Das humanistische Menschen- und Weltbild in der deutschsprachigen Dialogliteratur der Frühen Neuzeit: Untersuchungen zu Transfer-, Diffusions- und Transformationsprozessen
Christian Rainer
Die Dissertation untersucht den kulturellen Transfer des humanistischen Menschen- und Weltbildes aus der lateinischen Gelehrtenkultur in die deutschsprachige Volkskultur anhand frühneuzeitlicher Dialoge in der Volkssprache. Ausgehend von vier lateinischen Traktaten italienischer Renaissance-Humanisten werden vier zentrale Ideale des humanistischen Menschen- und Weltbildes definiert, die im Anschluss in sieben populären deutschsprachigen Dialogen aus den Jahren 1400 bis 1527 hinsichtlich ihrer Funktionen analysiert werden. Geleitet wird die Untersuchung von der Annahme, dass die Verbreitung des humanistischen Menschen- und Weltbildes in diesen Dialogen nicht von allein passierte, sondern von zentralen Akteuren ausgelöst und gesteuert wurde. Um die Rezeption der Dialoge bestmöglich zu erfassen, werden die Paratexte der Druckausgaben und allfällige literarische Adaptionen bis zum Ende des 16. Jh. genauer beleuchtet. Im letzten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der Analyse mit drei Konzepten kulturellen Wandels in Beziehung gesetzt. Anhand des dreigliedrigen Strukturmodells der Kulturtransferforschung wird gezeigt, dass das humanistische Menschen- und Weltbild in den untersuchten Dialogen von verschiedenen Vermittlern in selektiver Form in die deutschsprachige Volkskultur transferiert wurde und dort in Form von gerichteten und ungerichteten Rezeptionsprozessen seine mitunter äußerst innovative Aufnahme fand. Dadurch soll einmal mehr vor Augen geführt werden, dass der Vergleich mit einem Original, das richtig oder falsch verstanden wird, entschieden zu kurz greift, um kulturelle Transferprozesse vollumfänglich zu erfassen.