wie wir jetzt da sind und weit darüber hinaus.

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Es gibt keinen Leiterzuschlag, keine Erfolgsprämie, keinen Manager-Bonus – wir alle bekommen genau einen Tageslohn, das, was man für einen Tag zum Leben braucht. Gott sorgt für jetzt, für den Moment. Er unterstützt uns nicht dabei, Vorräte anzulegen.

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Das ist wie eine Korrektur, ein Zurechtrücken unserer Gewohnheiten / Erwartungen. Aber: Immer nur für den heutigen Tag zu sorgen, damit zufrieden sein – ist das nicht naiv? Mit dem heutigen Gleichnis sehen wir: nein, das ist es nicht. Es ist Jesus ganz ernst. Den Tages-Lohn, das, was wir für das Leben wirklich brauchen, bekommen wir auf alle Fälle. Wir brauchen nicht jeden Tag bei den ersten zu sein.

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An jenem Tag

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An jenem Tage
der kein Tag mehr ist -
vielleicht wird er sagen:

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Was tretet ihr an
mit euren Körbchen voller Verdienste,
die klein sind wie Haselnüsse
und meistens hohl?
Was wollt ihr
mit euren Taschen voller Tugenden
mit denen ihr gekommen seid
aus Mangel an Mut,
weil euch Gelegenheit fehlte
oder
durch fast perfekte Dressur?

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Habe ich euch
davon nicht befreit?
Wissen will ich
Habt ihr die anderen
angesteckt mit Leben?

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(Joachim Dachsel)

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