Michael Brandmayr

 

Michael Brandmayr 900x600

Warum hast du dich für das Studium der Erziehungswissenschaft in Innsbruck entschieden?

Um ehrlich zu sein war es ein bisserl eine Zufallsentscheidung. Ich habe mich ursprünglich für das Lehramtsstudium (Italienisch und Geschichte) eingeschrieben. Ich glaubte, dass man sich mit einem Erziehungswissenschaftsstudium die Schulpädagogische Ausbildung von diesem Lehramtsstudium „spart“. Diese Ausbildung hatte damals einen eher schlechten Ruf. Und dann bin ich hängen geblieben. Im ersten Semester konnte ich mir noch nichts unter Erziehungswissenschaft vorstellen, war dann aber sehr begeistert, und habe das Studium fertiggestellt, im Unterschied zum Lehramtsstudium.

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Was war für dich ein unvergessliches Erlebnis Ihrer Studienzeit?

Sicher hatte ich unvergessliche Erlebnisse, diese hatten aber weniger mit der Uni oder mit den Kursen zu tun, sondern eher mit dem Studentenleben. Also extrem gut in Erinnerung habe ich diverse Feste, die wir von der Studentenvertretung aus organisiert haben. 2012 zum Beispiel haben wir anlässlich der EM eine große Leinwand im Garten des PsyKo-Instituts in der Schöpfstraße aufgestellt und gemeinsam ein Spiel angeschaut; im Anschluss daran haben wir dann drinnen gefeiert. Es sind vor allem die vielen Begegnungen und Erlebnisse, die ich in Erinnerung behalten habe. Diese Erlebnisse sind noch da und es war sehr schön, denn ich habe sehr gern studiert.

Gab es Momente oder Personen in deinem Studium, die dich besonders geprägt haben?

Es gibt Leute, die dich inspirieren und es gibt Personen, die dir bewusstmachen, wie du selbst nie sein möchtest. Spannend war in Erziehungswissenschaft, dass man Leute kennen gelernt hat, die diese ganze Ambivalenz eigentlich in sich verkörpert haben. Eine Professorin hat extrem viel gewusst, hatte eine extrem schnelle Auffassungsgabe, konnte schnell Verbindungen herstellen, aber menschlich war sie teilweise sehr, sehr kompliziert. Da hab ich schon sehr viel lernen können, in einem positiven Sinne und auch in einem didaktischen Sinne, indem sie mir gezeigt hat, wie ich es nicht machen würde, wenn ich selbst einmal unterrichten würde.

Warst du im Ausland? Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?

Ich war während der Schulzeit in Italien und als Dozent habe ich am Programm Erasmus+ teilgenommen (Florenz und Berlin). Bei Erasmus+ war es spannend zu sehen, wie die Abläufe an anderen Universitäten sind. Ich war auf der Humboldt Universität und auf der freien Uni Berlin, und habe gesehen, dass sie dort auch nur mit Wasser kochen. Als Dozent war ich zudem relativ viel auf Kongressen, z. B. in Dublin, in Edinburgh. Das war das Coole an meiner Unitätigkeit, dass ich viel herumgekommen bin.

Wie hat sich dein Weg zum Studium und vom Studium bis heute entwickelt?

Ich habe 2012, vor ziemlich genau zehn Jahren, den Magister fertig gemacht. Nach dem Studium habe ich nicht so richtig gewusst, was ich machen soll. Am Institut für LehrerInnenbildung ist dann eine Stelle ausgeschrieben gewesen. Auf diese habe ich mich beworben und ich habe sie sofort bekommen. Ich habe dann festgestellt, dauerhaft nur auf der Uni zu sein, war nicht das, was ich unbedingt machen will. Ich habe dann in einem Kinderheim gearbeitet, aber gemerkt, dass ich für Wochenenddienste, Nachtdienste und fehlende regelmäßige Dienstzeiten nicht geschaffen bin. Ich bin dann zurück auf die Uni und habe in Forschungsprojekten am Institut für Soziologie und am Institut für Erziehungswissenschaft mitgearbeitet, die dann ausgelaufen sind. In dieser Zeit habe ich als externer Lehrbeauftragter unterrichtet, das mache ich nebenher nun immer noch. Ich wusste, dass es Laufbahnstellen gibt, bei denen du am Ende gute Chancen hast für eine Karriere an der Uni. Ich habe mich auf eine solche Stelle beworben, bin aber nur Zweiter geworden. Danach habe ich so 30 Initiativbewerbungen verschickt und seit 3 Jahren bin ich bei der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Innsbruck. Die Kinder- und Jugendhilfe ist die staatliche Institution, die sicherstellt, dass keine Kinder, keine Jugendlichen bis 18 dauerhaft in prekären Lebenslagen leben müssen. Das heißt, wir schreiten von Amts wegen ein, wenn wir Kindeswohlgefährdung feststellen müssen. Wir erheben ob Kindeswohlgefährdung vorliegt. Und wenn ja, müssen wir schauen, welche Maßnahme geeignet ist, um das Wohl des Kindes sicherzustellen. 50 Prozent der Arbeit ist Bürojob und 50 Prozent ist aufsuchende Arbeit. Wir sind dann unterwegs zu den Familien und den Kindern und schauen uns die Situation vor Ort an.

Welche im Studium erworbene Qualifikation hilft Dir im heutigen Beruf am meisten?

Die Aufgaben von einer Kinder und Jugendhilfe sind ja im Allgemeinen nicht spezifisch definiert, sondern es ergibt sich daraus, dass man historisch Vorstellungen davon hat, was Kindeswohl überhaupt bedeutet. Der Gesetzgeber verwendet diesen Begriff des Kindeswohls ebenfalls vergleichsweise unbestimmt. Und gibt ein paar Beispiele, mehr aber auch nicht. Was ich gelernt habe ist, dass Begriffe wie das „Kindeswohl“, einer „glücklichen Kindheit“ immer offen und historisch wandelbar sind. Ich glaube, man lernt gewisse Formen von Abstraktion im Studium. Man sagt ja oft, das Studium ist sehr praxisfern. Ich denke aber, dass gerade das, das sehr große Asset in diesem Beruf ist. Den Umgang mit Kindern, kann ich theoretisch „on-the-job“ erlernen. Was ich im Job nicht lernen kann, ist diese Abstraktion. Fragen wie zum Beispiel: Wie stelle ich mir den Umgang mit einem Kind in dessen spezieller Situation vor? Was erwartet man zum Beispiel von einer Einrichtung? Was stell ich mir also drunter vor, was eine glückliche Kindheit bedeutet? Antworten auf diese Frage liefert das Studium und du hast im Studium die Zeit darüber nachzudenken. Für mich ist Studium ja nicht nur das Lernen; für mich ist Studium auch eine Zeit der Reifung, weil ich nicht glaube, dass man mit 18 schon erwachsen ist. Ich habe im Studium auch durch das ganze Drumherum, durch das Campusleben, durch die Begegnungen mit Leuten viel gelernt.

Was möchtest Du gerne noch erreichen – beruflich oder privat?

Ich bin sehr glücklich mit der Situation. Ich habe einen Job, der mir sehr gut gefällt.

 Studienanfänger*innen bzw. Studierenden rate ich…

... sich einfach mal die Sachen einzulassen, die auf sie zukommen und offen zu sein gegenüber dem, was da passiert. Ich mag nicht, wenn Leute mit 18 ein Studium anfangen und sagen, sie wollen mit 21 fertig sein und mit 22 einen Job haben und das ganze Leben durchgetaktet haben. Ich rate Studienanfänger*innnen auch ein bisschen Vertrauen zu haben, dass die Leute an der Universität wissen, warum ein Studium so aufgebaut ist. Ich würde ihnen raten offen zu sein und die Zeit zu genießen, weil die Zeit ist das Wichtigste.

 Was war zu Studienzeiten Dein Lieblingsort in Innsbruck/an der Universität?

Mein Lieblingsort in der Studienzeit war das Weekender, aber das gibt es ja nicht mehr. [Anmerkung: Das Weekender war ein Lokal/Club in der Tschamlerstraße in der Nähe vom Cineplexx].  

Was verbindet dich heute noch mit der Fakultät für Bildungswissenschaften bzw. der Universität Innsbruck?

Mich verbindet mit der Universität Innsbruck viele Erinnerungen, gute wie mitunter auch schlechte.

 Ich wollte immer schon einmal...

…eine Fahrt mit dem Heißluftballon machen.

 Erziehungswissenschaft ist für mich…

…eine wahnsinnig spannende Disziplin, von der ich wahnsinnig profitiert habe. Ich bin aus der Szene des politischen Aktivismus heraus zur Erziehungswissenschaft gekommen und ich habe festgestellt, dass Pädagogik und Politik zwei sehr wesensverwandte Dinge sind.

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