Die Station für Ultrastrahlenforschung auf dem Hafelekar (2300 m) bei Innsbruck

Von Prof. Dr. Victor F. HESS (Universität Innsbruck)
(Aus dem XL. Jahresbericht des Sonnblick-Vereines 1931)

Baubaracke am Hafelekar

Mehr denn je steht das Problem des Ursprunges und der Natur der äußerst durchdringenden kosmischen Ultrastrahlung (früher auch Höhenstrahlung, Weltraumstrahlung oder kosmische Strahlung genannt) im Mittelpunkt des Interesses der Physiker und Geophysiker aller Länder, obschon seit der Entdeckung dieser Strahlung nunmehr schon zwanzig Jahre verstrichen sind.

In gemeinsamer Arbeit mit Dr. O. Mathias und dann besonders mit Dr. R. Steinmaurer habe ich die Durchdringungsfähigkeit und die Schwankungen der Intensität der Ultrastrahlung in den letzten Jahren näher zu untersuchen getrachtet. O. Mathias hat im Sommer 1927, R. Steinmaurer unter Mitarbeit von A. Reitz im Sommer 1929 auf dem Sonnblickgipfel Messungen, bzw. fortlaufende Registrierungen der Ultrastrahlung nach den von mir ausgebildeten Methoden durchgeführt, worüber bereits berichtet worden ist (vgl. diese Jahresberichte, 36. und 38. Band).

Der Sonnblick-Verein hat in dankenswerter Weise diese Untersuchungen durch Gewährung von Subventionen ermöglicht. Als sich bei den erwähnten Untersuchungen zeigte, daß die Strahlungsschwankungen durch Übereinanderlagerung mehrerer Ursachen hervorgerufen sind, wurde die Ausführung viel länger dauernder Versuchsreihen notwendig.

Es gelang durch die tüchtige Mitarbeit des meteorologischen Beobachters auf dem Sonnblick, Herrn Leonhard Winkler, die Registrierungen der Ultrastrahlung mit je einem der von Steinmaurer verwendeten Kohlhörster-Apparate durch ein volles Jahr, u. zw. vom 1. Oktober 1929 bis 6. Dezember 1930 (mit je einer Unterbrechung im Sommer), fortzuführen. Auch diese Untersuchung wurde durch Gewährung einer Subvention des Sonnblick-Vereines für den Beobachter und durch Hilfe der Meteorologischen Zentralanstalt in Wien ermöglicht, wofür schon an dieser Stelle bestens gedankt sei.

Die sehr langwierige Auswertung dieser photographischen Registrierungen wurde von meinen Mitarbeitern R. Steinmaurer, Josef Priebsch, Cilian O'Brolchain und mir selbst im Winter 1930/31 begonnen und wird demnächst vollendet werden. Die Ergebnisse werden sodann in Gerlands Beitr. z. Geophys., Bd. 37, veröffentlicht werden.

Die mit den von G. Hoffmann und von E. Steinke gebauten Hochdruck-Apparaturen erzielte höhere Genauigkeit ließ es nun wünschenswert erscheinen, auch mit derartigen Apparaten längere Meßreihen auf einer Bergstation durchzuführen und insbesondere durch Parallelmessungen mit Kohlhörster-Apparaten die Grenzen der Leistungsfähigkeit dieser Apparate zu prüfen. Zwar liegen mehrmonatliche Beobachtungsreihen mit einer Hoffmann-Apparatur in größerer Höhe schon vor (Muottas Muraigl, 2450 m, Oberengadin), doch haben gerade diese von Hoffmann und Lindholm ausgeführten Präzisionsuntersuchungen gezeigt, daß das Problem der Klärung der Intensitätsschwankungen der Ultrastrahlung wesebtlich komplizierter ist, als man vorher vermutet hatte. Die Existenz der von Kohlhörster, v. Salis und später auch von Büttner gefundenen Schwankungen nach Sternzeit ("Sternzeitperiode der Ultrastrahlung") war mehr denn je in Frage gestellt. Die durch Luftdruckschwankungen hervorgerufenen Intensitätsänderungen der Strahlung ("Barometereffekt") erwiesen sich ebenfalls als recht kompliziert. Schwankungen nach Ortszeit und nach Jahreszeit und endlich die unregelmäßigen "Schwankungen zweiter Art" (nach Corlin) blieben weiter fast völlig ungeklärt. Im Dezember 1930 konnte ich auf Grund einer Analyse der oben erwähnten Hoffmann-Lindholmschen Päzisionsmessungen auf Muottas Muraigl feststellen, daß ein sehr kleiner Teil der Ultrastrahlung (weniger als 0.5 %) wahrscheinlich direkt von der Sonne her kommt. Messungen mit der Hoffmannschen Versuchsanordnung in Halle a. d. Saale (Pforte, Messerschmidt) zeigen, besonders in den Sommermonaten, sehr deutlich ein Maximum der Strahlungsintensität um 12 Uhr Mittag, was wohl als ein weiteres Argument für die Existenz einer solaren Kompomente der Ultrastrahlung, mindestens aber als sicherer Nachweis eines Sonneneinflusses auf die beobachteten Intensitäten aufzufassen ist (vgl. V. F. Hess und W. S. Pforte, Zeitschr. f. Phys., 71. Band, S. 169 ff., 1931).

Zur weiteren Erforschung diese Sonneneinflusses sowie aller übrigen Intensitätsschwankungen der Ultrastrahlung sind, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, längere Beobachtungsreihen, womöglich auf hochgelegenen Sationen erforderlich, da auf solchen die Ultrastrahlung bedeutend stärker ist und neben den harten Strahlungskomponenten auch weniger durchdringende Anteile der Strahlung vorhanden sind, die im Meeresniveau fehlen.

Nachdem eine großzügige Unterstützung der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft in Berlin mir im Jahre 1931 die Anschaffung einer selbsttätig registrierenden, mit Vollkompensation ausgestatteten Hochdruckapparatur (gebaut von E. Steinke in Königsberg) ermöglicht hatte, faßte ich den Plan, auf einer alpinen Hochstation ein kleines Observatorium zu errrichten, um systematisch durch längere Zeit die Strahlungsschwankungen studieren zu können.

Der Sonnblick, dessen Höhe (3100 m) hiefür besonders günstig gewesen wäre, kam nun nicht in Betracht, da Registrierungen von mehrjähriger Dauer mit so empfindlicher Versuchsanordnung die ständige Anwesenheit eines speziell geschulten Physikers auf dem Sonnblick erfordert hätten, was auch der hohen Kosten wegen schwer durchführbar gewesen wäre. Ich selbst wäre aus beruflichen Gründen nicht in der Lage gewesen, von der Universität Graz aus, wo ich damals wirkte, die Beobachtungen zu leiten.

Als nun im Winter 1930/31 meine Berufung an die Universität Innsbruck in greifbare Nähe rückte, reifte in mir der Plan, das mittels Seilbahn von der Stadt Innsbruck aus das ganze Jahr hindurch bequem in 40 Minuten erreichbare, auf dem Nordkettenkamm gelegene Hafelekar (2300 m) als Beobachtungsort zu wählen.

Genehmigungsschreiben der Nordkettenbahn bezüglich Einrichtung der Hafelekar-Forschungsstation

Nachdem die Nordkettenbahn dem Ansinnen von Victor F. Hess zustimmt und ihm erlaubt, die Baubaracke am Hafelekar als Labor zu nutzen, steht der Gründung einer Beobachtungsstation im Hochgebirge nichts mehr im Wege.

Genehmigungsschreiben, 28. März 1931

Durch das außerordentliche Entgegenkommen der Stadtgemeinde Innsbruck und der Direktion der Innsbrucker Nordkettenbahn unter Mitwirkung maßgebender Persönlichkeiten der Innsbrucker Universität ist es nun gelungen, diesen Plan zu verwirklichen und eine Station für Ultrastrahlenforschung auf dem Hafelekar ins Leben zu rufen.

Die Station ist im Unterkunftshaus der Nordkettenbahn, einem soliden Holzbau, untergebracht, die Apparate stehen in einem durch elektrische Heizung und automatische Regelung auf konstanter Temperatur gehaltenen Registrierraum von 4,5*4,5 m Bodenfläche erschütterungsfrei auf großen Betonpfeilern gelagert. Bleipanzer von 10 cm Wandstärke umhüllen den Hochdruckapparat, um die störende radioaktive Strahlung des Erdbodens abzuschirmen. Ein weiterer Betonsockel dient zum Aufbau anderer Versuchsanordnungen bei Vergleichs- oder Parallelmessungen. Hier wurden z. B. Kohlhörster-Strahlungsapparate aufgestellt, weiters wurden die Angaben des von Prof. Piccard (Brüssel) auf seinem Stratosphärenfluge verwendeten Hochdruckapparates und Elektronenzählrohrs durch längere Parallelmessungen von Herrn Ing. Paul Kipfer, dem Assistenten Prof. Piccards, mit den Angaben meiner Apparate verglichen (Dezember 1931 bis Februar 1932).

Der regelmäßige Betrieb der Station wurde Ende August 1931 aufgenommen. Die Kosten der Adaptierung des Registrierraumes und es Betriebes im Jahre 1931/32 wurden durch eine Subvention der Östtereichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe aufgebracht.
Eine weitere wichtige Aufgabe der Station liegt in der Ausführung von Simultanmessungen der Ultrastrahlung. Ein zweiter Druckapparat ist in meinem Institut in Innsbruck (590 m Seehöhe) aufgestellt und wird zu besonderen Zwecken parallel mit dem Apparat auf dem Hafelekar in Betrieb gehalten. Ferner kam es bei einer mit einigen engeren Fachkollegen in Berlin im Dezember 1930 abgehaltenen privaten Besprechung auf meine Anregung zur Bildung einer Art Arbeitsgemeinschaft der beteiligten Forscher zur Ausführung von Simultanmessungen der Ultrastrahlung in verschiedenen geographischen Breiten, vom nördlichsten Schweden (Abisko  68° n. Br.) bis zum Äquator. Es werden hiebei vollkommen gleichgebaute Apparate Steinkescher Konstruktion verwendet. An dieser Arbeitsgemeinschaft sind deutsche, holländische, irische, österreichische und schwedische Forscher beteiligt. Die Stationen Abisko, Königsberg und Innsbruck (Hafelekar) sind bereits in Betrieb. Es ist zu hoffen, daß durch diese gleichzeitigen Registrierungen der Strahlungsschwankungen die noch ungelösten Probleme der Ultrastrahlung weiter geklärt und der Lösung nähergebracht werden.

Technik für Langzeitaufnahmen

Mit damals aufwendiger Technik gelingt es, die Messungen zu automatisieren. Somit ist es möglich, Langzeitaufnahmen anzufertigen.

Messstation Hafelekar, 1934

Der Sonnblick-Verein in Wien hat bei der Errichtung meiner Forschungsstation auf dem Hafelekar abermals durch einen namhaften Geldbetrag mitgeholfen. Ich erlaube mir, hiefür herzlichst zu danken und auf diese durch den Sonnblick-Verein einer anderen alpinen Forschungsstätte zuteil gewordenen Hilfe besonders hinzuweisen.

Zum Schlusse möchte ich auch noch persönlich jenen Herren danken, die mir beim Zustandebringen des Projektes besonders behilflich waren: Herrn Prof. Dr. Arthur Wagner, Vorstand des Institutes für kosmische Physik an der Innsbrucker Universität, Herrn Prof. Dr. Wilhelm Schmidt, Direktor der Meteorologischen Zentralanstalt in Wien, und Herrn Ing. Helmuth Thurner, Chefingenieur der Nordkettenbahn.

Prof. Dr. V. F. Hess,
2. Lehrkanzel für Experimentalphysik und Institut für Strahlenforschung
an der Universität Innsbruck, im Februar 1932

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