22. 10. 2025
16.45 - 18.15
Seminarraum VI (Theologie) | Karl-Rahner-Platz 3, 1. Stock
Der Begriff der Wahrheit ist in modernen Rechts- und Verfassungsordnungen ortlos. Die Positivierung des Rechts folgt einem von Thomas Hobbes formulierten Leitsatz: Auctoritas, non veritas, facit legem. Die Autorität, also der legitime Gesetzgeber, nicht jedoch die Wahrheit, weder eine göttliche noch eine sittliche, setzt das Recht. Auch die Verfassungsordnung einer liberalen Demokratie begründet keine Wahrheits-, sondern eine Freiheitsordnung. Nun besteht aber ein Symptom der Krise der Demokratie darin, dass das Vertrauen in die Verlässlichkeit des demokratischen Verfassungsstaates schwindet. In dieser Sorge aber artikuliert sich allerdings das praktische Interesse an der Wahrheit: Wahr ist, was für uns verlässlich bekannt und deshalb vertraut ist. Somit stellt sich nun doch in demokratischen Freiheitsordnungen die Frage nach der Wahrheit. Dieser verfassungsrechtlich und politisch-theologisch wenig beleuchtete Zusammenhang ist Grund genug, nach dem Verhältnis von Wahrheit und Freiheit zu fragen.
Georg Essen ist Universitätsprofessor für Systematische Theologie am Institut für katholische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Zweitmitglied an der dortigen Juristischen Fakultät. Weitere Stationen: Professur für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Nijmegen und Professur für Religionstheorie an der dortigen Fakultät für Philosophie, Religionswissenschaft und Theologie; Professur für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Christologie, Gotteslehre und Geschichtstheologie, Theologie der Moderne, Politische Theologie, Religionsverfassungsrecht und Staatsrecht.