Zur schrift­lichen Aus­arbei­­tung läng­stens binnen 12 Stun­den

Bevor die Habili­tation als Lehr­befähigung für Professoren eingeführt wurde, mussten sich Kandidaten für eine Professur einem aufwendigen Prüfungsverfahren unterziehen, unter anderem einer zwölfstündigen schriftlichen Prüfung. Dabei mussten die Professoren schriftliche Fragen beantworten und so ihr Wissen unter Beweis stellen.
Symbolbild Professoren
Bild: Symbolbild Professoren. Montage (von links): Rektorsgemälde Hieronymus Leopold Bacchettoni (18. Jh.), Büste von Franz Xaver Jellenz (18. Jh.), Prof. Carl Heider (Ferdinadeum Sign. FB16339–013). (Credit: Universität Innsbruck/Ferdinandeum)

Konkursfragen für den Lehrstuhl der Religionslehre, Tiroler Landesarchiv, 1836 Fasz. 3125, Studien/4340

Transkription:

Zur schriftlichen Ausarbeitung längstens binnen 12 Stunden

Welchen Werth hat die Erziehung auf die Aeltern- und Geschwisterliebe zu legen, und wie soll sie der unordentlichen Selbstliebe begegnen?

1. Welche Rücksicht hat man bei der moralischen Besserung der Jugend auf die Lehren der Religion zu nehmen?

2. Sind Belohnungen bei der moralischen Erziehung der Jugend anwendbar, welche sind verwerfliche, welche mehr anzurathen, und wie sind sie zu gebrauchen?

Hallaschka

Wien den 10. September 1833

Konkursfragen für den Lehrstuhl der Religionslehre, Tiroler Landesarchiv, 1836 Fasz. 3125, Studien/4340

Seit 1777 musste sich jeder Kandidat für eine Professur einer Prüfung unterziehen, einem so genannten Konkurs. Das Konkursverfahren wurde zwar im Laufe der Jahrzehnte mehrfach reformiert, und die Regeln und Anforderungen immer weiter verfeinert, im Kern bestand das Verfahren aber aus einer zwölfstündigen schriftlichen Prüfung und einem mündlichen Probevortrag. Die „Prüfungselaborate“ der Kandidaten sowie der Vortrag wurden anschließend vom Professorenkollegium der jeweiligen Fakultät begutachtet und bewertet. Auf der Grundlage dieser Gutachten, die nicht nur die wissenschaftliche Qualität („litterarische Werth“), sondern auch „die Tendenz der in derlei Elaboraten ausgesprochenen Lehren und Grundsätze, welche auf die Gesinnung und Moralität der Concurrenten schließen lassen“ sowie die sprachlichen Fähigkeiten beurteilen sollten, legte der Studiendirektor eine Rangfolge der Kandidaten in einem Dreiervorschlag fest. Dieser Dreiervorschlag wurde daraufhin von der Studienhofkommission in Wien – seit Maria Theresia bis 1848 die zentrale bildungspolitische Schaltstelle der Monarchie – bewertet und daraufhin dem Kaiser ein Kandidat zur Ernennung vorgeschlagen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Konkursfragen aus dem Jahr 1833 für den Lehrstuhl der Religionslehre, einem Fach, das vor allem die religiöse und moralische Erziehung der Studenten sorgen sollte und einen zentralen Stellenwert im Rahmen des philosophischen Studiums besaß. Für diesen Lehrstuhl mussten die Kandidaten jeweils auch eine Predigt ausarbeiten, die das bischöfliche Ordinariat beurteilen musste. Dies zeigt auch den Einfluss der Kirche auf die Universität. In diesem Fall bestand Karl Beskiba den Konkurs am besten, auch wenn es seinem Elaborat, wie jenem seines Konkurrenten „an Vollständigkeit, logischer Ordnung und wissenschaftlicher Darstellung fehlt, doch aber in beiden Wahrheit liegt und aus beiden ein guter, religiöser Geist spricht.“

​(Christof Aichner)

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