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Der GEIST und die Geister. Pfingstpredigt in der Jesuitenkirche
(Am 20. Mai 2018 um 11.00 und um 18.00 Uhr)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-05-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Es war halt immer schon so: die Personen, die im Hintergrund die Drähte ziehen, diese Personen sieht man nicht; Personen, die ein gewaltiges Stück von Basisarbeit im Hintergrund leisten – sie bleiben unsichtbar. Wahrnehmen tut man wohl nur jene, die an diesen Drähten der Drahtzieher hängen, sehen tut man nur jene, die von der Leistung der Unsichtbaren profitieren: von ihnen das sprichwörtliche „Feuer unterm Arsch” geliefert bekommen, oder aber die „Feuerzungen überm Kopf”.

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Liebe Schwestern und Brüder, diese uns allen aus dem Alltag bestens bekannte Logik, die Logik, die ja tagtäglich im Theater unseres Lebens Regie führt, wird am heutigen Tag gefeiert. Zu sehen bekommen wir halt nur die begeisterten Aposteln, trunkene Menschen, von denen das Wort Gottes bezeugt: sie haben den göttlichen Geist empfangen. Diesen Geist sehen wir aber nicht, weil er halt nur die knochenschwere Arbeit – die herzerwärmende und herzverwandelnde Arbeit – im Hintergrund leistet. Und war tut er da eigentlich? Auf die Spuren dieses Geistes kommen wir, wenn wir uns das Szenario dieses Tages in aller Deutlichkeit vor Augen führen. Am Pfingsttag sehen wir Menschen die bis vor Kurzem im abgeriegelten Zimmer sassen, nicht ein und aus wussten, weil sie halt auch die Türen ihrer Herzen abgeriegelt haben (vgl. Joh 20,19–23; Apg 2,1–13). Weil sie bis vor Kurzem wie Marionetten an den Seilen hingen, an Seilen, die von Geistern grenzenloser Enttäuschung gezogen wurden, von Geistern der Resignation, der Selbstaggression und des Selbsthasses. Und warum dies? Allzu deutlich stand ihnen ihr Versagen vor Augen: der Verrat und die Verleugnung. Die Möchtegernhelden rannten in der Krise davon, machten sich aus dem Staub, weil sie halt Menschen waren: Menschen wie Du und ich. Menschen, die allerdings nun regelrecht an der Strippe eines Anklägers zu hängen scheinen. Des Anklägers, der in der innersten Mitte ihrer eigenen Person Platz genommen hat: in ihrem eigenen Gewissen! In ihrem eigenen Gewissen die Hintergrundarbeit leistend, bindet er ihnen ihr Versagen permanent unter die Nase. Auf dass sie sich schämen, auf dass sie nun nur noch um sich selber kreisen, oder aber gewaltsam die verriegelte Tür ihrer Herzen aufreißen und auf andere Menschen Steine werfen. Sich selber also und auch andere verletzen. In der Isolation ihrer Herzen, Aug in Aug mit jenem Ankläger, der nun ihr zweites „Ich” zu sein schien, Aug in Aug mit dem unsichtbaren „Diabolos”: dem Durcheinanderwerfer und dem Meister der Anschuldigung, dem Urheber aller Missverständnisse, dem Padrone der nie aufhörenden Schuldabschiebung, Schuldzuweisung und der immerwährenden Sündenbockjagd, in der Isolation ihrer Herzen wurden diese Menschen zu Zeugen eines Wunders. Wie lange prägte der Geist der Verzagtheit ihren Alltag? 50 Tage, oder nur eine Woche, oder gar nur einen Tag? Im Grunde ist das zweitrangig. Jeder Mensch, der einen ähnlichen Absturz erlebt hat, weiß, dass die Zeit unwichtig wird. Weil ein Monat zu einem Tag gerinnen, eine Sekunde zur Ewigkeit mutieren kann. Nun wurde ihnen das Wunder zuteil!

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„Friede sei mit Euch!” Das sagte Einer, der von außen kam. Einer, dem es gelungen ist, die geschlossenen Türen zuerst „geschlossensein” zu lassen. Sie also nicht mit Gewalt aufzubrechen und trotzdem die verbarrikadierten Herzen der Marionetten des schlechten Gewissens zu erreichten. „Friede sei mit Euch. Empfangt den Heiligen Geist” Lasst in euer Herz den Parakletos ein: den Advocatus, den Anwalt, den Anwalt euerer eigenen Würde, den Anwalt, der euch vom Marionettendasein befreit. Weil er euch zuerst vor dem Forum eures eigenen schlechten Gewissens verteidigt. Den Ankläger also entmachtet. Den Ankläger, der im Hintergrund eures Lebens die Fäden eures Denkens regelrecht zieht und die Seile eures Handelnd manipuliert. „Empfangt den Heiligen Geist”, der euch die Wahrheit und die Einsicht schenkt. Den Geist, der eure eigene Erkenntnis – gerade im Kontext eures Versagens – auf die richtige Bahn lenkt. Und diese kann nur heißen: „O felix culpa” – o glückselige Schuld! Weil du vergeben wurdest. Vergeben von dem, der die Macht dazu hat: von Gott selber, der ja die Türen deines Herzens vom innen her gewaltfrei aufmacht. Weil er dir deine Würde zurück schenkt.

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Liebe Schwestern und Brüder, die wahrhaft revolutionäre Logik des heutigen Festes werden wir verstehen, wenn wir uns den Zugang dazu von der geradezu archaisch klingenden Logik erschließen lassen: von der Logik von dem Geist und der vielen Geistern. Jener Geister, die das Evangelium einmal mit dem Sammelbegriff „Legion” bezeichnet hat. Bei der Begegnung Jesu mit einem unglücklichen Menschen (vgl. Mk 5,1– 9), dem Mann, dessen Identität zerstört worden ist: durch Selbstaggression, aber auch durch die Ausgrenzung seitens der Mitmenschen, einem Menschen von dem es heißt, er wäre mit dem „unreinen Geist” besessen, fragt Jesus den Geist nach seinem Namen. „Mein Name ist Legion; denn wir sind viele.” Lassen wir uns von dieser teuflischen Logik nicht täuschen. So viele es von ihnen auch geben mag, so verschieden ihre Erscheinungsweisen auch sein mögen: sie alle haben eines Gemeinsam: sie zerstören. Sie zerstören auch dort, oder gerade dort, wo sie vorgeben aufzubauen. Deswegen werden Täuschung und Lüge mit ihnen in Verbindung gebracht. Die biblische Sprache verdichtet diese Geister in der Gestalt des Versuchers, des Anklägers, des Durcheinanderwerfers, ja des Satan. Von diesem hat Joseph Ratzinger einmal gesagt: er sei der Inbegriff einer Unperson. Denn: Person gibt es nur dort, wo es Beziehung gibt. Und bei diesem gibt es nur Zerstörung von Beziehungen. Wenn sich also dieser Geist, diese Unperson in meinem Gewissen den Platz sichert, um von dort aus mich an die Strippe nimmt, dann verriegele ich die Tür meines Herzens. Dann kenne ich bloß Selbstund Fremdbeschuldigung und auch den Selbsthass. Vor allem den subtilen Selbsthass.

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Pfingsten vollendet Ostern. Es vollendet die Frohbotschaft, macht also das Evangelium zum Evangelium für mich. Und das heißt wohl: „Frieder sei mit Dir!” Das sagt mir Jener, der die verriegelten Türe meines eigenen Herzens von innen aufmacht. Weil er mit die Vergebung zuspricht. Auf dass ich sagen kann: „O felix culpa”! Auf dass ich befreit werde von den mich zerstörenden Gewissensbissen. Eist einer, der mit den Geist schenk: den Parakletos, den Anwalt, jene Person, die eine denkbar innerste Beziehung zu mir aufbaut, ist sie doch selber der Inbegriff der Liebe.

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Liebe Schwestern und Brüder, den Geist, diese göttliche Person sehen wir nicht. Er leistet aber die knochenschwere Arbeit im Hintergrund. Zwar zieht er nicht die Drähte, die mich zur Marionette meines schlechten Gewissens machen, wohl aber wirkt er im Hintergrund: in der innersten Mitte meines Herzens. Er macht mich beziehungsfähig. Er leistet Aufbauarbeit, selbst dort, wo es nur Zerstörung zu geben scheint. Deswegen: Pfingsten zu feiern, bedeutet schlicht und einfach dankbar zu sein! Dankbar für diesen Geist, für den Anwalt, für den Advocatus, der es schafft mich – gar vor mir selber – zu verteidigen. Und mir immer wieder neu die Würde zurückzugeben. Mir: der ich ja bloß ein schwacher Mensch bin.

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