... auch außer der Schule ein wachsames Auge ...

Raufhändel von Studenten mit anderen Gruppen junger Männer waren gerade in der Frühen Neuzeit häufig. Später fürchtete man eher die Bildung konspirativer Gruppen. Wie sind nun (sehr) junge, nicht volljährige Männer zu bändigen, die in die Universitätsstadt kommen, und nicht mehr unter unmittelbarer Aufsicht ihres Vaters oder Vormundes stehen?
Symbolbild Professoren
Bild: Symbolbild Professoren. Montage (von links): Rektorsgemälde Hieronymus Leopold Bacchettoni (18. Jh.), Büste von Franz Xaver Jellenz (18. Jh.), Prof. Carl Heider (Ferdinadeum Sign. FB16339–013). (Credit: Universität Innsbruck/Ferdinandeum)

Schreiben Gouverneur Chotek an phil. Studiendirektorat v. 20. August 1824. UAI, PhilFak 1822–1824.

Schreiben Gouverneur Chotek an phil. Studiendirektorat v. 20. August 1824. UAI, PhilFak 1822–1824.

Transkription:

An das philosophische Studien-
Directorat    dahier.

[...] Ferner habe ich auch die Anzeige erhalten, daß ausser dem Herrn Studien Director, und den Professoren Scherer und Suppan die übrigen Professoren der philosophischen Fakultät dem sittlichen Betragen der Schüler außer der Schule wenig, oder gar keine Aufmerksamkeit widmen.

Da Niemand mehr berufen ist, darüber zu wachen, als die Herrn Professoren selbst, so wünsche ich, daß sie auf das moralische Benehmen ihrer Schüler auch außer der Schule ein wachsames Aug halten, und ihren Einfluß als Lehrer benützen, um dort, wo es Noth thut, zu ermahnen, und zu beßern.

Innsbruck am 20ten August 1824
Chotek

Schreiben Gouverneur Chotek an phil. Studiendirektorat v. 20. August 1824. UAI, PhilFak 1822–1824.

Das philosophische Propädeutikum schloss unmittelbar an das sechsjährige Gymnasium an. Die meisten Studenten waren also noch sehr jung. Daher hatte von der Anforderung wie vom Selbstverständnis her die Universität, d.h. Rektor und Professoren, nötigenfalls die Funktion der hausväterlichen Gewalt (patria potestas) zu übernehmen und die Studenten in ihrem Lebenswandel zu kontrollieren, bzw. auch zu rügen oder zu bestrafen, ein Unterfangen, das umso schwieriger durchzuführen war, je mehr sich in der Gesellschaft die alten Strukturen eines Hausverbandes auflösten. Hinter dem Schreiben des Gouverneurs verbirgt sich wohl auch das Anliegen, die „Verführung“ dieser jungen Studenten, die Bildung von Studentenverbünden, Burschenschaften, nationalen, liberalen Bewegungen zu verhindern. Die Beschwerde des Gouverneurs lief allerdings ins Leere, da einer der „übrigen Professoren“ mit seiner Familie etwas außerhalb lebte, ein anderer den ersten Jahrgang nicht unterrichtete, also die Jungen gar nicht kennen konnte.

​(Margret Friedrich)

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