Die Ur-III-Wirtschaftstexte als Quelle für die Aussprache des Sumerischen
Projektteam
- Marcos Such Gutiérrez, Departamento de Filología Clásica, Universidad Autónoma de Madrid
- Sebastian Fink, Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik, Universität Innsbruck
Die zahlreichen Wirtschaftstexte der Ur-III-Zeit (2112–2004 v.u.Z.) liefern uns in erster Linie Informationen über den Transfer von Gütern in der Administration dieses Reiches. Daneben bieten sie auch Hinweise zu Handwerk und Industrie, zur Organisation der Administration, zur Armee und zum Festkalender.
Im Mittelpunkt dieses Projekts steht jedoch nicht der Inhalt dieser Texte, sondern die in den etwa 100.000 Texten enthaltenen Variantenschreibungen. Im Sumerischen spricht man von der Standardorthographie, die in den meisten Texten benutzt wird. Diese Schreibungen bleiben oft über lange Zeit hinweg konstant und bedienen sich vieler logographischer Schreibungen, d.h. ein Zeichen wird für ein Wort verwendet. Die Lesung dieser Logogramme erschließen wir zum größten Teil aus lexikalischen Listen des zweiten und ersten Jahrtausends vor Christus. Da das Sumerische jedoch schon um das Jahr 2000 als Umgangssprache ausgestorben war, berufen wir uns hier auf postsumerische Quellen, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr auf Muttersprachler zurückgreifen konnten.
Die Ur-III-Texte hingegen wurden in einer Zeit verfasst, als sich das Sumerische zwar bereits auf dem Rückzug befand, aber immer noch lebendig war, was uns die Nutzung dieser Sprache für Alltagstexte wie die Wirtschaftsurkunden beweist. Ziel des Projekts ist es, diese Varianten systematisch zu sammeln und für unsere Kenntnis der Aussprache des Sumerischen nutzbar zu machen. Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen war eine Konferenz zur Frage der Sprachzugehörigkeit des Sumerischen, das nach Überzeugung der meisten Forschenden eine isolierte Sprache ist. Gerade für die Frage der Sprachverwandtschaft ist die Rekonstruktion der Aussprache des Sumerischen von größter Bedeutung.
Ein Großteil der bekannten Ur-III-Texte ist digital auf Oracc verfügbar und wird für das ePSD (electronic Pennsylvania Sumerian Dictionary) genutzt. Aufgrund der Menge der Texte wurden sie automatisch lemmatisiert, was heute zu guten Ergebnissen führt, jedoch bereiten natürlicherweise die für uns interessanten Variantenschreibungen einem automatischen Lemmatizer Probleme. In Kooperation mit Niek Veldhuis (UC Berkeley) und Steve Tinney (University of Pennsylvania) wurde ein Tool erstellt, mithilfe dessen die entsprechenden Texte kontrolliert werden können. Ziel ist es, in absehbarer Zeit die Texte aus Nippur zu kontrollieren, die besonders viele Varianten enthalten. Derzeit (Stand September 2024) haben wir etwa 1200 von 3000 in der Datenbank vorhandenen Texte überprüft, die Lemmatisierung verbessert und zahlreiche unorthographische Varianten gefunden. Damit wird eine solide Datenbasis für die weitere Arbeit geschaffen. Nach dem Abschluss der Arbeit an den Texten aus Nippur wird es möglich sein, mehr Varianten automatisch zu lemmatisieren und so auch die lexikalische Erschließung der Ur-III-Texte über ePSD weiter zu verbessern.