16 HAUS AM HAVEN

Haus am Haven
(Credit: subkulturarchiv.at)

Standort

Die Punk- bzw. linksalternative Szene in Innsbruck

Die Ausstellung thematisiert, wie sich die Punkkultur sowie andere Subkulturen wie z.B. die junge Techno-Szene in Innsbruck niedergeschlagen haben. In Anlehnung an Marcel Amosers Dissertationsprojekt fokussiert die Installation das ehemalige „Haus am Haven“, das ehemals wichtigste subkulturelle Zentrum Westösterreichs. Das besagte Haus sowie die später zusätzlich angemieteten Objekte waren Überreste eines alten Sägewerkes und befanden sich am sogenannten „Retter Areal“, im Zwickel zwischen der Autobahnabfahrt Innsbruck-West, dem Inn und der Karwendelbahn. Das Grundstück war im Besitz der Inn-West GesmbH. Heute steht dort das kommerzielle „Veranstaltungszentrum Hafen“, mit dem ehemaligen Kultur- und in weiterer Folge auch Sozialprojekt hat es allerdings nichts mehr zu tun.

Im Sommer 1986 fanden in Innsbruck sogenannte „Chaostage“ statt, d.h. zahlreiche Angehörige der Punkkultur strömten nach Innsbruck und es kam zu massiven Zusammenstößen mit der Polizei. Als eine der Folgen wurde Anfang 1987 das damalige Bogenlokal „AKT“, in dem sich unter anderem die linksalternativ-subkulturelle Szene Innsbrucks traf, behördlich geschlossen. Somit brachen Freiräume für künstlerische Tätigkeiten, etwa Probe- und Auftrittsmöglichkeiten für Bands, über Nacht weg.

Es mussten nun neue Räume und Möglichkeiten gesucht werden und schließlich konnte vom Verein „Kulturkontraste“ das „Haus am Haven“ angemietet werden. Später wurden zusätzliche Gebäude angemietet: die etwa „Trockendock“ und „Flughafen“ genannt wurden. Allen Gebäuden gemeinsam war, dass sie saniert werden mussten. Mit der Zeit entwickelte sich der „Haven“ zum wichtigsten subkulturellen Zentrum Westösterreichs. Neben dem Trägerverein beteiligten sich auch zahlreiche andere Vereine und Initiativen am kulturellen Geschehen wie z.B. Büro Diderot, cunst&co oder Innpuls. Mit anderen österreichischen Kulturzentren bestanden Kooperationen, wie z.B. mit dem Wiener Flex oder dem Linzer KAPU. Mithilfe dieses Netzwerkes kamen viele Bands auch nach Innsbruck, im „Haven“ selber probten in den Jahren 1991/92 etwa 20 Bands. Der „Haven“ wurde damit sowohl Proberaum als auch Tonstudio, Konzertsaal, Atelier und Kino. Bis zu seinem Ende im Jahr 1993 wurden dort ungefähr 600 Veranstaltungen durchgeführt, davon etwa 60 Kinoabende und 400 Konzerte. Jährlich kamen etwa 7.000 BesucherInnen zu den Veranstaltungen. Die Einnahmen dienten nicht dem Profit, sondern um die laufenden Kosten wie Miete und Instandhaltung zu decken.

 

 

Neben der kulturellen Komponente entwickelte sich der „Haven“ zusätzlich zu einem Wohnprojekt. Im „Flughafen“ wurden Räume zum Wohnen eingerichtet, auf dem Gelände wohnten Leute in Wohn- und Bauwägen. Insgesamt waren das etwa 30 Personen, im Sommer stieg die Anzahl auf 50, da zahlreiche BesucherInnen aus den anderen Bundesländern hier eine kurzzeitige Bleibe fanden. Später kam es zu Problemen, als drogensüchtige Personen, die sozialarbeiterische Hilfe benötigt hätten, sich am „Haven“ ansiedelten. Auch von mutwilligen Zerstörungen, Diebstählen und Gewalt wurde berichtet.

Bis in das Jahr 1991 verlief das bis dahin größte alternative Wohn- und Kulturprojekt Innsbrucks erfolgreich, ehe es dann zur Hiobsbotschaft kam: das gesamte Areal soll geschleift und ein Parkplatz draus werden. Das passierte dann auch schlussendlich am 1. Oktober 1993. Das verlief nicht ohne den Widerstand (z. B. Unterschriftenaktion), aber auch nicht ohne verschiedene Lösungsansätze der HavenbewohnerInnen. Zum Beispiel wurde ein beträchtlicher Schuldenstand innerhalb kurzer Zeit abgebaut oder ein Konzept für die zukünftige Nutzung ausgearbeitet. Sowohl mit der Stadt Innsbruck als auch mit der Inn-West GesmbH wurde unter anderem verhandelt, wenigstens fünf Prozent des Geländes für das Kulturprojekt zu erhalten. Die Antwort war letztendlich „Nein“.

Neben Einblicken in das kulturelle Schaffen sollen die eben angesprochenen Aushandlungsprozesse bzw. die Versuche, zu einer Lösung zu kommen, die zum größten Teil in den Jahren 1992 und 1993 stattfanden, in dieser Ausstellung behandelt werden. Dabei ist auch auf die Vielfalt innerhalb der Havenszene zu achten, denn nur vermeintlich handelt es sich um eine homogene Gruppe. Des Weiteren ist der Aspekt zu beachten, dass diese Auseinandersetzung nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht: Die Mitglieder der Havenszene sprachen sich gegen das traditionelle Verständnis von Kultur aus, sie wollten weg von einer reinen Konsumkultur und eben eine alternative Kultur selbst schaffen. Viele davon stammen aus einem „typischen Tiroler“ Elternhaus mit konservativen Wertehaltungen, welche einem Projekt wie dem „Haus am Haven“ potentiell entgegenstehen. Gesprächsbereit waren zunächst beide Seiten, Lösungen schienen in Sicht, eine endgültige Lösung, die für beide Seiten tragbar gewesen wäre, kam jedoch nicht zustande. Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Politisierung, einerseits durch Angriffe von Neonazis bzw. rechtsextremen Skinheads, andererseits durch die von der „Haven“-Szene so empfundene Beeinträchtigung durch die Politik der ÖVP (z.B. die ÖVP-Kampagne „Innsbruck darf nicht Hafenstadt werden“, Verweigerung von Subventionen etc.), der das linksalternative Kultur- und Wohnprojekt ein Dorn im Auge war.

Als Quellen und als Elemente der Ausstellung dienen dabei Berichte aus Zeitungen (hauptsächlich Tiroler Tageszeitung, aber auch Standard und Kurier u. a.), die im „Haven“ selbst hergestellte havenpress sowie damalige „Tirol heute“-Sendungen aus dem ORF-Archiv. Mit Flachmaterial direkt vom „Haven“ wird die Ausstellung von Maurice Munisch Kumar vom „subkulturarchiv innsbruck“ unterstützt.

Die Ausstellung soll so aufgebaut werden, wie es dem Charakter der damaligen Szene am „Haven“ entsprach: mit „Do-It-Yourself“ (also selbst planen, selbst aufbauen, ev. auch Material aus dem Sperrmüll) und mit – in gewissem Ausmaß – der „Macht der Spontanität“ und Improvisation.

 

Haus am Haven: das Haus
(Credit: subkulturarchiv.at)

Quellen

Gregor Sanders, Zwischen Kultur schaffen und Widerstand, Dipl, Innsbruck 2010.
Havenpress, [http://www.literature.at/collection.alo?objid=12870], eingesehen 14.2.2019.
subkulturarchiv innsbruck, Startseite, o. D., [https://subkulturarchiv.at/index.php], eingesehen 14.2.2019.

Forschungsprojekt

zu sozialen Bewegungen in Innsbruck, Marcel Amoser, Institut für Zeitgeschichte (Philosophisch-Historische Fakultät)

Umsetzung

Tobias Leo, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie (Philosophisch-Historische Fakultät), Sophie Gumpold, Balbina Zikesch, Institut für Gestaltung (Fakultät für Architektur)

Projektbeteiligte

Lukas Hübner

Ort

Tiroler Landesmuseen – Foyer Volkskunstmuseum

Installation

(Credit: Tobias Leo)


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