Blog: Projekt Updates
Unser Projektteam blickt auf einen produktiven Sommer zurück, und wir freuen uns, dass erneut mehrere Forschungsarbeiten veröffentlicht wurden. In den vergangenen Monaten sind neue Studien erschienen, die wir in diesem Blogbeitrag vorstellen. Sie befassen sich damit, wie Regierungen grenzüberschreitend Verantwortung zuweisen und wie Bürgerinnen und Bürger online auf unterschiedliche kommunizierende Akteure reagieren.
Wie Regierungen sich gegenseitig die Schuld zuschieben
In dieser Publikation untersuchen wir die strategische Bedeutung von Schuldzuweisungen. Christian Schwaderer, Sarah C. Dingler, Lore Hayek und Martin Senn analysieren, wie Regierungen während Krisen Verantwortung auf andere Staaten übertragen. Anhand der Pressekonferenzen aus 18 Ländern zeigt die Studie, dass Faktoren wie das Ausmaß der Krise, geografische Nähe sowie politische und kulturelle Verbundenheit die Wahrscheinlichkeit grenzüberschreitender Schuldzuweisungen beeinflussen. Länder, die in der frühen Phase der Pandemie besonders sichtbar waren, etwa Italien und China, wurden deutlich häufiger verantwortlich gemacht. Die Arbeit zeigt, wie Regierungen internationale Narrative strategisch beeinflussen, insbesondere unter hohem Druck.
Den vollständigen Artikel „Inter-state blaming during crises: the role of non-institutional factors“, erschienen im Journal of European Public Policy, gibt es hier zu lesen:https://doi.org/10.1080/13501763.2025.2566998
Wie Bürgerinnen und Bürger online auf Regierungskommunikatoren reagieren
Ein weiterer Forschungsstrang unseres Projekts untersucht, wie die Bevölkerung auf Regierungskommunikation während der Pandemie reagierte und in welchem Ausmaß öffentliche Diskussionen das widerspiegeln, was Regierungen kommunizierten. Zwei neu veröffentlichte Artikel von Christian Schwaderer beleuchten diese Dynamiken aus unterschiedlichen Perspektiven. Beide Studien basieren auf unseren Pressekonferenzdaten und erweitern diese um umfangreiche Social-Media-Datensätze.
Die erste Studie analysiert Tweets und zeigt, dass öffentliche Reaktionen stark davon abhängen, wer kommuniziert: Experten werden im Durchschnitt positiver bewertet als Politiker, und Kommunikatorinnen erhalten insgesamt mehr positive Resonanz, insbesondere in intensiveren Krisenphasen.
Die zweite Studie untersucht, ob und wann öffentliche Online-Diskussionen inhaltlich mit Regierungsbotschaften konvergieren. Sie zeigt, dass Merkmale der Botschaften, wie Tonfall oder Komplexität, den Grad der Übereinstimmung zwischen offizieller Kommunikation und Online-Diskurs prägen. Zusammen machen beide Beiträge deutlich, wie Regierungsbotschaften in hybriden Medienumgebungen aufgenommen und weiterverarbeitet werden.
Die vollständigen Artikel finden Sie hier:
„Whom to Trust in Crises? The Influence of Communicator Characteristics in Governmental Crisis Communication“, erschienen in Media and Communication: https://doi.org/10.17645/mac.10425
„When Crisis Conversations Converge: Linking Government Messaging and Online Responses during Covid-19“, erschienen in Risk, Hazards & Crisis in Public Policy:https://doi.org/10.1002/rhc3.70042
In den vergangenen Monaten war unser Projektteam intensiv damit beschäftigt, unsere Forschung und Analysen in konkrete Ergebnisse zu überführen. Viele unserer Beiträge haben sich von Entwürfen und Konferenzpräsentationen zu vollständigen Publikationen weiterentwickelt. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und einen Überblick darüber zu geben, was kürzlich veröffentlicht wurde.
Was über alle Publikationen hinweg auffällt, ist die thematische Breite unserer Untersuchungen: Wie Regierungen kommunizieren, wer kommuniziert, wie die Medien diese Botschaften aufgreifen und wie Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten reagieren. Die Studien basieren auf unseren Daten zu Regierungspressekonferenzen und kombinieren diese mit zusätzlichem Material wie Zeitungsartikeln und ländervergleichenden Informationen. Dadurch hebt jeder Beitrag unterschiedliche Dimensionen von Krisenkommunikation hervor.
Wie die Medien auf Regierungskommunikation reagierten
Die erste dieser Publikationen stammt von Lore Hayek, die untersucht hat, wie Zeitungen Regierungspressekonferenzen während COVID-19 darstellen. Ihre Analyse zeigt, dass einige Zeitungen die Regierungsbotschaften eher positiv wiedergaben, während andere deutlich skeptischer waren. Zudem variierte dies stark zwischen Ländern und Zeitungstypen. Pressekonferenzen prägten eindeutig die Medienagenda, aber Tonfall und Schwerpunktsetzung unterschieden sich erheblich.
Den vollständigen Artikel „Media Framing of Government Crisis Communication During Covid-19“, erschienen in Media and Communication, gibt es hier zu lesen: https://doi.org/10.17645/mac.7774
Wer spricht eigentlich für die Regierung?
In einer weiteren Publikation widmen sich Lore Hayek, Sarah C. Dingler und Martin Senn der Frage, wer in Krisenzeiten kommuniziert. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Regierungschefs insbesondere dann sichtbar sind, wenn wichtige Entscheidungen angekündigt werden aber nicht unbedingt dann, wenn sich die Krise zuspitzt. Die Präsenz von Führungspersonen scheint eher strategischen Überlegungen zu folgen als der unmittelbaren Krisendynamik. Diese Arbeit liefert eine wichtige Perspektive auf die Choreografie politischer Kommunikation in volatilen Zeiten.
Den vollständigen Artikel „Who Gets to Speak When the Rook Is on Fire? Leadership in Political Crisis Communication“, erschienen in Risk, Hazards & Crisis in Public Policy, gibt es hier zu lesen: https://doi.org/10.1002/rhc3.70012
Wie Regierungen Autorität durch Rhetorik herstellen
Mit einem weiteren Fokus auf Führung in Krisenzeiten untersuchen Martin Senn, Christian Schwaderer, Lore Hayek und Sarah C. Dingler die rhetorischen Bausteine, auf die Regierungen zurückgreifen, um Autorität zu schaffen und die öffentliche Wahrnehmung zu steuern. In zehn Ländern identifiziert der Beitrag vier wiederkehrende rhetorische Stile – von informationsorientierten Ansätzen über führungsorientierte und handlungsorientierte bis hin zu bewusstseinsorientierten Stilen. Regierungen nutzen diese Stile auf unterschiedliche Weise, und der Artikel bietet einen groß angelegten Versuch, diese Muster systematisch zu kartieren.
Den vollständigen Artikel „Mapping rhetorical styles in political crisis communication“, erschienen in Policy Studies, gibt es hier zulesen: https://doi.org/10.1080/01442872.2025.2546385
Von April bis Juni 2025 verbrachte der Doktorand in unserem Projekt, Christian Schwaderer, einen Forschungsaufenthalt am Department of Journalism, Media and Communication (JMG) der University of Gothenburg. Der Aufenthalt bot eine gute Gelegenheit, sich mit Forschenden auszutauschen, die Krisen- und politische Kommunikation aus unterschiedlichen Perspektiven untersuchen.
Während seines Besuchs stellte Christian mehrere Elemente vor, mit denen sich unser Projekt derzeit beschäftigt. Unter anderem etwa ein Projektpaper, das untersucht, wie Regierungen Blame als strategisches Kommunikationsmittel in Krisenzeiten einsetzen. Dieses Thema führte zu interessanten Gesprächen über Schuldzuweisungen, öffentliche Wahrnehmung und die spezifische Situation in Schweden. Die Diskussionen brachten neue Perspektiven in das Projekt ein, und wir werden in kommenden Blogeinträgen mehr darüber berichten.
Christian stellte außerdem Teile seiner Dissertation vor, darunter Arbeiten, die derzeit zu Artikeln ausgearbeitet werden, sowie das grundlegende Konzept der Dissertation. Das Feedback am JMG war in mehrfacher Hinsicht hilfreich, sowohl für die Überarbeitung einzelner Papers als auch für die Weiterentwicklung des übergeordneten theoretischen Rahmens. Zudem hielt Christian eine Gastvorlesung im Masterprogramm, in der er gemeinsam mit den Studierenden über zentrale Fragen der Krisenkommunikation diskutierte. Der Aufenthalt bot darüber hinaus viele Gelegenheiten, sich mit den dortigen Doktorand:innen auszutauschen und Einblicke in deren Forschungsprojekte, Methoden und akademischen Alltag zu bekommen.
Wir danken allen Kolleg:innen am JMG für die interessanten Gespräche und die angenehme Zusammenarbeit während Christians Aufenthalt. Die gewonnen Erkenntnisse fließen bereits in unser Projekt ein, und wir freuen uns auf weiteren Austausch.
Wir freuen uns sehr über die Veröffentlichung unseres Papers „Everyone will know someone who died of Corona: Government threat language during the COVID-19 pandemic“ im European Journal of Political Research. Die Publikation markiert einen wichtigen Meilenstein in unserem Projekt: Es handelt sich um den ersten Artikel, der auf unserem Datensatz zu Regierungspressekonferenzen in 17 OECD Ländern und drei US-Bundesstaaten basiert. Hier geht es zum Artikel: https://doi.org/10.1111/1475-6765.12676
In diesem Artikel untersuchen wir, wie Regierungen in der Anfangsphase der Pandemie Bedrohungsrhetorik als Element der Krisenkommunikation einsetzten, um sowohl das öffentliche Bewusstsein und die Bereitschaft zur Einhaltung von Maßnahmen zu, was jedoch Übernutzung auch unerwünschte Angst erzeugen kann. Auf Basis von mehr als 1.100 Pressekonferenzen zeigen wir, dass Bedrohungsrhetorik nicht zufällig eingesetzt wurden, sondern klaren Mustern folgten. Ein zentrales Ergebnis ist, dass das Themengebiet deutlich wichtiger ist als die Frage, wer spricht. Bedrohungsapelle traten besonders häufig auf, wenn es um Themen im Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem oder der öffentlichen Verwaltung ging, was die extreme Belastung von Krankenhäusern, medizinischer Infrastruktur und Verwaltung im Frühjahr 2020 widerspiegelte.
Unsere Studie zeigt außerdem genderspezifische Unterschiede in der Verwendung von Bedrohungsrhetorik. Während Sprecher:innen in unterschiedlichen Rollen Bedrohungsapelle insgesamt ähnlich häufig nutzen, setzen Männer sie häufiger ein als Frauen, ein Befund, der bestehende Forschung über genderspezifische Kommunikationsstile widerspiegelt. Gleichzeitig veränderte sich die Regierungskommunikation im Verlauf der Pandemie: Während zunächst nahezu ausschließlich Gesundheitsrisiken betont wurden, verschob sich die Kommunikation zunehmen auf Themen wie das alltägliche Leben, Bildung und wirtschaftliche Auswirkungen. Damit nahm die Vielfalt der kommunizierten Bedrohungen zu, wie Abbildung 1 zeigt.

Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass sich die Krisenkommunikation verschiedener Länder stärker ähnelte, als bisher angenommen wurde: Angesichts einer vergleichbaren Herausforderung tendierten Regierungen dazu, sich in ihrer Kommunikation über Risiken und Gefahren anzugleichen. Wir freuend uns, dass diese Forschung nun veröffentlicht wurde, und hoffen, dass sie dazu beiträgt, besser zu verstehen, wie Regierungen in Krisen informieren, ohne dabei unbeabsichtigt Ängste zu schüren. Weitere Publikationen folgen!
Wir fühlen uns geehrt, eine aktualisierte Version unseres Papiers auf dem "Tag der Politikwissenschaft 2022" präsentieren zu dürfen, der von der Universität Graz ausgerichtet wurde. Diese in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) organisierte Veranstaltung soll als Forum für die Diskussion aktueller Forschungsarbeiten dienen und zu einer stärkeren Vernetzung erfahrener Forscherinnen und Forscher mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beitragen.
Unser Paper mit dem Titel "What should we be afraid of? - Threat narratives in government crisis communication during COVID-19" untersucht Pressekonferenzen als Instrumente der politischen Krisenkommunikation. Konkret beschäftigen wir uns mit den Faktoren, die die Intensität und Natur von Bedrohungsappellen, ihre Häufigkeit und ihre spezifische Verwendung in der Krisenkommunikation von Regierungen während der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie beeinflussten. Wir greifen auf einen selbst erstellten Datensatz zurück, bestehend aus übersetzten Transkripten von Ansprachen und Pressekonferenzen von nationalen bzw. bundesstaatlichen Regierungen, Regierungschefs und Staatsoberhäuptern aus 17 OECD-Ländern und drei US-Bundesstaaten. Die Daten wurden während der ersten Phase der Pandemie Anfang 2020 gesammelt. Darüber hinaus verwenden wir seperate aggregierte Sekundärdaten zu biografischen Informationen über die Sprechenden, die epidemiologische Situation und das jeweilige politische System. Wir nutzen dann verschiedene Ansätze der automatisierten Textanalyse, um rhetorische Strategien zu identifizieren und zu zeigen, wie Regierungen und Staatsoberhäupter die Krisenkommunikation im Laufe der Pandemie anpassen.
Unsere Forschung trägt zur bestehenden Literatur über Krisenkommunikation und die politischen Folgen der Covid-19-Pandemie bei, indem sie die Krisenkommunikation von Regierungen und Staatsoberhäuptern vergleichend untersucht. Die ersten Ergebnisse sind bereits vielversprechend. Wir können nicht nur eine bemerkenswert ähnliche politische Krisenkommunikation über Länder hinweg aufzeigen, sondern haben in der Textanalyse auch mehrere signifikante Unterschiede in der Krisenkommunikation hinsichtlich der Verwendung von Bedrohungsnarrativen im Bezug auf thematische, zeitliche und geschlechtsspezifische Dimensionen festgestellt.
Der "Tag der Politikwissenschaft 2022" war eine großartige Gelegenheit, weiteres Feedback zu unserer Forschung zu erhalten und sich mit anderen Nachwuchsforscherinnen und -forschern aus dem ganzen Land zu vernetzen. Vielen Dank nochmals an die Universität Graz und an die Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) für die erfolgreiche Ausrichtung der Veranstaltung. Wir freuen uns bereits auf die D-A-CH-Konferenz 2023 an der Johannes-Kepler-Universität in Linz: https://www.oegpw.at/oegpw-konferenzen.
Wir freuen uns, unser Paper auf der ECPR-Konferenz im August 2022 in Innsbruck präsentieren zu dürfen. Die Konferenz ist eine der angesehensten Veranstaltungen im Bereich der politischen Kommunikationsforschung, und wir fühlen uns geehrt, unsere Forschung einem internationalen Publikum von Wissenschaftlern und Praktikern vorstellen zu können. Da unsere Universität auch die Veranstaltung ausrichtet, werden die kommenden Tage mit Sicherheit ereignisreich.
Unser Papier mit dem Titel "What should we be afraid of? - Threat narratives in government crisis communication during COVID-19" untersucht Pressekonferenzen als Instrumente der politischen Krisenkommunikation. Wir argumentieren, dass das politische System eines Landes, der Verlauf der Pandemie und der Zustand des nationalen Gesundheitssystems eines Landes systematisch die Art und Weise beeinflussen, wie Bedrohungen - z.B. für die (individuelle oder kollektive) Gesundheit, die Wirtschaft, die Sicherheit oder die Freiheit - in der Krisenkommunikation von Regierungen konstituiert werden. Wir greifen auf einen einzigartigen und neu generierten Datensatz von 1013 Pressekonferenzen zurück, die von Regierungschefs und Staatsoberhäuptern in 17 OECD-Ländern in der ersten Phase der Pandemie Anfang 2020 abgehalten wurden, und nutzen verschiedene Ansätze der automatisierten Textanalyse, um rhetorische Strategien zu identifizieren und zu zeigen, wie Regierungen und Staatsoberhäupter die Krisenkommunikation im Verlauf der Pandemie anpassen. Unser Paper trägt zur bestehenden Literatur über Krisenkommunikation und politische Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bei, indem es Kommunikationsstrategien von Regierungen in der Covid-19 Krise vergleichend untersucht.
Die ECPR-Konferenz ist eine großartige Plattform für uns, um von Experten auf diesem Gebiet Feedback zu unserem Paper zu erhalten und uns mit anderen Forschern zu vernetzen. Wir freuen uns darauf, an fruchtbaren Diskussionen teilzunehmen und über die neuesten Entwicklungen in der politischen Krisenkommunikation zu hören. Wir sind auch darauf gespannt, den Konferenzteilnehmenden unsere schöne Stadt Innsbruck zu zeigen und vielleicht auch das ein oder andere Getränk bei der Networking-Veranstaltung nach den Präsentationen zu teilen. Der uibk Newsroom wird darüber auch kontinuierlich berichten: https://www.uibk.ac.at/de/newsroom/2022/1700-politikwissenschaftlerinnen-trafen-sich/
Effektive Krisenkommunikation hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt spielt aber die Person hinter dem Rednerpult eine wesentliche Rolle.[1] Wer spricht hier zur Bevölkerung? Unser Projekt analysiert über 1100 Pressekonferenzen von 17 OECD Mitgliedsländern zwischen Jänner und Juli 2020, daher ist die vollständige Liste der Sprecher*innen zu weitreichend, als dass sie hier im Detail diskutiert werden könnte. Zukünftige Publikationen werden sich allerdings genauer mit den Daten auseinandersetzen. Einstweilen soll an dieser Stelle eine Übersicht der generellen Datenlage zu Sprecher*innen gegeben werden, konkret betreffend der Anzahl von Sprecher*innen im Zuge von Pressekonferenzen, siehe dazu Abbildung 1.

An erster Stelle - sowohl alphabetisch als auch numerisch - steht Österreich, mit satten 53 Sprecher*innen während des Analysezeitraums, dicht gefolgt von Schweden, mit beinahe 50 Sprecher*innen, Island, mit runden 45, und - wenig überraschend - Südkorea, mit knapp über 40 Sprecher*innen. Im starken Kontrast dazu steht unter anderem Chile, deren Krisenkommunikationsstrategie sich auf lediglich drei Personen stützte - konkret Präsident Sebastián Piñera, welcher in der überwiegenden Mehrheit der Pressekonferenzen allein auftrat, und letztlich nur ein einziges Mal, bei der Ankündigung von Lockerungen, von Gesundheitsminister Enrique Paris und Fachberaterin Dr. María Teresa Valenzuela unterstützt wurde. Die Türkische Kommunikationsstrategie war ähnlich minimalistisch aufgestellt. Nur zwei Individuen sprachen im Analysezeitraum vor den Fernsehkameras: Präsident Erogan und Gesundheitsminister Dr. Fahrettin Koca. Der Preis für die geringste Anzahl an Sprecher*innen ginge allerdings an Kanada, deren Premierminister Justin Trudeau über den gesamten Analysezeitraum der einzige öffentliche Kommunikator blieb. Aus dieser kurzen Übersicht wird bereits klar, dass verschiedene Regierungen stark divergierende Kommunikationsstrategien umzusetzen versuchten. Im weiteren Verlauf des Projektes sollen externe Faktoren, welche zu diesen Divergenzen beigetragen haben, genauer untersucht werden.
Von Andreas M. Kraxberger und Christian Schwaderer
[1]Seeger, Matthew W. (2006). “Best practices in crisis communication: An expert panel process.” Journal of applied communication research, 34 (3): 232-244.
Pressekonferenzen waren vor Beginn der Pandemie nur für eine begrenzte Öffentlichkeit von Journalist*innen interessant. In den Medien wurde darüber zwar berichtet, live wurden diese allerdings von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung nicht verfolgt. Das veränderte sich drastisch, als Regierungen weltweit realisierten, dass in der beginnenden Pandemie regelmäßige Kommunikation mit der Gesamtbevölkerung über sich stetig ändernde Tatsachen notwendig werden würde. Pressekonferenzen wurden also rasch zu einem Fixpunkt im Pandemiemanagement. Ganze Nationen saßen gespannt vor den Fernsehgeräten, während die Regierungschefs weltweit neue Fallzahlen bekanntgaben, Maßnahmenänderungen ankündigten und einer besorgten Bevölkerung Trost zu spenden versuchten. Dieser einzigartige Fokus auf Pressekonferenzen als Hauptmittel der offiziellen Regierungskommunikation brachte uns dazu, Pressekonferenzen als unsere Analyseeinheit auszuwählen.
Pressekonferenzen waren essentiell in der Anfangsphase der Covid-19 Pandemie, allerdings zeigt unsere Forschung, dass die Häufigkeit der abgehaltenen Pressekonferenzen zwischen den Ländern in unserer Studie stark variiert, siehe Abbildung 1.

In Südkorea wurden mit 337 mit Abstand die meisten Corona-Pressekonferenzen abgehalten. Die südkoreanische Regierung konnte während der MERS-Epidemie 2018 [1] bereits wesentliche Erfahrungen im Bereich Krisenkommunikation sammeln, und setzte die gelernten Lektionen auch rigoros um, mit mindestens drei Pressekonferenzen täglich, in denen ausführlich über verschiedenste Aspekte der Pandemiebekämpfungsstrategie informiert wurde. Am anderen Ende des Spektrums liegt die Tschechische Republik. Im Vergleich zum Rest der untersuchten Länder wirken neun Pressekonferenzen relativ wenig, allerdings muss dazu erwähnt werden, dass die durchschnittliche Länge der respektiven Pressekonferenzen in Tschechien diese Schieflage deutlich ausgleicht, siehe dazu Abbildung 2. Abgesehen davon liefern sich drei Länder - Spanien, Schweden und Neuseeland - ein Kopf-an-Kopf Rennen um den zweiten Platz in der Anzahl von Pressekonferenzen. Ihre Pandemiebekämpfungsmaßnahmen jedoch weisen immense Variation auf - die Strategien von Schweden und Neuseeland beispielsweise könnten kaum unterschiedlicher sein. Es ist dennoch bemerkenswert, wie sehr sich die Anzahl der Pressekonferenzen in den einzelnen Ländern teilweise ähnelt.
Ein etwas verändertes Bild ergibt sich, wenn man den Blick auf die Anzahl der Stunden an Videomaterial aus den jeweiligen Pressekonferenzen wirft, siehe Abbildung 2. Die zuvor genannte Tschechische Republik wird als Schlusslicht von Chile mit nur 5 Stunden und 50 Minuten Videomaterial abgelöst, und ist stattdessen im Mittelfeld bei Ländern wie der Türkei, Deutschland, Kanada, Belgien und Italien angesiedelt.

Südkorea ist dennoch weiterhin unangefochten an erster Stelle, mit einer Gesamtlänge von 160 Stunden und 6 Minuten an Videomaterial. Das entspricht fast einer vollen Woche ununterbrochenem Fernsehprogramm. An den obigen Abbildung lassen sich klar unterschiedliche Ansätze der Krisenkommunikation erkennen. Unser Forschungsprojekt wird sich weiterhin mit den zugrundeliegenden Faktoren, die solche Entscheidungen beeinflussen könnten befassen und im Zuge dessen das kollektive Verständnis von regierungsgeführter Krisenkommunikation vorantreiben.
Von Andreas M. Kraxberger und Christian Schwaderer
[1] Oh, Myoung-don, Wan Beom Park, Sang-Won Park, Pyoeng Gyun Choe, Ji Hwan Bang, Kyoung-Ho Song, Eu Suk Kim, Hong Bin Kim, and Nam Joong Kim. (2018).
Die sich schnell ausbreitende Covid-19 Pandemie stellte Regierungen weltweit vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere in der Vermittlung von Informationen zu Beginn der Pandemie und Ausarbeitung umfassender Kommunikationsstrategien. Dinge, die wir inzwischen als gegeben, oder schlimmer noch, als unnötig und nervenraubend wahrnehmen - etwa die in Regelmäßigkeit abgehaltenen Pressekonferenzen, Covid-Sicherheitskampagnen oder das Einsetzen von etablierten Krisenteams - stellten im Kontext einer sich ständig wandelnden Krisensituation einen immensen logistischen Aufwand für Regierungen dar. Literatur zum Thema Krisenkommunikation suggeriert allerdings, dass diese anfängliche Phase wesentlich für gelungenes Krisenmanagement ist . [1]Unser Projekt befasst sich daher näher mit dieser kritischen Zeitspanne, dem breiteren Kontext, in dem Kommunikationsstrategien entwickelt wurden, der Analyse besagter Strategien und den aufkommenden Unterschieden zwischen Staaten und Akteuren. Die Resultate der Untersuchungen werden in weiterer Folge veröffentlicht werden, um das Verständnis von Regierungskommunikation in Krisenzeiten zu erweitern. Der Fokus auf im Fernsehen gezeigte Pressekonferenzen als wichtigstes Kommunikationsmedium, Regierungsmitglieder und Staatsoberhäupter von 17 OECD-Mitgliedsländern als wichtigste politische Akteure und die Anfangsphase der Pandemie als distinktive Zeitspanne ermöglicht uns, verwendete Kommunikationsstrategien und externe Einflussfaktoren umfassend zu analysieren.
Bevor wir in zukünftigen Blogposts und Publikationen näher auf konkrete Kommunikationsstrategien eingehen, geben wir eine grobe Übersicht des eigens für dieses Projekt erstellten Datensatzes, der in weiterer Folge auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden wird. Ein wesentlicher Faktor des Krisenmanagements ist der zeitliche Aspekt. Obwohl die Covid-19 Pandemie nahezu jeden Staat dieser Welt betraf - wenn auch nicht in selbem Ausmaß - variieren die spezifischen Zeitverläufe zwischen Staaten erheblich, siehe Abbildung 1.

Die erste Regierungspressekonferenz zum Thema Covid-19 wurde am 20. Jänner 2020 in Südkorea abgehalten, knapp drei Wochen, nachdem das neue Coronavirus entdeckt wurde. Im Kontrast dazu steht die Türkei, in der die erste Pressekonferenz zu Covid-19 erst am 18. März 2020 abgehalten wurde. Die Türkei ist damit in vielerlei Hinsicht ein Spezialfall. Mehr dazu in zukünftigen Blogposts und Publikationen. Einstweilen gilt es zwei Aspekte der Abbildung besonders zu unterstreichen. Erstens, die erhebliche Variation zwischen Staaten bezüglich des Zeitpunkts der ersten Pressekonferenz in Relation zum ersten bestätigten Fall von Covid-19 in dem jeweiligen Land. Manche Regierungen - beispielsweise Neuseeland, Italien und Israel - begannen regelmäßig Pressekonferenzen abzuhalten, noch bevor der erste Fall im Staatsgebiet bestätigt wurde, während Länder wie Deutschland, Frankreich und Belgien teilweise Wochenlang zuwarteten, bevor erste öffentliche Statements abgegeben wurden. Zweitens sind die starken Unterschiede in der Länge der Anfangsphase zwischen Staaten hervorzuheben. Wir definieren die Anfangsphase der Pandemie als die Zeitspanne zwischen der ersten abgehaltenen Pressekonferenz und dem ersten Lockern von Maßnahmen. Nach dieser Definition hängt die Länge der Anfangsphase natürlich stark von der respektiven epidemiologischen Situation ab, wie beispielsweise in Chile, wo nach der ersten Ankündigung von baldigen Lockerungen die Fallzahlen so drastisch in die Höhe schossen, dass die Anfangsphase bis Mitte Juli verlängert werden musste. [2] Allerdings trugen auch andere Faktoren potenziell zur Dauer und länderspezifischen Auswahl der Krisenkommunikationsstrategien bei, diese sollen in kommenden Publikationen näher betrachtet werden.
Von Andreas M. Kraxberger und Christian Schwaderer
[1] Claeys, A. S., & Opgenhaffen, M. (2016). Why practitioners do (not) apply crisis communication theory in practice. Journal of Public Relations Research, 28(5-6), 232-247.
[2] Tariq, A., Undurraga, E. A., Laborde, C. C., Vogt-Geisse, K., Luo, R., Rothenberg, R., & Chowell, G. (2021). Transmission dynamics and control of COVID-19 in Chile, March-October, 2020. PLoS neglected tropical diseases, 15(1), e0009070.

Funded by the Austrian Science Fund (FWF)