Erinnerungen an Walter Methlagl
Walter Methlagl … der Dissertant!

Walter Methlagl arbeitete seit 1960 an seiner philosophischen Dissertation „Der Brenner“ – Weltanschauliche Wandlungen vor dem Ersten Weltkrieg. Sein Betreuer Prof. Hans Windischer stellte den Kontakt zum Herausgeber des Brenner Ludwig von Ficker her.
Diese Begegnung ging weit über wissenschaftliche Themen hinaus und sollte für Walter Methlagl lebensentscheidend werden. Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, nicht nur zu Ficker selbst, sondern zu dessen gesamten Familienverband. Diese wichtigen Jahre sind in Methlagls Brenner-Gesprächen[1] nachzulesen.
Als am 18. Jänner 2024 Bundesminister Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek das Forschungsinstitut Brenner-Archiv besuchte, waren Walter und Inger Methlagl unter den Gästen. Der offizielle Besuch wurde mit einem inoffiziellen Beisammensein im Archiv abgeschlossen. Walter Methlagl war glücklich und stolz auf „sein“ Archiv. Sein letzter Eintrag in das Gästebuch lautet: „Wir sind gerührt! / Walter Methlagl, der Alte! / …der Dissertant!“
Damit schließt sich ein Kreis.
Ich bin Walter Methlagl sehr dankbar – für sein Wohlwollen, seine Zuwendung und sein Vertrauen!
RIP
Ulrike Tanzer
[1] Methlagl, Walter: Brenner-Gespräche (1961-1967). Hrsg. v. Christine Riccabona, Ursula A. Schneider und Erika Wimmer. Forschungsinstitut Brenner-Archiv 2014.
Vgl. https://www.uibk.ac.at/media/filer_public/02/a0/02a043b3-83e8-44d1-ab94-c870cf200758/brenner-gespraeche.pdf
Lebensgeschichte
Zum Tode von Walter Methlagl
Vor sechzig Jahren begegnete ich Walter Methlagl in Innsbruck. Er war der erste Leiter des ›Brenner‹-Archivs, das Ludwig von Ficker aus seinem Haus gegeben hatte. Methlagl ordnete, organisierte und sammelte das Überlieferte. Er bewahrte noch zu Lebzeiten Fickers das Zerstreute. Schon während dieses ersten Besuches in Innsbruck nannte er mir eine Buchhandelsadresse: Dort kaufte man noch Originalhefte des Zeitschrift und Buchveröffentlichungen des ›Brenner‹-Verlags zu mäßigen Preisen. Methlagl verschaffte mir erste Einblicke in die Sammlung. Er wusste von Trakls Ausflügen ins »Koreth« unten am Mühlberg, die wir nachstellten. Der Grund meiner Reise nach Innsbruck: Ich hatte damals den Plan, nach einem Heft der Kösel-›Nachrichten‹ über Karl Kraus (1964), die Linien nachzuziehen, die sich zwischen der »Zeit- und Denkschrift« des ›Brenner‹ und dem Programm des Münchner Kösel-Verlags aufdrängten.
Dort, in München, waren unter Heinrich Wild und Friedhelm Kemp seit den späten vierziger Jahren Einzelbände und Werkausgaben erschienen von Peter Altenberg, Joseph Bernhart, Theodor Däubler, Ferdinand Ebner, Theodor Haecker, Werner Kraft, Karl Kraus, Else Lasker-Schüler, Gertrud von Le Fort oder Erik Peterson. Diese Autoren hatten im ›Brenner‹ publiziert oder waren seinem Herausgeber freundschaftlich verbunden. Das wollten wir, Walter Methlagl und ich, mit dem ›Nachrichten‹-Heft in 40 000 Exemplaren sichtbar machen. Das Heft: »›Der Brenner«. Leben und Fortleben einer Zeitschrift«, zu dem Methlagl die Einleitung geschrieben hat (1965).
›Der Brenner‹ und die ihm nahestehenden Autoren haben uns noch öfters zusammengeführt: Durch die sich über Jahre hinziehende Suche nach den Briefen von Karl Kraus an Sidonie Nádherný (1965-1974). Ludwig von Ficker erwirkte durch ein Gutachten beim österreichischen Bundesministerium für Unterricht in Wien den Durchbruch zur Finanzierung dieser Edition im Kösel-Verlag.
Auch das Fortleben des ›Brenner‹ hat, jedenfalls in der Lebensgeschichte des Unterzeichnenden, schöne Folgen: Mit der Edition des Briefwechsels Karl Kraus/Ludwig von Ficker im Jahr 2017. Zusammen mit Markus Ender und Ingrid Fürhapter konnte ich im Auftrag des Forschungsinstituts Brenner-Archiv der Universität Innsbruck diese Lebensfreundschaft in der ›Bibliothek Janowitz‹ veröffentlichen. Aus dieser Zusammenarbeit resultierte zwei Jahre später, nach mehr als einem halben Jahrhundert, die Übergabe meiner Karl Kraus-Sammlung an das Brenner-Archiv Innsbruck.
Friedrich Pfäfflin
Zum Gedenken an Walter Methlagl
1971 hat Walter Methlagl mir ein Thema für meine Dissertation vorgeschlagen und deren Betreuung übernommen; 1980 hat er mich ausgewählt, ihm beim Aufbau des Forschungsinstituts Brenner-Archiv zu helfen; 1990 hat er veranlasst, dass ich einen beträchtlichen Teil meiner Arbeitszeit für die Herausgabe der neuen historisch-kritischen Trakl-Ausgabe verwenden konnte. Stets hat er mich bei meiner Qualifizierung als Archivar, Editor und Kulturveranstalter unterstützt; darüber hinaus hat er mir genug Zeit eingeräumt, um eine eigenständige Forschung betreiben zu können. Für all das werde ich ihm zeitlebens dankbar sein.
In Erinnerung behalten werde ich ihn als gescheiten, humorvollen, herzensguten Menschen.
Eberhard Sauermann
Nachdenken über Walter Methlagl
Eine der Szenen, die man nie mehr im Leben vergisst. Es war im Sommer 2001. Hans Moser, damals Rektor der Uni Innsbruck, hatte uns, Walter und mich, in sein Büro bestellt, um die Übergabe der Geschäfte des Brenner-Archivs zu besprechen; Walter war nämlich, schon einige Wochen vor diesem Termin, als Vorstand des Instituts, seines Instituts, zurückgetreten … zermürbt, aus seiner Sicht, angesichts der alles zermalmenden Mühlen der Bürokratie. Aber zu dieser Unterredung hatte er einen Koffer mitgebracht, mit allen Büchern und Broschüren und Manuskripten, die er in der Zeit von 1964 bis 2001 in seinem Archiv gesammelt und publiziert hatte; als hätte er beweisen müssen, was die Uni ihm zu verdanken hatte, oder besser: zu verdanken gehabt hätte.
An dem Abend, an dem ich erfahren habe, dass Walter verstorben ist, ist mir als allererste wieder diese Szene in den Sinn gekommen. Auch, weil ich an diesem Abend eben wieder einmal in Dostojewskis Dämonen gelesen habe und dort auf diese Passage gestoßen bin:
Ich will ja nicht behaupten, daß er wirklich niemals zu leiden gehabt habe; ich habe mich jetzt jedoch endgültig überzeugt, daß er die Vorlesungen über seine Araber so lange hätte fortsetzen können, wie ihm beliebte, wenn er nur die nötigen Erklärungen abgegeben hätte. Er aber warf sich damals gleich in die Brust und schickte sich mit besonderer Eilfertigkeit an, sich selbst ein für allemal einzureden, daß seine Laufbahn vom „Wirbelsturm der Umstände“ für immer zerstört sei.
So wie sich der Erzähler Dostojewskis über Stepan Trofimowitsch Werchowenskij äußert, genau so hätten wir damals, im Sommer 2001, Walter vorhalten sollen und so haben wir ihm das wohl auch, freilich wahrscheinlich weniger entschieden vorgehalten, dass er sich da was einrede, dass er doch auf eine glänzende und keineswegs auf eine zerstörte Laufbahn zurückschauen sollte, seelenruhig. Was er als Leiter seines Instituts geleistet hat, das musste er doch längst niemandem mehr erläutern, Hans Moser und mir schon ganz und gar nicht.
Die Vorlesungen über seine Araber aber kann ich darüber auch nie vergessen. Ich hatte das Glück, seine allererste Vorlesung, die er damals gemeinsam mit Gerald Stieg gehalten hat, über die Struktur der modernen Lyrik, zu hören; das Feuer, mit dem er die von ihm ausgewählten Gedichte besprochen und analysiert hat, war unglaublich faszinierend, weil ein derartiges Engagement doch zu dieser Zeit noch in keiner anderen Lehrveranstaltung zu erleben, ja vielleicht von den Vorgesetzten nicht einmal erwünscht war.
Und so erinnere ich mich auch noch an das letzte Rigorosum, in dem wir beide gemeinsam als Prüfer mitzuwirken hatten. Es dürfte inzwischen mehr als 25 Jahre zurück liegen. Irgendwann fiel im Rahmen dieser Prüfung das Stichwort Trakl. Die Kandidatin war gerade dabei, über Grodek zu reden, als Walter plötzlich aufstand, sich kurz entschuldigte und das Zimmer verließ. Wir warteten und warteten, nach einiger Zeit kam er endlich zurück -- mit dem Original-Testamentsbrief, den er aus dem Panzerschrank des Archivs geholt hatte; und dann setzte er an, über diesen Brief und über Grodek zu reden und er hörte und hörte nicht mehr auf, so dass die Kandidatin (die am Ende trotzdem ein sehr gut bekommen sollte) gar nicht mehr zu Wort kam. Da war noch immer dasselbe Feuer am Werk, das uns in seiner ersten Vorlesung schon so beeindruckt hatte. Dieses Feuer, wo immer es um Literatur und Philosophie und um die Hinwendung zum Du ging, ist im „Wirbelsturm der Umstände“ nie erloschen und wird allen in Erinnerung bleiben, die einmal mit Walter Methlagl zu tun gehabt haben.
Johann Holzner
Walter Methlagl lernte ich Anfang der Achtzigerjahre kennen. Er war damals schon Mitglied im Kulturbeirat für Literatur und Theater des Landes; ich sollte als eben erst eingestiegener "Frischling" in der Kulturabteilung die Sitzungen protokollieren.
In dem freundlichen und offenen Wissenschaftler fand ich sehr bald ein hilfsbereites "Opfer", dem ich Förderansuchen zur fachlichen Beurteilung, die dann meistens mündlich erfolgte, schicken konnte. Und natürlich lernte ich das Brenner-Archiv besser kennen......
1989 wurde ich als Nachfolger von Ernst Eigentler, dem langjährigen Chef der Kulturabteilung, Mitglied im Kuratorium des Brennerarchivs.
In den Sitzungen lernte ich dann auch den insistenten, fordernden, unzufriedenen lnstitutsleiter kennen. Er war hartnäckig im Fachlichen; und er stand beeindruckend hinter seinem Team im Institut.
Das Archiv - damals noch im Geiwi-Turm, war - Walter sei Dank - mehr als nur angewachsen. Also begann die Suche nach einer neuen Unterbringung. Mit Walter an der Spitze und Othmar Costa als Vorsitzendem schauten wir uns mehrere Angebote an (darunter das einer alten Dame, die meinte, dass auch ihr die Überwindung der Brennergrenze ein Anliegen sei).
Alles ohne echten Erfolg - bis zur "loichtenden" Idee von Arch. Lackner und MinR Loicht mit dem "Rucksack" auf dem Gebäude in der Josef-Hirn-Straße, dem heutigen "Trakl-Turm".
Für einen erheblichen finanziellen Beitrag des Landes wünschte sich LR Fritz Astl ein tragfähiges Konzept zum Aufbau eines Tiroler Literaturhauses."Das werde ich machen", sagte Walter zu mir und lieferte wirklich in kürzester Zeit seine Idee dazu.
Das "Literaturhaus am Inn" war geboren. Und so wurden
an Walters 60. Geburtstag (!) der tolle neue Standort und das Literaturhaus eröffnet.
Als Walter mich 2001 mit dem Satz "Ich gehe jetzt in Pension" überraschte, war ich zuerst konsterniert, konnte dann aber seine Verbitterung verstehen.....
Zu seinem 80. Geburtstag 2017 gestaltete das Brenner-Archiv eine umfangreiche Feier für Walter. Dass ihm meine kleine Ansprache aus diesem Anlass sichtlich Freude machte, habe ich bis heute nicht vergessen.
Christoph Mader, Vorsitzender des Kuratoriums (seit 1997)
Walter Methlagl - in guter Erinnerung
Schon bald, nachdem ich 1973 die Aufgabe der Einrichtung und Leitung der Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte der Salzburger Kulturvereinigung im Geburtshaus des Dichters in Salzburg übernommen hatte, bemühte ich mich um ein Gespräch mit Walter Methlagl, weil ich wusste, dass er zum Thema Trakl viel zu sagen hatte. Ich suchte ihn im Brenner-Archiv auf, zu dessen Gründung er entscheidend beigetragen hatte. Das Archiv befand sich damals noch in einem etwas düsteren Raum der Alten Universität. Er erzählte mir von seiner Bekanntschaft mit Ludwig v. Ficker, dessen Erinnerungen an Georg Trakl Methlagls Bild vom Dichter wesentlich geprägt haben. Im Band „Brenner-Gespräche“ hat er nach Fickers Tod darüber auch Auskunft gegeben – eine interessante Lektüre bis heute. Bei der Übersiedlung des Ficker-Nachlasses aus dessen Wohnung in die Alte Universität war ihm auch der Germanist Walter Weiss behilflich, der später ein angesehener Professor an der Salzburger Germanistik wurde; als solcher betreute er auch meine Dissertation über Georg Trakl.
Das Brenner-Archiv, später als Forschungsinstitut eingerichtet, wurde zu Methlagls Lebensaufgabe, die ich punktuell begleiten konnte. Als zum Ficker-Nachlass weitere literarische Nachlässe aus Westösterreich und Südtirol kamen, wurde der Raum bald zu eng und Walther Methlagl war auf einer längeren Suche nach einer größeren Räumlichkeit, die nicht leicht zu finden war. Mit Begeisterung zeigt er mir einmal ein Haus in der Nähe der Universität, in dem nicht nur das Archiv untergebracht werden, sondern auch ein Zentrum für zeitgenössisches literarisches Leben entstehen sollte. Bedauerlicherweise wurde daraus nichts. Die heutige Lösung im „Trakl-Turm“ konnte er noch mitgestalten.
Als 1987 zum 100. Geburtstag Georg Trakls in Salzburg das „Internationale Trakl-Forum“ eingerichtet wurde, war Walter Methlagl von Anfang an dabei. Er beteiligte sich auch mehrfach an Tagungen dieses Forums, so z.B. 1995 am „Treffen der Trakl-Forscher“, dessen Ergebnisse ich zusammen mit ihm als Trakl-Studie XIX mit dem Titel „Deutungsmuster“ herausgeben konnte. Bei der Tagung „Androgynie und Inzest“ (2005) berichtete er von der Bedeutung dieses Themas im Brenner-Kreis.
Es war immer erfreulich, mit ihm Gespräche zu führen, wenn man sich Zeit dazu nahm. Einmal passierte es dabei, dass ich den letzten Zug über Rosenheim nach Salzburg verpasste und ich mit einer Verbindung der Giselabahn über Zell am See vorlieb nehmen musste. Leider entging mir die Schönheit der Landschaft, denn es war schon Nacht.
Hans Weichselbaum
Walter Methlagl war ein Pionier auf vielen Gebieten. Auch in der Art und Weise, Pionier zu sein, war er Pionier. Darin bestand vielleicht der Kern seines Lebenswerks: in der literaturwissenschaftlichen Forschung eine ethische Haltung einzurichten, genauer gesagt: eine in der Sprachkritik sich beweisende Ethik; und – in kluger Abgrenzung von seinen Gegenständen – unter Aufbietung aller Kräfte Institutionen zu bauen, die dieser Wissenschaft einen Schutz-Raum gaben. Auch gegen politische Zumutungen.
In Vorarlberg wirkte er im Kräftefeld von Felder-Verein, Behörde und Autorenvereinigung und trug wesentlich zur Gründung des Franz Michael Felder-Archivs bei. Der Felder-Forschung gab er vor allem als Herausgeber ein neues, philologisches Fundament. Mit dem ›Brenner-Archiv‹, das bewusst an der Universität Innsbruck unter der Ministerin Hertha Firnberg, der ersten Wissenschaftsministerin Österreichs, als Forschungsinstitut eingerichtet wurde, schuf er einen eigenen institutionellen Typus; prägend war sein Gedanke, in einer Person die sonst (auch im Deutschen Literaturarchiv Marbach) getrennten Kompetenzen von Bibliothekaren und Wissenschaftlern im Berufsbild des Literaturarchivars zu vereinen: einem von ihm, Professor Wendelin Schmidt-Dengler und Dr. Eva Irblich (ÖNB Wien) initierten Forschungsprojekt des FWF entsprang später dann auch das Österreichische Literaturarchiv.
Große Editionen entstanden am Brenner-Archiv (um nur die Innsbrucker Ausgabe der Werke und Briefwechsel Georg Trakls oder den Briefwechsel von Ludwig von Ficker zu nennen). Zum frühen Inbegriff seiner auf Georg Trakl, Ferdinand Ebner, Theodor Haecker und gerade Ludwig von Ficker konzentrierten, stets aufregenden Forschung wurde mir die von ihm mitherausgegebene Festschrift für Ignaz Zangerle ›Untersuchungen zum "Brenner"‹ (1981) und darin sein Aufsatz. Das ist der Ort, wo ich anmerken möchte, dass Walter Methlagl bei mir Epoche gemacht hat, persönlich und beruflich; begonnen hat alles mit stundenlangen, philosophischen Gesprächen, die er mir, dem Studenten in Innsbruck, gegönnt hat – Gespräche, wie sie für junge Leute buchstäblich notwendig sind. Dass Mut und Wissenschaft zusammengehören, war eine seiner Lehren.
Christoph König
Ferdinand Ebner verdanke ich viel. Gegen Ende des (Sprachen- und Literatur-)Studiums in Wien in einem Seminar Fridolin Wiplingers entdeckt, war er mit seiner revolutionären Grundeinsicht in die Wirklichkeit der Sprache wie der Religion (und Schärfe des Denkens und Genauigkeit beim Schreiben) einer der Wegweiser, die mich nach dem Durcheinander der 68er-Jahre in eine Benediktiner-Kommunität führten. Im Kloster las ich weiter in den drei Bänden der Seyr-Ausgabe (eine editorische Großtat, damals!). Als ich merkte - auch Hans Urs von Balthasar konnte es nicht glauben -, dass Ebners Vorkriegs-Summe "Ethik und Leben" noch immer nicht veröffentlicht war, erhielt ich die Erlaubnis des Abts, mich darum zu kümmern und nach Innsbruck zu fahren. Dort lagen (und liegen) im Brenner-Archiv die (1936!) bereits gesetzten Fahnen. Es war wohl im Sommer 1977, ich habe mehrere Tage mit der Lektüre verbracht, auch in frühen Tagebüchern gelesen.
Methlagls überbordendes Engegenkommen fiel gleich auf: Dass es aus dem Vertrauen Ludwig von Fickers selbst kam, das er als junger Germanist gewonnen hatte, hätte ich mir denken können. Dass er sich im Schatten der Geistesriesen aus dem Brennerkreis wusste, war deutlich (auch meine ersten Auseinandersetzungen mit Ebner vermitteln heute das Gefühl schon rein sprachlicher Überwältigung). Mit Unermüdlichkeit, kenntnisreicher Hingabe und Ausdauer auch im Bürokratisch-Akademischen hielt er darin aus. Wieviel er dabei der Frau an seiner Seite zu danken hatte, kann ich nur ahnen.
Auch mein Weg führte in die Ehe und nach Vorarlberg, in seine Heimat. Aus der Herausgabe der «Metaphysik der individuellen Existenz» wurde nichts (ein Teil des Vorworts erschien in den «Untersuchungen zum Brenner» 1981). Nach dem (über?)großen Gablitzer Symposion wurden die Kontakte rar. Sehr nahe war immer, ist und bleibt allerdings das Relief, die nicht zuletzt politische Aktualität, die der a.o. Univ. Prof. Franz Michel Felder immer neu verlieh. Der Bregenzerwälder Autodidakt und Bauer ist lang tot und schmerzlich gescheitert, aber mit seinem «Geigen» hat er mehr Menschlichkeit in die Welt gebracht als viele andere Dichter. Walter Methlagl war sein Landsmann.
Willibald Feinig