08_bwl.jpg

Was ist fair?

Haltestelle: Museumstraße  

Die Sage der Frau Hitt ist auch eine Geschichte, die von (ökonomischer) Ungleichheit erzählt. Während die Bettlerin nicht einmal etwas zu essen hat, lebt die Königin mit ihrem Sohn im Überfluss. Ist das fair? An der Fakultät für Betriebswirtschaft wird auch zu Vermögensverteilung geforscht. Die Bank an dieser Haltestelle zeigt auf, wie diese in Österreich heute aussieht.

 

Vermögensverteilung

 

Die Grafik zeigt, wie das Vermögen in Österreich verteilt ist. Die Punkte repräsentieren die Bevölkerung, ein Punkt steht für 10 % der Österreicher_innen. Die reichsten 10 % besitzen demnach gemeinsam zwei Drittel, die ärmere Hälfte der Menschen teilt sich 2,5 % des Gesamtvermögens. Hier kannst du das Vermögen nach deinem Empfinden neu verteilen. Wie wäre es in deinen Augen fair?

 

Verhaltensökonomie ist ein weiterer Forschungszweig an der Fakultät für Betriebswirtschaft. Sie untersucht das Verhalten von Menschen in wirtschaftlichen Situationen. Mithilfe von Experimenten werden bestimmte Phänomene immer wieder an Menschen getestet. Was passiert beispielsweise, wenn eine Person A 10 Euro erhält und die Aufgabe gestellt bekommt, das Geld zwischen sich und einer unbekannten Person B aufzuteilen? Wieviel davon gibt sie dieser anderen Person und wann akzeptiert die Person B das angebotene Geld, wann lehnt sie den Vorschlag ab? Laut Untersuchungen werden Angebote, die unter 40 Prozent liegen, regelmäßig abgelehnt. Lieber erhält man selbst gar nichts, als dass der andere 80 Prozent für sich behalten darf. Die Person A wird in diesem Fall von Person B für ihr unfaires Verhalten bestraft. Mit der Sage von Frau Hitt lassen sich noch weitere verhaltensökonomische Phänomene verbinden:

Sozialer Vergleich

Warum vergleichen wir unser Einkommen oft mit dem der anderen? (Beispiel sozialer Vergleich)

Entsprechend der Sage herrschte Frau Hitt über ein Reich von Feldern und Wäldern. Aber sie war hochmütig und hartherzig. Sie war als Königin sehr reich, aber ihre Untertanen sehr arm. In vielen Bereichen im Leben geht es uns darum mehr zu haben oder besser zu sein als andere. Das geht auf anthropologische Mechanismen zurück, wonach es für unsere Vorfahren vor vielen Tausenden von Jahren schon wichtig war, einen hohen sozialen Status zu genießen. Das gab Vorteile hinsichtlich der Reproduktion und der Ernährung. In Experimenten gehen Menschen mehr Risiko ein und zeigen unehrlicheres Verhalten, wenn sie im sozialen Vergleich hinterherhinken. Das gilt sogar, wenn ein hoher sozialer Status keine höhere monetäre Entlohnung bringt, als ein niedrigerer Rang. Dieses Streben nach hohem Status erklärt auch den Erfolg vieler Konsum- und Luxusgüterindustrien und das Streben nach Macht in Wirtschaft und Politik.


Reziprozität

Kann sich nett sein lohnen? (Beispiel Reziprozität)

In einer Version der Sage bietet Frau Hitt einer Bettlerin einen Stein zum Essen an. Die Bettlerin verflucht sie daraufhin und Frau Hitt wird als ewige Strafe zu Stein verwandelt. Dass sich nett sein im Wirtschaftsleben lohnen kann, hat ein Experiment gezeigt. Stell dir vor du arbeitest in einem Eissalon. Würdest du dich mehr darüber freuen von deinen Kund_innen viel Trinkgeld zu bekommen oder Lob und Anerkennung für deine Arbeit? Und was würde sich stärker auf deine Arbeit auswirken? In einer Untersuchung von Forschern des Instituts für Banken und Finanzen wurde herausgefunden, dass mehr Eis ausgeteilt wurde, wenn der Einkauf mit Trinkgeld und einem Lob oder Kompliment begleitet wurde. Gab man an mehreren Tagen hintereinander nur Trinkgeld, blieb der Wert irgendwann gleich. Teilte man Lob und Komplimente aus, wurden die Portionen mit der Zeit immer größer! Die Mechanismen dahinter liegen zum einem im Verhalten der Reziprozität (wir wollen Leuten, die uns Gutes tun, i.d.R. auch etwas zurückgeben) und zum anderen in anthropologischen Gründen. Schon für unsere Vorfahren war Anerkennung wichtig, da es Vorteile hinsichtlich Ernährung und Reproduktion gab. Wir reagieren nach wie vor stark darauf - es äußert sich im modernen Wirtschaftsleben dann beispielsweise in größeren Portionen. Weiterführendes Video.

 

Selbstkontrolle

Zahlt es sich aus „sich selbst im Griff zu haben? (Beispiel Selbstkontrolle)

In einer Version der Sage um Frau Hitt reisst ihr Sohn trotz Mahnung des Waldhüters einen jungen Tannenbaum aus. Selbstkontrolle, also sich selbst im Griff zu haben und Versuchungen zu widerstehen, kennt der verwöhnte Prinz nicht. Die positiven Auswirkung von Selbstkontrolle haben Experimente gezeigt: kleinen Kindern wurde damals ein Marshmallow vorgesetzt – wer sich beherrschen konnte und es nicht gleich gegessen hat, bekam 10 Minuten später ein zweites. Die Kinder, die mehr Selbstkontrolle gezeigt haben, hatten als Erwachsene mehr Erfolg und ein gesünderes Leben. Dieses Experiment verdeutlicht im Kleinen die Fähigkeit auf unmittelbare Gratifikation/Belohnung zu verzichten, um in der Zukunft mehr zu bekommen. Im Alltag ist dies zum Beispiel beim Lernen in der Schule der Fall, in der Arbeit, oder beim Zwiespalt zwischen Konsumieren/Einkaufen (unmittelbare Gratifikation) und Sparen (Zukunftsinvestition).

  

 

Verfügbarkeitsheuristik

Warum überschätzen wir die Wahrscheinlichkeit für Flugzeugabstürze, Terrorattacken und Blitzeinschläge? (Beispiel Verfügbarkeitsheuristik)

In der Sage um Frau Hitt verfinsterte sich der Himmel und eine gewaltige Stein- und Schlammlawine toste die Berghänge herab, als ihr Diener begann ihren Sohn mit Brotkrumen zu reinigen. Als das Unwetter vorbei war, war aus dem blühenden Reich eine leere Wildnis geworden und Frau Hitt und ihr Riesensohn waren in graue Felsgestalten verwandelt. Die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Unwetter ist natürlich objektiv betrachtet nahezu null. Studien haben gezeigt, dass wir aber doch Probleme mit dem Einschätzen von Wahrscheinlichkeiten haben. Zum einen gewichten wir geringe Wahrscheinlichkeiten über (das erklärt auch, warum Leute ins Casino gehen oder Lotto spielen). Zum anderen trägt die Verfügbarkeitsheuristik einiges dazu bei. Wenn Tragödien wie Flugzeugabstürze, Terrorattacken und Blitzeinschläge passieren, berichten die Medien darüber und es wird viel darüber gesprochen. Aufgrund dieser Verfügbarkeit glauben wir, dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, als es tatsächlich ist. Ein Beispiel: Das Flugzeug gilt als das sicherste Transportmittel: so kamen 2016 in der EU 150 Menschen bei Flugzeugabstürzen, aber 25.500 Menschen im Straßenverkehr ums Leben Zum Vergleich: die Anzahl an Todesopfern durch Terrorattacken in der EU belief sich im Jahr 2017 auf 61.


Fakultät für Betriebswirtschaft

Illustrationen: © Tobias Haller

Nach oben scrollen