Projekt  Nachlass  Biographisches  Bibliographie  Leseproben   

 

Foto: Adolf Waschel, 1975 

Zum Projekt

Christine Busta ist eine der angesehensten Lyrikerinnen der österreichischen Literatur der Nachkriegszeit. In ihrer Lyrik verwendet sie vielfach christliche Motive, weshalb sie häufig als christliche Dichterin apostrophiert wurde. 

Die Erschließung ihres Nachlasses ermöglicht es, bisher unbekannte Aspekte ihres Werks und ihrer Biographie zu beleuchten. Es geht dabei nicht um Bewertungen, sondern darum, individual- und kulturgeschichtliche Prozesse in deren Zusammenhang auf der Basis von Quellen zu begreifen und in Wechselbeziehung zu Bustas literarischem Schaffen zu setzen. 


Christine Busta setzte sich in ihrem Werk und in ihren Briefen schon früh mit dem Thema "Schuld" auseinander. Ihre Lyrik kann als Erinnerungs- und Bewältigungsarbeit vor allem in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus begriffen werden. Es könnte aber auch sein, dass Busta, die nach 1945 in ihrem Werk vielfach christliche und religiöse Ausdrucksformen wählte, sich damit in einen Bild-Raum zurückzog, den sie als unpolitisch verstand, in dem sie mit den Menschen und auch mit der Natur eine gewissermaßen ahistorische Gemeinschaft bilden konnte. Auf diese Weise wäre es ihr möglich gewesen, sich mit dem Thema "Schuld" auseinanderzusetzen, ohne ihr eigenes Tun einer wirklichen Reflexion und dem öffentlichen Diskurs auszusetzen.
Um Bustas Leben und Literatur besser verstehen zu können, ist eine Vielzahl von zeitgeschichtlichen, soziologischen und psychologischen Faktoren zu berücksichtigen. Bustas umfangreiche Korrespondenz, ihre Lebens- und Werkdokumente bilden eine Basis für die Neubewertung ihrer Biographie. Gleichzeitig geben die Briefe, Gedichte, Notate und Vorstufen Einsichten in Bustas Poetologie, Kreativität und Produktionsästhetik und machen ihre literarische Arbeitsweise darstellbar.

 

Forschungsportal im Internet: BustaSearch
Link zu BustaSearch

Ziel war es, die von Busta verfassten (unveröffentlichte aus ihrem Nachlass sowie zu Lebzeiten gedruckte) Gedichte und Prosatexte (und einige wenige Dramen) sowie nicht eigentlich literarische Texte (wie Rezensionen, Mitteilungen in Interviews, Lebensläufe) im Volltext bereitzustellen. Das Textkorpus umfasst die Veröffentlichungen in Büchern und aus Zeitschriften sowie die unveröffentlichten Werke im Nachlass. Als Nachlass gelten die Bestände Christine Bustas im Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck und im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, die unterschiedlicher Provenienz, aber ursprünglich ein Bestand gewesen sind. Alle Textzeugen des Nachlasses, die maschinenschriftlichen wie die handschriftlichen (auch Entwürfe) sind nachgewiesen. Auch die über 4.350 Korrespondenzstücke von über 550 KorrespondenzpartnerInnen sind verzeichnet, der Text wurde nicht immer transkribiert, dann aber als Inhaltsangabe oder in Ausschnitten angegeben.
Die Volltextsuche greift auf Transkriptionen der Werke und Briefe zu. Aus urheberrechtlichen Gründen wird jedoch beim einzelnen Treffer die Anzeige des Textes minimiert.

Es lassen sich mit einer einfachen Suche Namen von Personen und Vereinigungen finden, die Hinweise auf Bustas Kontakte, aber auch Aufschlüsse zur Literaturgeschichte geben können. 
Es lassen sich, verknüpft man Wortsuche und Datum, Informationen gewinnen über Worte oder Wortfelder bestimmter Produktionsphasen Bustas und außerdem Aussagen treffen, wie sich historische Formationen in Sprachformationen spiegeln bzw. in diesen verarbeitet werden. Dies betrifft den Zusammenhang von Sprache und "historischer Wirklichkeit" (etwa die Sprache als Mittel der Verdrängung). Andererseits können Sprachformationen einer Zeit ihre Worte nahelegen oder ihre Zeit zumindest beeinflussen. Das Busta-Projekt wollte damit auch einen Beitrag zu einer grundsätzlichen kulturhistorischen Frage leisten, die desto besser beantwortet werden kann, je mehr Primärtexte durchsuchbar sind. Immerhin leben wir in den Nachwirkungen einer Zeit, deren Sprache uns häufig wegen der Urheberrechte nicht zur Forschung zur Verfügung steht. Mit BustaSearch steht eine multifunktionale und effiziente Arbeitsplattform zur Verfügung, die dieses Dilemma so gut wie möglich zu lösen versuchte.

 

Buchpublikationen im Rahmen des Projektes

(Die Aufsätze und anderen Beiträge, die im Rahmen des Projektes entstanden sind, finden sich unter Bibliographie!)

Von den drei geplanten, monographischer angelegten Buchpublikationen, die sich an den Nachlassbereichen Werke, Briefe, Lebensdokumente orientieren und diese auch als Materialbestand vorstellen sollten, ist eine erschienen und zwei sind in Arbeit.

Werke
Die Sichtung bisher unveröffentlichter Gedichte (es brauchte die Einarbeitung aller Gedichtbände sowie aller greifbarer Einzelveröffentlichungen in eine Datenbank, bis überhaupt ein Eindruck dessen entstehen konnte, welche Gedichte veröffentlicht worden sind und welche unveröffentlicht blieben) hatte keine wesentlichen Unterschiede zu den bekannten aufgewiesen. Die Veröffentlichung bisher unbekannter Kinderlyrik war im Verlauf des Forschungsjahres 2011 erwogen, geprüft und verworfen worden. Die Prosa wurde (ohne damit eine Wertung zu verbinden) der Lyrik gegenüber vernachlässigt. Sie ist immerhin in BustaSearch erstmals vollständig nachgewiesen und steht für weitere Arbeiten gerne zur Verfügung.

2013 erschien Christine Busta: Erfreuliche Bilanz. Dialektgedichte. Hg. von Christine Tavernier-Gutleben in Zusammenarbeit mit Ursula Schneider und Annette Steinsiek. Salzburg: Otto Müller Verlag, wofür Schneider und Steinsiek u.a. die Auswahlkriterien und die editorischen Richtlinien entwickelten. Mit dieser anderen Gattung wurde auch eine andere Busta erkennbar.

Briefe
Ein Band wird den Briefwechsel zwischen Christine Busta und Johannes Urzidil präsentieren. Er enthält auch zahlreiche Gedichte, die als Beilagen versendet wurden. Ein Kommentar wird den Kontakt im kulturhistorischen Kontext erläutern. (Verena Zankl, geplant für 2013 - im Projektrahmen nicht erfolgt, Dissertation von V. Zankl)

Lebensdokumente
Ein biographischer Band wird Materialien zu markanten Lebensstationen Bustas, auch im Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, herausgreifen.
 Dokumente zur zeitgenössischen Literaturlandschaft werden den Blick über die Autorin hinaus lenken und Anmerkungen zur Literaturgeschichte Österreichs bieten. (Schneider, Steinsiek, geplant für 2014)


Projektmitarbeiterinnen

Mag. Dr. Judith Bakacsy, geb. in Innsbruck, Übersetzer- und Dolmetscherausbildung in Innsbruck, Wolgograd und Edinburgh, von 1996-2003 und 2008/2009 Mitarbeiterin des Forschungsinstituts Brenner-Archiv. Im Busta-Projekt von März 2008 bis September 2009.

Mag. Dr. Ursula Schneider, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Brenner-Archiv (s. homepage Brenner-Archiv), ein Stipendium der LFU ermöglichte ihr 2011 Vorarbeiten zum Materialienband, Mitantragstellerin, Mitkoordinatorin. Im Busta-Projekt von Antrag (Juli, Aug. 2007) bis Endbericht (Juni 2013).

Dr. Annette Steinsiek M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Brenner-Archiv (s. homepage Brenner-Archiv), Mitantragstellerin, Projektleitung. Im Busta-Projekt von Antrag (Juli, Aug. 2007) bis Endbericht (Juni 2013).

MMag. Christine Tavernier-Gutleben, geb. in Wels, Studium der Germanistik, Romanistik und Sprachwissenschaft in Innsbruck und Grenoble. Im Busta-Projekt von April 2008 bis Juli 2010, Werkverträge 2011 u. 2012.

Mag. Verena Zankl, geb. in Lienz, Studium der Germanistik und Fächerbündel (Medienkunde, Komparatistik, Psychologie, Soziologie), wiss. Hilfskraft bei FWF-Projekten zu Christine Lavant. Im Busta-Projekt von Mai 2008 bis Dezember 2012.

Als wissenschaftliche Hilfskräfte haben das Projekt in verschiedenen Phasen freundlich unterstützt:
Mag. Bettina Rahm
Mag. Dr. Monika Seekircher
Mag. Sandra Unterweger
Mag. Irene Zanol
  

Plakat für den FSP Geschlechterforschung, 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Finanzierung

Das Projekt wurde vom Östereichischen Wissenschaftsfonds finanziert / The research was funded by the Austrian Science Fund (FWF): P20606-G12.
Dauer der Forschungsarbeiten: 1.3.2008 - 29.2.2013.
Die beantragte und ohne Abzüge genehmigte Summe beinhaltete drei Halbtagsstellen für die drei Mitarbeiterinnen (1 Postdoc, 2 Doc) für drei Jahre sowie die Finanzierung einer wissenschaftlichen Hilfskraft. Wegen persönlicher Veränderungen bei den Mitarbeiterinnen kam es zu (kostenneutralen) Verlängerungen.

  

     

 

 

Abschlussbericht (Annette Steinsiek,  Juni 2013)

(Der Abschlussbericht umfasst auch die Monate Jan. und Febr. 2013 sowie abschließende Arbeiten.
Der Projektantrag war verfasst worden von Ursula A. Schneider und Annette Steinsiek.)

I. [Überblick über die Forschungsfortgang]
Forschungsleitend war die These, dass in Werk und Leben von Christine Busta eine symptomatische Verflechtung von Poetik, Religion und Politik auszumachen ist. Sie hatte sich bei der Erschließung (= Ordnung und Verzeichnung) des Nachlasses im Forschungsinstitut Brenner-Archiv (der Forschungsstätte des Projekts) geformt und konnte im Laufe des Projektes begründet und erhärtet werden. In Aufsätzen wurde gezeigt, dass sich Busta persönlich und mit ihrer Dichtung den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen anpasste (u.a. Bakacsy et. al. 2009b). Anhand von Wortfelduntersuchungen wurde deutlich, dass Busta die Thematik von Schuld und Richten erst nach ihrer Entnazifizierung 1948 aufgriff (vgl. Bakacsy et. al. 2009a). Busta rang in ihrer Dichtung darum, die (eigene) Beteiligung am NS-System einzuschätzen, und die Fragen nach Schuld und nach der Möglichkeit von Vergebung bleiben zeitlebens virulent (s. II). Sie hat nicht, wie im Antrag ausgeführt (vgl. S. 6), entweder ihre Schuld in ihrer Dichtung aufgearbeitet oder die Dichtung zur Verdrängung genutzt - sie hat eine Form der Aufarbeitung und eine Form der Verdrängung zugleich betrieben, charakterisierbar als "steckengebliebene Aufarbeitung", die nicht offen war für Aufarbeitungsimpulse von außen (Ausführungen dazu erfolgen im biographischen Band). Im Antrag gestellte literaturgeschichtliche Fragen (vgl. S. 10) wurden beantwortet (Schneider/Steinsiek 2008, Bakacsy et. al. 2009a), die Antworten könnten aber mit BustaSearch als Forschungsportal inzwischen wohl noch präzisiert werden: Das Online-Forschungsportal konnte mit BustaSearch wie im Antrag skizziert realisiert werden (Antrag S. 15f., II).

Es war geplant, weitere Ergebnisse im Hinblick auf die Forschungsfrage in zwei Bänden festzuhalten. Diese sollten sich an den drei großen Nachlassbereichen "Werke", "Briefe" und "Lebensdokumente" orientieren (vgl. Antrag, S. 17). Inhaltliche Ergebnisse und Änderungen in der Personalsituation machten Adaptierungen notwendig. Vorgelegt wurde ein Auswahlband zum Werk, der eine neue Gattung im Schaffen Bustas erschloss: Dialektlyrik (Tavernier/Steinsiek/Schneider 2013, Vorwort).

Im Antrag war als ein Teil eines zweiten Bandes eine Auswahl an Briefen erwogen worden (S. 16), die Briefe von Busta erwiesen sich jedoch als relativ stereotyp und selten literarisch beeindruckend. So wurde die Konzentration auf Bustas Kontakt zum Schriftstellerkollegen im Exil, Johannes Urzidil (s. Antrag S. 10) beschlossen, der auch die im Projekt erzielten Erkenntnisse über Busta als Briefschreiberin und Busta im "Briefnetz" summarisch einbeziehen sollte. Die Mitarbeiterin (V. Zankl) machte diese Aufgabe zum Thema ihrer Dissertation (vgl. Zankl 2013a), sie hat die Absicht erklärt, die Dissertation (Betreuer: Prof. Dr. Wiesmüller, im Antrag als "Berater des Projekts" genannt) sowie den mit der Projektleitung vereinbarten Auswahlband fertigzustellen.

Der biographische Teil wurde aus dem ursprünglichen zweiten Band (Briefe und biographische Ausführungen) ausgelagert. Zum biographischen Band, der von Steinsiek und Schneider verfasst wird, liegen das Konzept und einige Kapitel vor, Schneider hatte für ihre Mitarbeit daran von der Universität Innsbruck eine "Nachwuchsförderung" erhalten (halbtägig, 1.1.-31.12.2011). Etliche neue biographische Zusammenhänge wurden bereits in Aufsätzen publiziert. Die Chronik (s. 2.1.2), die den roten Faden bilden wird, ist vorhanden, muss aber deutlich überarbeitet werden (Ergänzungen, Korrekturen, Nachweise). Die Dokumente und Fotos wurden gescannt und über Metadaten ausgewertet. Die Empfehlungen der beiden Reviewer wurden in Vorträgen und Aufsätzen (s. dort) und werden im biographischen Band berücksichtigt ("Verknüpfung von soziologischen und psychologischen Faktoren" und ihr "Stellenwert in der dichterischen Verarbeitung" und die Arbeitsweise: poetisches Verfahren im Verhältnis zur Intention, beides Rev. B, sowie die Reflexion auf Erinnerungskultur und Raumkonzepte, Rev. A).

II. [betreffend die wichtigsten Resultate und ihre Bedeutung]
Im Hinblick auf die im Titel des Projekts angesprochene zentrale Forschungsfrage wurden alle 51 Kassetten des Nachlasses Blatt für Blatt ausgewertet, d.h. alle Werke und Briefe, Dokumente, Rezensionen und Juryurteile Bustas, aber auch akustisches Material (Interviews) (s.u. zu BustaSearch) wurden entweder als Transkriptionen (sie geben ggf. die jüngste Korrekturschicht eines Textzeugen wieder) oder mit Eckdaten in eine access-Datenbank eingespeist. Dazu gehörten u.a. Bustas Briefe an ihren Ehemann Max Dimt aus den Jahren 1942-1944, die er mit seinen Feldpostbriefen an sie zurücksandte, und die beiden Kassetten mit Briefen ihrer Freundin Hildegard Krenzien, die persönliche und zeitgeschichtliche Bewegungen Bustas zum Ende der Kriegszeit und nach dem Kriegsende verfolgen lassen. Auch Einzelveröffentlichungen (aus dem Nachlass oder im Projektrahmen ermittelte) wurden eingearbeitet.

Alle biographischen, poetologischen, literaturhistorischen und historischen Informationen wurden zu einer Chronik "destilliert", an der sich die Arbeiten und Forschungen des Projekts orientieren konnten (sie wird in den biographischen Band aufgenommen). In diesem Projekt wurde erstmals Bustas Beteiligung am Nationalsozialismus in den Blick genommen und ihr Schreiben in diesem Kontext und im Kontext der österreichischen Nachkriegszeit beleuchtet. Zwei Ergebnisse sollen hier exemplarisch genannt werden: 1. Nicht 1945 ist als Zäsur im Werk Bustas maßgeblich, sondern der Zeitpunkt der Entnazifizierung: 1948 treten andere Motive und Themen auf. Dieser Zeitpunkt fügt literaturgeschichtlichen Forschungen ein Kriterium hinzu. Berger nennt als "zweite[n] Phase der österreichischen Nachkriegsliteratur" die Jahre 1948 - 1955 (s.u. Fußnote 1) und begründet dies literaturwissenschaftlich gelungen, nimmt aber keine Engführung zu politischen Entwicklungen vor. Andererseits findet sich in der historiographischen Literatur der Hinweis darauf, dass von Personen, die nicht in der Wehrmacht gedient hatten (v.a. Frauen), das Kriegsende nicht als lebensgeschichtlicher Bruch wahrgenommen wurde und ihnen das "kollektive Erlebnis" des dramatischen Bruchs fehlte (s.u. Fußnote 2). Diese beiden Forschungsergebnisse wurden erstmals exemplarisch zusammengeführt (Bakacsy et. al. 2009a). 2. Bustas Notizen und Entwürfe aus ihren letzten beiden Lebensjahren (1986-1987) füllen eine Archivkassette. Aufwändige Transkriptionsarbeiten förderten zwar nicht die erwogenen weiter verknappten Formen wie Aphorismen o.a. zu Tage (Tavernier 2011), doch zeigte sich, dass in diesen Jahren die Beschäftigung mit dem Schuldthema wieder intensiver ist. Historisch fällt der Zeitraum mit dem Aufkommen und Andauern der "Waldheim-Affäre" (Beginn März 1986) zusammen.

Die Untersuchung der Korrespondenz zwischen Busta und dem 1939 emigrierten "pragerdeutschen" Schriftsteller J. Urzidil (1957-1970, ca. 200 Stück) ergab, dass Busta 1. Fragen nach ihrer Biographie untersagte, 2. der "tschechische", "Prager" Aspekt von Bustas Herkunft (v.a. ihr Vater, der nach 1918 nach Prag gezogen war und den sie nie kennengelernt hatte) als Grundlage einer mythischen Gemeinsamkeit diente und dass 3. die Korrespondenz als intensiver und extensiver literarischer Austausch betrieben wurde (Zankl 2013a).

Bei der Einarbeitung der Lyrik wurde darauf geachtet, ob und was an bisher unbekannten Schreibformen Bustas auftauchte. An "klassischen" Busta-Gedichten gab es unter den unveröffentlichten nach gemeinsamer Einschätzung keine, die eine weitere Veröffentlichung begründet hätten. (Zu den Kindergedichten vgl. Zwischenbericht 2011.) Die schon bei der Erschließung des Nachlasses aufgefallenen Dialektgedichte wurden bei der Einarbeitung aller Texte in die Datenbank systematisch verfolgt und konnten auch zeitlich zugeordnet werden. Mit dem Band "Erfreuliche Bilanz" (Tavernier/Steinsiek/Schneider 2013) wurden Busta-Gedichte erstmals und, in Distanz zu affirmativen Formen, nach editorischen Prinzipien herausgegeben (Auswahlkriterium Autorisierungsgrad, Nachweis des gewählten Textzeugen und Angabe allerweiteren, Glossar, Einzelstellenkommentar). Der Band wurde in Wien und Innsbruck präsentiert. In einem Aufsatz (Schneider/Steinsiek 2013, in Druck [erschienen, 2013]) wurde Bustas Weg von der Ablehnung bis zur Verwendung des Dialekts und seine Rolle in ihrem Werk aufgezeigt, wobei die Dialektlandschaft als umkämpftes Gebiet zwischen Populismus und Poetik der Avantgarde (zwischen Weinheber und Artmann) sich auftut. Die Web-Applikation BustaSearch kann als Beispiel für zukünftige literaturwissenschaftliche Projekte dienen. Eine Arbeitsplattform - sinnvollerweise wird zu Beginn die Sichtung, Sammlung, Bewertung des Forschungsmaterials betrieben, gerade bei bisher unbekannten Texten und Zeugnissen, eine relationale Datenbank (Access) kann dabei ab einer bestimmten Anzahl an Eingebenden sinnvoll sein - wird von Anbeginn für eine weitere Nutzung geplant - "weiter" einerseits den Benutzerkreis betreffend und andererseits die Nachhaltigkeit. Das Ziel der verantwortlichen Veröffentlichung gleich zu Beginn verhindert, dass nach Abschluss des Projekts eine Datenbank als ausgebeutete und undefinierbare Materialschutthalde ungenutzt auf einem Server ihrer Unlesbarkeit entgegendämmert. Die Datenbank konnte von allen am Projekt Beteiligten gespeist und genutzt werden und bald im Hinblick auf vorgegebene Forschungsfragen gezielt ausgewertet werden. Die web-Applikation erforderte von der Projektleitung (inklusive Ursula Schneider) konzeptuelle Überlegungen und strukturelle Überarbeitung (Redaktion und Adaption): 1. Es muss für die Nutzenden möglich sein, die Daten im Hinblick auf ihre quantitative und qualitative Güte (Transparenz) einzuschätzen, 2. Die Nutzung muss offen gedacht, aber auch auf erfahrungsgemäß von der Forschung gestellte Frage hin koordiniert werden, 3. Besonderheiten des Materials (v.a. materielle und immaterielle Rechte) waren zu berücksichtigen. (Potential und Funktionsweise von BustaSearch werden ausgeführt auf der entsprechenden Website, wir gestatten uns, die dafür verfassten Texte - Startseite, Impressum, Hilfe - als Teil des Berichts beizugeben, Anlage 1, Änderungen vorbehalten). Das Projekt konnte mit Joseph Wang auf einen Experten der digital humanities zugreifen (wenn auch nach bürokratischen Mühen). Er sorgte für die informationstechnologische Umsetzung der Vorgaben und für die gewünschte Nachhaltigkeit des Datenbankprogramms, u.a. durch Offenlegung der Source Codes. BustaSearch verzeichnet (in 10433 Datensätzen) die Werke und zahlreiche Korrespondenzen Bustas sowie ihre nichtliterarischen Texte (zum Folgenden vgl. auch BustaSearch), erlaubt differenzierte Suchen, ermöglicht editorische Zugänge. Im einfachsten Sinne erlaubt BustaSearch die Suche nach Namen und Begriffen. Die Frage, ob ein bestimmtes Gedicht von Busta stammt oder in welchem Gedichtband es veröffentlicht wurde, ist schnell beantwortet. Die Suche nach Namen oder Einrichtungen fügt der Literaturgeschichte (jenseits der Frage nach Bustas Verbindungen) Angaben hinzu. Will man etwa den Einfluss Trakls genauer untersuchen, können nun alle Busta-Werke auf "notorische" Trakl-Worte (oder Wortteile) hin durchsucht werden. Man kann suchen, welche Begriffe der Bibel verwendet werden und welche nicht, ab wann, in welchem Zusammenhang.

Als Brücke zu editorischem Arbeiten dient die Angabe der Textzeugen eines bestimmten Gedichts. Entwürfe, handschriftliche Fassungen, Typoskripte, Druckvorlagen können eine Datierung bereithalten und/oder eine Widmung, Korrekturen oder Varianten der Autorin. Diese Informationen können interpretative Ansätze unterstützen, aber auch eine Analyse des Schreibprozesses und die Darstellung der Textgenese ermöglichen (vgl. III, d.). Die Datierungen der Textzeugen (entweder von dem im Datensatz repräsentierten oder von anderen Textzeugen übernommen, wobei im Einzelfall genauer zu prüfen ist, ob es sich um den Zeitpunkt Entstehung oder der Überarbeitung handelt) erlauben eine differenziertere Orientierung als die z.T. viele Jahre auseinanderliegenden Publikationen der Gedichtbände. (Ursprünglich war die Verknüpfung dieser Daten mit der Chronik geplant, um festzuhalten, dass Bustas Lyrik vielfach ereignisorientiert ist und dass es Produktionswellen gab. Das kann in der Zusammenschau mancher Briefe und Gedichte auch festgestellt werden, wird aber wohl erst mit dem biographischen Band augenfällig. Der Plan musste aufgegeben werden, weil die Chronik noch nicht veröffentlichungsreif ist.)

Mit der erweiterten Suche (Suchfeld: Datierung) lassen sich Worte ("purpurn", "Christentum") und Motive ("Pan", "Pharisäer") in verschiedenen Zeiträumen beobachten (respektive lassen umgekehrte Wortfelder bestimmte Zeitphasen eingrenzen). Es zeigt sich bisweilen, dass und mit welchen Umarbeitungen ein Gedicht von einer Phase in die nächste Phase bzw. in eine Publikation "gerettet" wurde.
Einsehbare Indizierungen aller Wörter in den Volltextfeldern (= Wortlisten) erlauben es, Intertextualitäten (s.o.) bzw. Intratextualitäten auf die Spur zu kommen. Es ist nun möglich, die Bildsprache des Neuen Testaments, die die Charakterisierung Bustas als "christliche Dichterin" hervorgebracht hat, auf ihre Pragmatik zu untersuchen. Wenn Busta im Brief an Basil vom Nov. 1946 mitteilt, sie eigne sich nicht zum "Zöllner" oder "Pharisäer", bereitet sie damit auch eine typische Plattform der zeitgenössischen Exkulpation vor - wer kleinlich nach dem Gesetz oder Buchstaben richte, werde der Situation nicht gerecht. In die poetische Produktion werden diese beiden Begriffe jedoch erst ab Oktober 1948 aufgenommen (ein Befund, der sich mit den Ausführungen in Bakacsy et. al. 2009a deckt). Da alle Widmungen verzeichnet wurden - als Widmung wurden hier auch Hommagen verstanden - lässt sich herausfinden, dass eines der Gedichte, die in der Zeitschrift "Plan" Anfang 1947 veröffentlicht wurden, auf dem (undatierten) Typoskript im Nachlass die Widmung "Für Otto Basil" trägt - dieser Hinweis auf eine Widmung als mögliche captatio benevolentiae war im Druck entfallen.
Im weitesten Sinne versteht sich BustaSearch als ein Beitrag zum Versuch - unter Berücksichtigung aller Rechte -, der Literaturforschung Primärliteratur bereitzustellen.

Fußnote 1: Albert Berger: Schwieriges Erwachen. In: Literatur der Nachkriegszeit und der 50er Jahre in Österreich. Hgg. v. Fr. Aspetsberger, N. Frei, H. Lengauer. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984, 190-206, hier: 200.

Fußnote 2: Irene Bandhauer-Schöffmann, Ela Hornung: Das Geschlecht des Wiederaufbaus. Online unter www.erinnerungsort.at/dokumente/hornung.pdf, hier: 7.

III. [betreffend die Bedeutung des Projekts außerhalb des wissenschaftlichen Feldes (Auswahl)]
a. Das Projekt hofft die Tabuisierung gebrochen zu haben, die sich um die Verwendung christlicher Motivik in der Literatur gebildet hat. In der Forschung (Wiesmüller) hat man bisher auf das appellative Moment von Bustas Lyrik hingewiesen, auf die humanistische Absicht. Ohne das in Frage zu stellen, kann jetzt hinzugefügt werden, dass - dies wäre durchaus ein Grund für die ungeheure Popularität der Autorin in den 1950er und 1960er Jahren, belegt durch Literaturpreise, Auflagenhöhe, Rezensionen - diese Art der Dichtung, die erst seit dem Projekt als Dichtung einer Mitläuferin zu lesen ist, auch als Handreichung zur Exkulpation rezipiert werden konnte. Damit wäre der Literaturgeschichtsschreibung ein Aspekt hinzugefügt, der gesellschaftspolitische Relevanz hat und im Hinblick auf andere Autorinnen ebenso zu berücksichtigen wäre.
b. Die Web-Applikation BustaSearch wird womöglich als Paradigma für weitere Projekte gelten können. Sie will - in der Spannung zwischen urheberrechtlich geschütztem Material und der Orientierung am größeren Projekt der open access-Politik - eine ökonomische und erkenntnisorientierte Verbindung von archivalischen, editorischen, literar- und kulturwissenschaftlichen und literar- und kulturhistorischen Zugängen ermöglichen. Mit den offengelegten Source Codes sind Module für die Übernahme bzw. für Adaptierungen durch andere Nutzerinnen bereitgestellt.
c. Die Fotosammlung im Nachlass Bustas wurde vor allem für den biographischen Band digitalisiert. Für die Metadaten (Signatur, Motiv, Fotografin, Dargestellte usw.) wurde (ebenfalls von J. Wang) eine Meta-Datenbank entwickelt. Die Metadaten der Fotos im Busta-Nachlass wurden eingearbeitet. Die Identifizierung der abgebildeten Personen ist bei den prominenteren bzw. Busta-näheren Personen erfolgt, für zahlreiche andere ist sie aber noch (ev. gemeinsam mit Kolleginnen im Archiv) zu leisten. Die Meta-Datenbank wird für das Brenner-Archiv übernommen: Langzeitdigitalisierung für "analoge" AV-Medien ist ein Gebot der Stunde für Archive. Die Verwaltung der Metadaten stellt eine Herausforderung dar, die für das Brenner-Archiv mit der Meta-Datenbank gelöst scheint. Eine Publikation dieser Meta-Datenbank mittels einer Webapplikation, aufbauend auf den Source Codes von BustaSearch, ist angestrebt. Die (forschende) Öffentlichkeit wird dann nach den (ermittelten und verzeichneten) Personen oder Orten suchen können - auch aus anderen Beständen des Archivs.
d. Ein Gedichtentwurf Bustas von 1986 sowie ein weiterer Textzeuge und der Druck des Gedichtes wurden in Steinsieks Lehrveranstaltung "Rekonstruktion von Schreibprozessen - Manuskripte im Literaturarchiv" (SS13) verglichen. Die Druckfassung (deren Textzeuge als Textgrundlage vom Herausgeber nicht bekannt gemacht wurde) wurde als Reduktion empfunden, aber nicht im poetischen Sinne als "Ver-dichtung", sondern als "Weglassen" von hinzugefügten und immer wieder korrigierten Passagen, in dem sich das Ringen eines "lyrischen Ichs" (Busta?) um die
Bedeutung des Christentums zeigt.
 

Summary: Results of the Project (Ursula A. Schneider)

In the life and oeuvre of Christine Busta, poetics, religion and politics interweave in a distinctive and symptomatical way. This was the crucial thesis of the application, and it was corroborated during the project. Busta's involvement with National-Socialism was investigated for the first time; in this context as well as in the context of the Austrian post-war era, her writings were analysed. In 1948, new themes and motives entered Busta's poetry: 1945 was not the relevant turning point, but 1948, and with it the moment of denazification. These findings add a paradigmatical criterion to post-war literary history. // Busta's extensive correspondence (approx. 200 letters between 1957-1970) with Johannes Urzidil was analysed as an example: Urzidil belonged to the german-speaking literary circles of Prague in the inter-war years and was forced to emigrate with his jewish wife Gertrude in 1939. In their correspondence, Busta banned questions regarding her biography; both, she and Urzidil, emphasised the "Czech" or "Prague" aspect of Busta's origin (herfather moved to Prague after 1918) in order to create a mystic Community ignorant of all historical and biographical facts. Their correspondence is a concentrated discussion of literary works and ideas. // With "Erfreuliche Bilanz", a scholarly edition of poems in Viennese dialect was published. This book shows a very different author: In the idiom (often: slang) of Vienna Busta is less moralizing than in high-level poetic language, and succeeds in unerring and joking and yet poetic characterisations of persons and everyday situations. // The database, built up and used during the project, was intended for future online publication from the Start (project sustainability). The webapplication BustaSearch (http://webapp.uibk.ac.at/brenner-archiv/BustaSearch) gives access to 10.433 data-set entries containing Busta's entire literary oeuvre, numerous correspondences as well as non-literary material (such as her book reviews, her literary judgements, transcriptions of audio cassettes containing interviews with her). Physically, these documents are to be found in her Nachlass (51 boxes at the Research Institute Brenner-Archiv and 10 boxes at the Literary Archives of the Austrian National Library). The webapplication aims to cross the gap between the restrictions of Copyright law and the scholarly demand for open access to archival materials. It enables users to approach the materials economically and in a knowledge-orientated way. The webapplication facilitates approaches from various fields of interests, such as archival, editorial, literary, cultural, and historical scholarship. As a contribution to sustainability and open access policy, the source codes of the application are published as well to stimulate further development in the field of digital humanities. // That the taboo on Christian themes in poetry has been successfully broken, is the hope of the project participants. Without questioning the appellative and humanistic reasons of the author, one of the reasons of her immense success in the 1950s and 1960s was that her poems were read as Instructions for exculpation from whatever has been before 1945. This mechanism was not known before - neither has Busta's own involvement - and its description is one of the main achievements of the project: An insight that is not only relevant for this one author, but can be (and should be) applied to biographical research on other artists of the post-war era.

 

Evaluierung

(Auszüge aus dem Gutachten, erhalten im Dez. 2013)
"Die medial aufbereitete Bereitstellung des gesamten Nachlassmaterials bietet die willkommene Basis für poetologische und literarhistorische Studien zur weiteren Erforschung auch der Persönlichkeit der Lyrikerin. Die technische Perspektive sollte auch für andere Autoren Vorbild sein.
Darüber hinaus bedeutet die Erschließung aller Quellen die Grundlagen für weitere Forschungen:
1. hinsichtlich der kulturellen und sozialen Situation der österreichischen Literaturszene (Publikationsorte, Literaturpreise, Rezeption in Medien und Wissenschaft),
2. hinsichtlich der Vernetzung der Autorin im Dialog der zeitgenössischen Literaturszene, weit über einen engen Freundeskreis hinaus,
3. hinsichtlich der deutschsprachigen Lyrik der Nachkriegszeit (Motivik, poetologische Konzepte, Vorbilder, Stellung und Wirkung 'religiöser' Lyrik, gesellschaftlicher 'Auftrag' der Lyrik)."

"Die im Antrag genannten Ziele wurden voll erreicht. Insofern war auch während der Arbeitsphase keine grundlegende Planungsänderung nötig. Die im Bericht genannten Konzeptveränderungen der Publikationen (Werkausgabe) haben ihre Plausibilität in der gefundenen Begrifflichkeit einer biographisch wie poetologisch verorteten 'steckengebliebenen Aufarbeitung' (Abschlussbericht)."

Projektleiterin an Gutachter: Die für die Biographie gegebenen Hinweise (und Mahnungen) werden gern berücksichtigt!

 

 

Nach oben scrollen