Tagungsbericht 

Vom 5. bis 7. Dezember 2024 fand die Tagung „Materialistisch-(queer)feministische Perspektiven auf Gewalt“ im Künstler*innenhaus Büchsenhausen in Innsbruck statt. Die Tagung wurde vom Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Gender und Diversity des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin veranstaltet. Organisiert wurde die Tagung von Gundula Ludwig, Leiterin des CGI, Laura Volgger, Mitarbeiterin am CGI, und Friederike Beier von der FU Berlin. Für drei Tage führten etwa 100 internationale Teilnehmer*innen interdisziplinäre und intersektionale Dialoge, bei denen Theorieansätze von Gewalt und praktische Ansätze zur Begegnung mit Gewalt miteinander verbunden wurden.

Gewalt als Ausgangspunkt gesellschaftlicher Analysen

Die Tagung fokussierte Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen als strukturelles Phänomen. Ausgehend von der These, dass Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen mit gesellschaftlichen Strukturen verwoben ist, beleuchteten die 33 Vortragenden in acht thematisch gebündelten Panels deshalb, wie Gewalt mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, cis-heteronormativen Institutionen, ökonomischen Zwängen und kolonialen und rassistischen Logiken verwoben ist.

Besonderes Augenmerk lag auf der Frage, wie materialistische und (queer)feministische Theorieansätze dazu beitragen können, die Verwobenheit von Kapitalismus, Geschlechterungleichheit, Cis-Zweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität und Gewalt besser zu verstehen. Inspiriert von Theoretiker*innen wie Silvia Federici, Judith Butler und María Lugones wurden Kapitalismus und Gewalt als mehrdimensionale Phänomene betrachtet, die sich in Körper, Subjekte und gesellschaftliche Verhältnisse einschreiben. Die Vortragenden griffen diese Impulse auf und diskutierten u.a. wie staatliche Institutionen Gewalt normalisieren und somit (re-)produzieren, und aktuelle Erosionen von Demokratien und damit einhergehende Gewaltphänomene wie Antifeminismus und Trans*feindlichkeit. Besonders bewegend waren Beiträge, die die alltäglichen Kämpfe von Betroffenen und emotionale Sorgearbeit in den Fokus rückten. Um nicht bei dieser ernüchternden Analyse zu bleiben, gab es außerdem Beiträge zu queerfeministischen Strategien und Protesten, um auch in der Praxis ‚Schweigen als Gewalt‘ zu brechen.

Es wurde deutlich, wie wichtig und empowernd ein emanzipatorisches Zusammenkommen und der Austausch über diverse gesellschaftliche Gewaltverhältnisse ist, um gemeinsam dagegen anzukämpfen. Besonders in Zeiten des globalen Rechtsrucks und zunehmender Herausforderungen gesellschaftlicher Konsensfindung stellen queerfeministische Diskursräume eine enorme Bereicherung dar. Einen solchen Raum konnte die Tagung schaffen.

Highlights der Tagung:

1) Online-Keynote von Silvia Federici

Ein zentraler Höhepunkt der Tagung war die Online-Keynote-Lecture von Silvia Federici. Unter dem Titel „Capitalist Development, the War against Social Reproduction and Feminist Struggle“ thematisierte die feministische Pionierin von Reproduktionstheorien und -kämpfen die tiefgreifenden Verbindungen zwischen kapitalistischer Entwicklung und der Zerstörung sozialer Reproduktionsverhältnisse. Die anschließende Diskussion bot eine Gelegenheit, Federicis Perspektiven mit den theoretischen Ansätzen der Tagung in Beziehung zu setzen.

2) Zwischen Theorie und Praxis: Solidarischer Austausch und Vernetzung 

 

Die Tagung bot nicht nur Raum für intellektuelle Auseinandersetzungen, sondern auch für das Knüpfen von und den Ausbau von Netzwerken. In den Pausen wurde das Catering von der feld:schafft begeistert angenommen. Die Genossenschaft zeigte, wie nachhaltige Ressourcennutzung und soziale Verantwortung Hand in Hand gehen können: Aus Lebensmitteln, die nicht der „Norm“ entsprachen, wurden vegetarische und vegane Köstlichkeiten zubereitet, die zu weiterführenden Gesprächen am Buffet einluden.

Fazit

Die Tagung „Materialistisch-(queer)feministische Perspektiven auf Gewalt“ war ein inspirierender und erkenntnisreicher Beitrag zur Weiterentwicklung intersektionaler Gesellschaftstheorie. Sie machte nicht nur die Verwobenheit von Gewalt und gesellschaftlichen Strukturen sichtbar, sondern eröffnete auch neue Perspektiven darauf, wie emanzipatorische Praktiken gedacht und gelebt werden können.Das Tagungs-Organisationsteam bedankt sich bei allen Referent*innen, Teilnehmer*innen und Mitorganisator*innen, die durch ihre Beiträge und ihre Präsenz für eine angenehme Atmosphäre gesorgt und die Tagung so zu einem bereichernden Erlebnis gemacht haben. Ein großer Dank geht deshalb auch an das Künstler*innenhaus Büchsenhausen, dessen Räumlichkeiten maßgeblich dazu beigetragen haben.

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