Leonie Hasenauer
Von den Pinzgauer zu den Friulaner Amenities. Leonie Hasenauer und geographische Kulturlandschaftsforschung Unchained
Im Rahmen ihres Lehramtsstudium Anglistik und Geographie und Wirtschaftskunde hatte sich Leonie Hasenauer mit Life StyleMigration und Amenity Residenzen beschäftigt, eine Problematik, die sie in der Diplomarbeit über den Pinzgau aufgriff. Ihr kritisches Herangehen an die Thematik, das gezeigte Engagement sowie ihre Sprachkenntnisse veranlassten den Leiter der Arbeitsgruppe „Demographic Change in the Alps – Ethnic Minorities and Refugees“, ihr die Mitarbeit am FWF-Forschungsprojekt „Klein-Europa vor dem Verschwinden“ anzubieten. So entstand zu Beginn des Jahres 2020 die Idee einer kumulativen Dissertation über deutsch- und slowenischsprachige Minderheiten im nördlichen Friaul. Vier Jahre später stellte sie sich mit neun Publikationen, die sie in ihre Doktorarbeit eingebettet hat, dem Rigorosum – das sie bravourös absolvierte. Frau Dr. Hasenauer hat mit den Projektmitarbeitern einerseits neue kulturlandschaftliche Theorien, wie SymbolischeEthnizität und Linguistic Landscape präzisiert bzw. mitbegründet, andererseits mit ihrem neuen Ansatz im Bereich Minderheiten und Ernährung wissenschaftliches Neuland betreten. Ihre Forschungen hat sie neben einigen Vorträgen in Friaul ebenso im DK “Austrian Studies“, dessen stellvertretende Sprecherin sie bis zum Projektende im Jänner 2023 war, mehrfach eingebracht. Zudem war sie an der Organisation der Ringvorlesung „Kommen und Gehen, damals und heute. Der Einfluss von Migration auf (Alt-)Österreichs Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur-Landschaft“ wesentlich mitbeteiligt, die in einem inspirierenden DK-Sammelband mündete. Leonie Hasenauer ist Mitherausgeberin dieser Publikation (Austrian Studies 1, Innsbrucker Beiträge, 2023). Das gesamte DK-Kolleg mit Leiter Univ.-Prof. Dr. Kurt Scharr sowie alle PhD-Studierenden der beiden FWF-Projektteams der Arbeitsgruppe gratulieren der frischgebackenen Frau Doktor herzlichst. Das Allerbeste für die neuen beruflichen sowie akademischen Herausforderungen!
Ernst Steinicke
The demise of „Little Europe“
Assimilation and cultural landscape in North-East Italy
Im Rahmen des FWF-Projekts „The demise of ‘Little Europe’ - Assimilation and cultural landscape in North-East Italy” bearbeiten Anna-Maria Plautz und Leonie Hasenauer unterschiedliche Fragestellungen und verfassen eine kumulative Dissertation am Institut für Geographie.
Im Fokus stehen die autochthonen Minderheiten des Kanaltals, einer an Österreich und Slowenien grenzenden Region im Nordosten Italiens (in Friaul-Julisch Venetien). Zudem wird die ethnolinguistische und demographische Entwicklung weiterer Minderheiten in deutschen und slowenischen Sprachinseln friulanischer Gebirgsregionen untersucht. Die Untersuchungsgebiete zeichnen sich durch deren einzigartige historische Entwicklung aus. Bereits die ersten nennenswerten Siedlungstätigkeiten waren germanisch. Als ehemaliges Territorium der Habsburgermonarchie durchlebte die Bevölkerung des Kanaltals nach 1918 – jedoch ohne rechtlichen Minderheitenschutz oder Autonomiebestimmungen – einen ähnlichen ethnopolitischen Einschnitt wie die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols.
Diese historischen Verbindungen zum deutschen und slowenischen Sprachraum begründen nicht nur die einzigartige Mehrsprachigkeit auf kleinstem Raum, sondern auch persistente Altkärntner und -krainer bzw. Osttiroler Kulturlandschaftselemente. Neben der historischen politischen und sozioökonomischen Situation gehen wir insbesondere auf demographische und ethnolinguistische Entwicklungen bis in die Gegenwart ein. Während der Bestand der autochthonen Sprachvielfalt durch mehrere Faktoren gefährdet ist, dauern Kulturlandschaftselemente beispielsweise als Baustil, Siedlungsform oder agrarische Kleinform fort, und stellen ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zur restlichen friulanischen Kulturlandschaft dar.
Dem traditionell geographischen Gebiet der Kulturlandschaftsforschung fügen wir in unseren Untersuchungen auch den linguistischen Aspekt hinzu, indem wir die linguistische Landschaft (LL) als Teilgebiet der Kulturlandschaft untersuchen. Die LL kann nicht nur als Indikator der einstigen Mehrsprachigkeit sondern auch der gegenwärtigen Sprachnutzung im öffentlichen Raum fungieren.
Unsere Hypothese ist, dass parallel zum Abklingen der autochthonen Ethnizität eine neue, mit dem Romanischen verwobene Regionalidentität, welche durch räumlich manifestierte Spezifika bestärkt wird, emergiert. Die komplexe Entwicklung der kollektiven sowie individuellen Identität(en) verhindert jegliche Vorhersehbarkeit. Dem soll durch Langzeitbetrachtungen und Mixed-Methods-Ansätzen entgegengesteuert werden. Zudem ist es auch geplant, neuartige Impulse, welche von Newcomern und New Farmers ausgehen und die Untersuchungsregionen einem neuerlichen Wandeln aussetzen dürften, zu analysieren.