Das Projekt "Paul Engelmann"

Seit 1996 bestand am Forschungsinstitut Brenner-Archiv ein Projekt, das dem jüdisch-mährischen Architekten, Kulturphilosophen und Literaten Paul Engelmann (1891-1965) gewidmet war. Der Auftraggeber des Projekts war das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Schwerpunkte waren Publikationen, eine Wanderausstellung in verschiedenen Varianten und Symposien. Das Projekt wurde 2003 abgeschlossen.

Paul Engelmann

Wer war Paul Engelmann? Und warum wird ihm gerade jetzt so viel Aufmerksamkeit geschenkt? - Engelmann entwarf das Gebäude, das heute als Wiener "Wittgenstein-Haus" bekannt ist. Die Entwürfe Engelmanns, der mit Ludwig Wittgenstein befreundet war, bildeten die Basis für Wittgensteins Überarbeitung. Engelmanns Bedeutung für die Wittgenstein-Forschung geht allerdings noch darüber hinaus: Die (posthume) Publikation von Wittgensteins Briefen an Engelmann und Engelmanns Erinnerungen an Wittgenstein (1979) waren der erste konkrete Beweis, dass eine positivistische Interpretation von Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus dem Werk nicht gerecht wird. Indem Engelmann auf Gemeinsamkeiten zwischen Wittgenstein und Wiener Intellektuellen wie Karl Kraus und Adolf Loos hinwies, bereitete er die Grundlage für die "Wiener" Interpretation von Wittgensteins früher Philosophie. So wurde Engelmanns Wittgenstein-Bild zu einem wichtigen Ausgangspunkt für eine Interpretation von Wittgensteins Philosophie, die auf ethische Komponenten und kulturkritische Aspekte bei Wittgenstein hinwies. Engelmann hatte die idealen Voraussetzungen, um auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen. Er war einer der ersten Schüler von Adolf Loos und Privatsekretär von Karl Kraus, für dessen Antikriegsdrama Die letzten Tage der Menschheit er Materialien sammelte. Gewissermaßen verkörperte Engelmann wie kaum ein anderer die Werte der "kritischen Moderne" in "Wittgensteins Wien".

Im Zuge der verschiedenen Phasen des Projekts Paul Engelmann wurde Engelmanns Leben und Werk erforscht: angefangen vom Milieu deutscher assimilierter Juden in Olmütz in Mähren, der Geburtsstadt Engelmanns, über Wien nach Israel, wohin er 1934 emigrierte (zu seinen Tätigkeiten dort zählt u.a. der Entwurf für den Thronsaal König Abdullahs von Jordanien). Dabei lag ein Schwerpunkt auf Engelmanns kritischer Einstellung zur Moderne und auf dem konstruktiven Charakter seiner kulturellen Aktivitäten. Die Ergebnisse wurden einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Wanderausstellung

Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe.
Der Weg von Olmütz nach Israel

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Wanderausstellung

In der zweiten Phase des Projekts wurde eine vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten unterstützte Wanderausstellung in einer nach dem Baukastenprinzip erweiterbaren Form erstellt. Bisherige Stationen waren Olmütz, Innsbruck, Aarhus, Prag, Belfast, Houston, Texas, Santa Fe de Bogotá und Medellin, Kolumbien.

Die Ausstellung zeichnet den Lebensweg Paul Engelmanns von Olmütz über Wien nach Israel auf 14 Schautafeln visuell nach. Kulturhistorische Abbildungen stehen neben Abbildungen aus Engelmanns Leben und Werk. Leider gibt es aufgrund des tragischen Schicksals der Familie Engelmann nur mehr wenige authentische Aufnahmen. Das Bildmaterial wird durch Texte erweitert, die Hintergrundinformationen bieten. Durch die Zusammenführung von Wort und Bild sollen ein Eintauchen in eine versunkene Kultur und damit ein besseres Verständnis der Zeit und der Persönlichkeit Engelmanns ermöglicht werden. Diese Materialien werden durch zwei Modelle des Müller Hauses in Olmütz ergänzt. Bei diesem Haus handelt es sich (neben dem "Wittgenstein-Haus") um das einzig näher dokumentierte Gebäude Engelmanns, das noch erhalten ist.

wandausstellung

Die Ausstellung zeigt die verschiedenen Welten und die Vielseitigkeit Engelmanns im historischen und kulturellen Kontext: Engelmanns Olmützer Welt, siene Welt in Wien, seine Kontakte zu Ludwig Wittgenstein, zu Adolf Loos und Karl Kraus und schließlich seine Welt in Israel nach seiner Emigration 1934.

Die geographischen Schwerpunkte sind dementsprechend Olmütz, Wien und Israel. Die thematischen Schwerpunkte sind Architektur, Philosophie und Literatur.

Die Ausstellung und der dazugehörige zweisprachige Katalog Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe. Der Weg von Olmütz nach Israel dienen als Basis und Anregung für die Auseinandersetzung mit Engelmann und seiner Zeit.­

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Publikationen

Paul Engelmann (1891-1965). Architektur-Judentum-Wiener Moderne

Paul Engelmann (1891-1965). Architektur-Judentum-Wiener Moderne

Hrsg. von Ursula Schneider. Folio-Verlag. Wien/Bozen 1999.
Der Band zum internationalen Engelmann-Symposium, das im April 1997 am Brenner-Archiv stattgefunden hat, dient zur Einführung in Paul Engelmanns Leben und Werk.
Mit Beiträgen von Judith Bakacsy, Elazar Benyoëtz, Erhard Busek, Allan Janik, Peter Kampits, Christoph Mader, Brian McGuinness, Walter Methlagl, Yehuda Safran, Ursula A. Schneider, Vladimír Šlapeta, Ludvík Václavek. Folio Broschur, 218 S., ÖS 214,-/ DM 33,- ISBN 3-85256-079-9

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Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe

Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe. Der Weg von Olmütz nach Israel./Paul Engelmann and the Central European Heritage. The Path from Olomouc to Israel.

Hrsg. von Judith Bakacsy. Folio-Verlag. Wien/Bozen 1999.
Der Katalog zur gleichnamigen Wanderausstellung zeichnet anhand zahlreicher Bilddokumente und Texte Engelmanns Lebensweg nach: von seiner Jugend im Milieu der assimilierten deutsch- sprachigen jüdischen Intellektuellen in Olmütz über die rege Teilnahme am Wiener Kulturleben um die Jahrhunderwende bis zu seiner Emigration und seinem Wirken in Israel.
Folio frz. Broschur, zweisprachig (engl./dt.), 96 S., ÖS 280,-/ DM 39,- ISBN 3-85256-095-0

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Architecture Language Critique. Around Paul Engelmann

Architecture Language Critique. Around Paul Engelmann

Hrsg. von J. Bakacsy - A. V. Munch - A.-L. Sommer. Rodopi. Amsterdam/Atlanta 2000.
(Studien zur Österreichischen Philosophie 31) Der Band zum zweiten internationalen
Engelmann-Symposium, das im Herbst 1999 in Aarhus in Dänemark stattgefunden hat, bietet eine interdisziplinäre Perspektive auf Themen wie Architektur, Sprache und Kulturkritik mit Bezug auf das Lebenswerk Paul Engelmanns. Mit Beiträgen von Niels Albertsen, Judith Bakacsy, Jean-Pierre Cometti, Allan Janik, Kent Kleinman, Nana Last, Anders Munch, Kasper Nefer Olsen, Anne-Louise Sommer, Leslie van Duzer, Paul Wijdeveld. 177 S., US $ 32,- ISBN 90-420-1383-4

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Neuauflage des Briefwechselbandes Engelmann - Wittgenstein

Neuauflage des Briefwechselbandes Engelmann - Wittgenstein
Somavilla, Ilse [Hrsg.]: Wittgenstein - Engelmann: Briefe, Begegnungen, Erinnerungen / Ilse Somavilla (Hrsg.). Unter Mitarb. von Brian McGuinness. - Innsbruck; Wien: Haymon-Verl., 2006. - 237 S.. - 3-85218-503-3 geb.: EUR 29,90. - 978-3-85218-503-3

(Der Band Paul Engelmann. Ludwig Wittgenstein. Briefe und Begegnungen (Hrsg. von B. F. McGuinness. Oldenbourg. Wien/München 1970.) wurde neu herausgegeben. Die Briefe Ludwig Wittgensteins an Paul Engelmann wurden durch die Engelmanns an Wittgenstein und durch eine Auswahl weiterer Briefe ergänzt. Durch einen zusätzlichen Kommentar und Aufsätze ist der Band sowohl wissenschaftlich relevant als auch kulturgeschichtlich informativ.)

Unveröffentlichte Publikationen

Auswahl von Engelmanns Schriften
Engelmanns Kommentar zur philosophischen, politischen und zeitgeschichtlichen Themen atmet einen kritischen, scharfen und humorvollen Geist.

Paul Engelmann Biographie
Der besondere Zeitgenosse von Karl Kraus, Adolf Loos und Ludwig Wittgenstein - Paul Engelmann und sein bewegtes Leben in Olmütz, Wien und Tel Aviv.

Mitarbeiter und Partner

Innsbruck

Projektleitung

Univ.-Prof. Dr. Allan Janik
Forschungsinstitut Brenner-Archiv der
Universität Innsbruck
Josef-Hirn-Straße 5
6020 Innsbruck
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Wissenschafliche Mitarbeit / Koordination

Dr. Judith Bakacsy
Forschungsinstitut Brenner-Archiv der
Universität Innsbruck
Josef-Hirn-Straße 5
6020 Innsbruck

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