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Ist Geiz strafbar?

Haltestelle: Museumstraße  

Die Riesenkönigin Hitt wird aufgrund ihres frevelhaften Verhaltens vom höchsten Richter bestraft und in Stein verwandelt. In der Sage ist damit eine göttliche Instanz gemeint, aber was wäre, wenn sie heute vom „obersten Richter“ verurteilt würde? In Österreich gibt es drei Höchstgerichte: den Obersten Gerichtshof, den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof. Die Fakultät für Rechtswissenschaften macht das Gedankenexperiment. In welchen Szenarien würden Staatsanwält_innen heute Anklage bei Gericht erheben?

Recht auf Eigentum

Das Recht auf Eigentum

354. ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch): Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen.

Beim Umgang mit seinem Eigentum kann jeder Mensch in Österreich frei entscheiden. Ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie: Forscher_innen vermuten, dass in Europa pro Kopf ca. 173 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen werden oder entlang der Wertschöpfungskette verloren gehen. Moralisch verwerflich, aber nicht strafbar.


Sachbeschädigung

Sachbeschädigung

125. StGB (Strafgesetzbuch) Wer eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

In der Sage reitet die Riesenkönigin an der Bettlerin vorbei und wirft ihr anstatt Brot lediglich einen Stein hin. Aber was wäre, wenn der gefallene Stein das Eigentum der Bettlerin beschädigt hätte? Als autokratisch herrschende Königin des Reiches wäre Frau Hitt damit davongekommen. Heute würde sie wegen Sachbeschädigung angeklagt werden. 

 

Fahrlässige Tötung

Fahrlässige Tötung

80. StGB (Strafgesetzbuch) Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

Was wäre, wenn Frau Hitt heute ihren Steinbrocken vor die Bettlerin geworfen hätte, diese vor Schreck aber nach hinten getreten und dabei zu Tode gestürzt wäre? Bei Tötungsdelikten wird im Recht zunächst zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Tötung unterschieden.


Recht auf Nahrung

Recht auf Nahrung

WSK-Pakt, Artikel 11 Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Vertragsstaaten unternehmen geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten, und anerkennen zu diesem Zweck die entscheidende Bedeutung einer internationalen, auf freier Zustimmung beruhenden Zusammenarbeit.

Hat Frau Hitt als Herrscherin des Landes eine Verpflichtung gegenüber ihren Untertanen? Im Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen wurde das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard einschließlich ausreichender Ernährung festgeschrieben. Österreich hat den Pakt 1978 ratifiziert, also verbindlich bestätigt.

 

Betteln

Betteln

Betteln in Tirol laut Landesgesetzblatt Nr. LGBl. Nr. 144/2018 §10

  1. Betteln ist, insbesondere in ausschließlich stiller und passiver Form, erlaubt, es sei denn, es erfolgt a.) in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen, unaufgefordertes Begleiten, Beschimpfen oder lautstarkes Klagen, b.) in gewerbsmäßiger Weise, c.) unter aktiver Mitwirkung einer unmündigen minderjährigen Person, d.) entgegen einer Verordnung nach Abs. 2.

Fremde um eine Spende bitten, ist das ein Verbrechen? In Österreich entscheidet jedes Bundesland für sich. Im Moment ist stilles, nicht aggressives Betteln prinzipiell erlaubt. Der Verfassungsgerichtshof entschied 2012, dass ein Bettelverbot ohne Ausnahme dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Freiheit der Meinungsäußerung) widerspricht.

 


Rechtswissenschaftliche Fakultät

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