Vertragsfreiheit
und Privatautonomie | |
| |
A. Allgemeines
zur Vertragsfreiheit |
I. Freiheit des
Vertragsschlusses | |
Freiheit ist nach
den Institutionen Justinians (1, 3) die „natürliche Fähigkeit, das
zu tun, was einem jeden zu tun beliebt, sofern es nicht durch Gewalt
oder Recht verhindert wird”. Es steht daher auch jedermann frei,
Verträge zu schließen oder darauf zu verzichten. Genauer: Wir können
selbst bestimmen „ob”, „wie” und „wann” ein Vertrag geschlossen
wird und wie lange er gelten soll. Wo kämen wir auch hin, wenn andere
einen dazu zwingen oder verpflichten könnten. – Diese Freiheit autonomer
rechtsgeschäftlicher, insbesondere aber vertraglicher Betätigung
ist ein fundamentales Recht in freien Gesellschaften. Man spricht
von Privatautonomie und meint damit, dass die Rechtsordnung
es den Parteien des Rechts- und Wirtschaftslebens überantwortet,
ihre rechtlichen Fragen und Beziehungen zueinander selbst(verantwortet)
zu regeln; Selbstgestaltungsfreiheit von Rechtsverhältnissen. | |
Die
Wirtschaft benötigt rechtliche Rahmenbedingungen. Der Vertrag ist
häufig das Mittel, um wirtschaftliches Handeln, ökonomische Zielsetzungen
unter den Schutz staatlich-rechtlicher Rahmenbedingungen zu stellen.
Im Vertrag begegnen sich gleichsam der Staat und sein Recht und
die Parteien des Wirtschaftslebens. Ökonomisches Vertrauen braucht
eine rechtliche Basis, die im Ernstfall jene „Gerechtigkeit” (wieder)herstellen
soll, welche die Marktwirtschaft alleine nicht zu schaffen vermag;
Rechtssicherheit. – Privatautonomie und Vertragsfreiheit sind demnach (privat)rechtliche
Entsprechungen und unverzichtbare Ergänzungen jedes marktwirtschaftlichen Systems. | Rechtssicherheit |
Zum historischen Entstehen von Vertragsfreiheit,
Privatautonomie und überhaupt von Rechtssubjektivität und subjektiven
Rechten: Barta, „Graeca non leguntur?” – Zum Ursprung des europäischen
Rechtsdenkens im antiken Griechenland (in Vorbereitung: 2005). | |
II.
Vertragsfreiheit
und Verfassung | |
Im Privatrecht
gilt Vertragsfreiheit. Aber nicht in allen Bereichen des Privatrechts
tritt sie gleichermaßen stark in Erscheinung. Besonders umfassend
wird sie im Schuldrecht gewährt, was einen wichtigen Unterschied
zum Sachenrecht (Typenzwang → KAPITEL 8: Typenzwang)
oder Familienrecht darstellt. – Es erstaunt, dass diese für unsere
Staats- und Wirtschaftsordnung so grundlegende Freiheit, Verträge
zu schließen, in Österreich verfassungsrechtlich / grundrechtlich
nicht ausdrücklich abgesichert ist. (Die Grundrechtsreform stellt
ein trauriges Kapitel der österreichischen Rechtspolitik dar.) –
Vertragsfreiheit und Privatautonomie werden heute nach hA verfassungsrechtlich
durch die Grundrechte des Wirtschaftslebens garantiert: d. s.: Art
5 StGG: Unverletzlichkeit des Eigentums und Art
6 StGG: Freiheit der Erwerbsbetätigung und Freiheit des Liegenschaftsverkehrs.
Eine eigene Regelung erschiene aber wünschenswert. | Grundrechtsreform? |
| |
Die Freiheit, Verträge schließen zu können,
kann als Beispiel für (nichtnormiertes) Verfassungs(gewohnheits)recht betrachtet
werden, zumal die interpretative Ableitung aus den Art 5 und 6 StGG
umständlich und gezwungen erscheint und keineswegs auf der Hand
liegt. | |
Karl
Anton von Martini hat dieses Problem bereits klar
gesehen und in seinem Entwurf (1796) berücksichtigt. Es wäre eine
noble Geste unseres Gesetzgebers gewesen und hätte die aufgezeigte
Lücke in unserer Rechtsordnung auf elegante Weise gefüllt, hätte
der Gesetzgeber im Gedenken an Martinis 200. Todestag am 8. August
2000 – cum grano salis – dessen Formulierung übernommen und sie
in den Verfassungsrang erhoben. Was immer noch nachgeholt werden
kann. In Martinis Entwurf (I 2 § 3) heißt es: „Wer seinen rechtlichen
Willen erklärt, Jemanden etwas zu leisten, der macht ein Versprechen.
Wird ein Versprechen angenommen, so entsteht durch beiderseitige Einwilligung
ein Vertrag. [~ § 861 ABGB] Es gehöret demnach unter die allgemeinen
Rechte der Menschen auch das Recht, Verträge zu schließen und andurch
Sachen, das heißt Alles, was zu irgend einem Gebrauch dienlich ist, zu
erwerben, oder an einen Andern etwas zu übertragen.” | Martinis Vorschlag |
III. Vertragsfreiheit
und Privatautonomie | |
Vertragsfreiheit, als
Erscheinungsform der Privatautonomie, ist nach W. Flume „das Prinzip
der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen
nach seinem Willen”; AllgT des Bürgerlichen Rechts, § 1, 1 (19924). | W. Flume |
”Im Bereich der Privatautonomie kann der
einzelne … grundsätzlich nur für sich selbst und sein Vermögen rechtsgeschäftliche
Regelungen treffen. Durch eine rechtsgeschäftliche Regelung kann
jemand grundsätzlich nur betroffen werden, wenn er selbst als Beteiligter
des Rechtsgeschäfts sie mit in Geltung gesetzt hat”; W. Flume. | |
Zu den tatsächlichen Beeinträchtigungen der Vertragsfreiheit
vgl → Vertragsfreiheit
und Privatautonomie – Zum Spannungsverhältnis zwischen rechtlicher
und tatsächlicher Vertragsfreiheit: Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts,
in: AcP 200 (2000) 273. | |
Vertragsfreiheit
und Privatautonomie sind aber auch nicht grenzenlos,
vielmehr haben sich die Parteien in den vorgegebenen Rahmen und
die Wertungen der (Gesamt)Rechtsordnung einzufügen; Verstöße dagegen
werden – zB durch § 879 ABGB: Gesetz- und Sittenwidrigkeit → KAPITEL 11: Gesetz-
und Sittenwidrigkeit.
– sanktioniert. | Vertragsfreiheit
und Privatautonomie sind nicht schrankenlos |
Die grundsätzliche Gleichbehandlung
beider Vertragsparteien verkennt nicht, dass im Rechts-
und Wirtschaftsleben mitunter beträchtliche Ungleichheiten herrschen;
zB: Vertrag eines Greißlers mit einem Weltkonzern. Daher setzt die
Rechtsordnung der Privatautonomie immer wieder Schranken; neben
§ 879 ABGB, zB in den §§ 864a, 870, 871 ff oder den §§ 922 ff ABGB
(Gewährleistung), §§ 934 f ABGB (Verletzung über die Hälfte) und
durch das KSchG ( → KAPITEL 2: Verbraucherrecht ¿ Konsumentenschutz). Überhaupt durch Schutzgesetze: MRG, WEG,
WGG, PHG, Arbeitsrecht (etwa DNHG)! – Auch Äquivalenzstörungen über
ein gewisses Maß hinaus werden nicht geduldet. | Gleichbehandlung
beider Vertragsparteien |
|
SZ 69/176 (1996): Es ist Ausfluss
des Grundsatzes der Vertragsfreiheit, wenn ein Zeitungsunternehmen den
Abdruck eines Inserats, welches das Logo eines Konkurrenten enthält,
verweigert. Auch ein Kontrahierungszwang wird verneint. Zur fehlenden
Sittenwidrigkeit → KAPITEL 11: Gegen
die guten Sitten. | |
|
IV. Grenzen der
Vertragsfreiheit | |
Die Freiheit
des Vertragsschlusses, die natürlichen und juristischen Personen
zusteht (§ 26 ABGB), wird aus verschiedenen Gründen – individualistischen
und kollektiven – eingeschränkt: | |
Einerseits stellt das Gesetz / die
Rechtsordnung selbst klar, dass diese Freiheit in ihrer konkreten einzelnen
Anwendung nur innerhalb der vorgegebenen Grenzen der Rechtsordnung
gewährt wird. Sie ist also keine schrankenlose. Verstöße gegen das
Gesetz (= gesetzwidrige Vereinbarungen:
§ 879 ABGB) oder – mag etwas nicht ausdrücklich ver- oder geboten
sein – gegen den Geist der Rechtsordnung (= Verstöße gegen die guten
Sitten: § 879 ABGB), werden nicht geduldet. Dies aus der einfachen
Überlegung heraus, dass jemand, der sich der Rechtsordnung bedienen
will, um Rechtsfolgen und dadurch rechtlichen Schutz iSv Rechtssicherheit
zu erlangen, sich an deren Regeln halten muss. Das gilt sowohl dafür,
dass beide Vertragsparteien bewusst gegen die Rechtsordnung verstoßen,
wie dafür, dass eine Partei die andere ungebührlich übervorteilt;
zB in Knebelungsverträgen oder durch einseitige AGB ( → KAPITEL 6: Allgemeine
Geschäftsbedingungen)
oder durch unzulässige Freizeichnungsklauseln → KAPITEL 9: Verschulden
(culpa). | Grenzen
der Rechtsordnung |
Kollektive
Einschränkungen der Vertragsfreiheit erfolgen zB aus: | Einschränkungen |
• Gründen des wirtschaftlichen
Wettbewerbs (UWG, Kartellrecht, Preisregelungen / -bindungen, Ladenschlusszeiten
etc) oder | |
• sozialen Gründen (Kinder-, Jugend-, Mutterschutz,
Nachtarbeitsverbot etc), überhaupt Schutzgesetze!; zB MRG, KSchG,
PHG, Arbeitsrecht: Kollektivverträge! → KAPITEL 11: Der
Kollektivvertrag als Rechtsquelle. | |
• Schließlich aus allgemeinen Gerechtigkeits-
und wohlfahrtsstaatlichen Überlegungen heraus. Dazu dient bspw der
Kontrahierungszwang (→ Kontrahierungs-
oder Abschlusszwang ),
der zB eine verkehrs- oder transportmäßige Versorgung der Bevölkerung
gewährleisten soll, die nicht vom Belieben monopol- oder oligopolartiger
Anbieter abhängen soll; zB Post, Bahn, aber auch private Beförderungsmittel.
– Hierher gehört auch die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln,
die das NahversorgungsG mittels Kontrahierungszwanges zu gewährleisten
versucht. | |
Die
Vertragsfreiheit wird auch durch zahlreiche Verwaltungsvorschriften
eingeengt. So benötigen bestimmte Berufe schon für den Vertragsabschluss
bspw ein amtsärztliches Zeugnis nach dem BazillenausscheiderG 1950;
zB Köche oder Kellner. – Arbeitssuchende, die nicht österreichische
oder EU-Bürger sind, brauchen eine Beschäftigungsbewilligung (gilt
für bestimmte Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber). | |
| |
| |
V. Beispiel:
Bankgeschäfte | |
Die Vertragsfreiheit
hat in gewissen Bereichen zu einer Entwicklungsexplosion neuer oder
doch gemischter Vertrags- und Geschäftstypen geführt
oder deren Vorbereitung gefördert. Als Beispiel soll schon hier
(zu den sog atypischen und Mischverträgen → Gemischte
und atypische Verträge)
ein Wirtschaftsbereich angeführt werden, dessen rechtsgeschäftliche
Diversifikation ein beeindruckendes Ausmaß erreicht hat: der Bankensektor.
Die in § 1 BWG umschriebene Geschäftstätigkeit der Kredit- und Finanzinstitute
wird in Form eines „Links” angeboten. Mehr zu den Bankgeschäften → KAPITEL 14: Bankgeschäfte ( V.
Thurnher) | |
§ 1. (1) Ein Kreditinstitutist,
wer ... berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben. Bankgeschäfte sind
die folgenden Tätigkeiten, soweit sie gewerblich durchgeführt werden: | |
. Die Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung
oder als Einlage (Einlagengeschäft); | |
. die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs
und des Abrechnungsverkehrs in laufender Rechnung für andere (Girogeschäft); | |
. der Abschluss von Geldkreditverträgen und
die Gewährung von Gelddarlehen (Kreditgeschäft); | |
. den Kauf von Schecks und Wechseln, insbesondere
die Diskontierung von Wechseln (Diskontgeschäft); | |
. die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren
für andere (Depotgeschäft); | |
.
die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten und Reiseschecks; | |
7. der Handel ... mit | |
a) ... | |
b)
ausländischen Zahlungsmitteln (Devisen- und Valutengeschäft); | |
c)
Optionen und Finanzterminkontrakten (Termin- und Optionsgeschäft); | |
d) ... | |
e) Wertpapieren (Effektengeschäft);
… | |
. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien
und sonstigen Haftungen für andere, sofern die übernommene Verpflichtung
auf Geldleistungen lautet ( Garantiegeschäft); | |
. die
Ausgabe von Pfandbriefen, Kommunalschuldverschreibungen und fundierten
Bankschuldverschreibungen und die Veranlagung des Erlöses nach den
hiefür geltenden besonderen Rechtsvorschriften (Wertpapieremissionsgeschäft); | |
10. die Ausgabe anderer festverzinslicher
Wertpapiere zur Veranlagung des Erlöses in anderen Bankgeschäften (sonstiges
Wertpapieremissionsgeschäft); | |
. die Teilnahme an der Wertpapieremission Dritter
und die diesbezüglichen Dienstleistungen (Loroemissionsgeschäft); | |
. die Entgegennahme von Bauspareinlagen und
die Vergabe von Bauspardarlehen nach dem Bausparkassengesetz (Bauspargeschäft); | |
. die Verwaltung von Kapitalanlagefonds nach
dem Investmentfondsgesetz (Investmentgeschäft); | |
. die Errichtung
oder Verwaltung von Beteiligungsfonds nach dem Beteiligungsfondsgesetz
(Beteiligungsfondsgeschäft); | |
. das
Finanzierungsgeschäft durch Erwerb von Anteilsrechten und deren
Weiterveräußerung (Kapitalfinanzierungsgeschäft); | |
. der Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen
oder Dienstleistungen, die Übernahme des Risikos der Einbringlichkeit
solcher Forderungen – ausgenommen die Kreditversicherung – und im
Zusammenhang damit der Einzug solcher Forderungen (Factoringgeschäft); | |
17 .... | |
18. die Vermittlung von
Geschäften nach ... | |
(2) Ein Finanzinstitut ist,
wer kein Kreditinstitut iSd Abs 1 ist und berechtigt ist, eine oder
mehrere der folgenden Tätigkeiten gewerbsmäßig durchzuführen, sofern
er diese als Haupttätigkeit betreibt: | |
. Der Abschluss von Leasingverträgen (Leasinggeschäft); | |
. der schaltermäßige Ankauf von ausländischen
Zahlungsmitteln (zB Geldsorten, Schecks, Reisekreditbriefen und Anweisungen)
und der schaltermäßige Verkauf von ausländischen Geldsorten und
Schilling-Reiseschecks (Wechselstubengeschäft); | |
3. die Beratung von Unternehmen über
die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie und die damit verbundenen Fragen
sowie die Beratung und die Erbringung von Dienstleistungen auf dem
Gebiet der Zusammenschlüsse und Übernahme von Unternehmen; | |
. die Portfolioberatung; | |
. die Erteilung von Handelsauskünften; | |
. die
Erbringung von Schließfachverwaltungsdiensten. | |
| |
| Abbildung 5.1: Vertragsfreiheit – Privatautonomie |
|
| Abbildung 5.2: Die „4 Freiheiten” der Privatautonomie |
|
| |
|
In Anlehnung
an die vier „EU-Freiheiten” wird hier von „Vier Freiheiten
der Vertragsfreiheit “ gesprochen; P. Jordan. Selbstbestimmung,
Privatautonomie, Vertragsfreiheit des Einzelnen ist ein Grundrecht
in freien Staaten. – Die Begriffe „Privatautonomie” und „Vertragsfreiheit”
werden häufig synonym verstanden; W. Flume: | |
„Das ergibt sich daraus, dass der Vertrag
die Hauptform privatautonomer Gestaltung ist.” | |
Unter Privatautonomieversteht man im Privatrecht
die Möglichkeit der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch
natürliche und juristische Personen (nach deren Willen). Das Mittel dazu
ist das Rechtsgeschäft, insbesondere der Vertrag.
– Freie Gesellschaften stellen es ihren Rechtssubjekten frei, ob
sie Verträge schließen wollen oder nicht; Vertragsfreiheit.
Besondere Bedeutung besitzt die Vertragsfreiheit im Schuldrecht. | |
Man unterscheidet grundsätzlich folgende vier Facetten der
Vertragsfreiheit: | |
I. Abschlussfreiheit
<-> Kontrahierungszwang | |
Mit
der Abschlussfreiheit wird die grundsätzliche – naturrechtlich fundierte
– Freiheit, Verträge zu schließen oder nicht zu schließen, angesprochen →
Vertragsfreiheit
und Verfassung –
Sie setzt, wie bereits erwähnt, ein freies Individuum voraus. | |
1. Kontrahierungs-
oder Abschlusszwang | |
Eine wichtige Ausnahme
von der weithin bestehenden Abschlussfreiheit statuiert der nur
unter gewissen Voraussetzungen bestehende Kontrahierungs- oder Abschlusszwang.
– Darunter wird die Verpflichtung verstanden, einen Vertrag bestimmten
Inhalts abschließen zu müssen; vgl SZ 44/138. Eine solche Verpflichtung
wird aber nur ausnahmsweise angenommen: | |
• für Unternehmen mit
Monopolstellung oder doch monopolähnlichem Charakter; insbesondere wenn
diese Unternehmen Einzelne mit lebenswichtigen Gütern versorgen.
Hier zu nennen ist die Versorgung durch kommunale öffentliche Betriebe
mit Strom, Gas, Wasser, Kanal, Verkehrsbetriebe, Müllabfuhr, Telefonanschlüsse,
öffentliche Bibliotheken, Museen, Galerien, Sportstätten, Schwimmbäder
usw; | |
• aber auch aufgrund besonderer gesetzlicher
Anordnung; vgl die folgenden Beispiele. | |
| |
| |
Kein
Abschlusszwang besteht aber bspw für Kinos, Gaststätten, Diskotheken (Harry
Belafonte in Linz!), es sei denn, es handelt sich wieder um monopolartige
Betriebe wie in SZ 59/130. | Kinos, Gaststätten, Diskotheken |
|
EvBl
1998 / 22 (OGH 9.9.1997, 4 Ob 214/97):
Abschlusspflicht des Filmverleihers gegenüber Kinounternehmern:
Besitzt ein Filmverleiher an den von ihm verliehenen
Filmen die ausschließlichen Verwertungsrechte für Österreich, kommt
ihm insoweit die Stellung eines Monopolisten zu. Er ist daher verpflichtet, mit
jedem Kinobetreiber einen Filmverleihvertrag abzuschließen, sofern
er nicht sachlich gerechtfertigte Gründe für die Lieferverweigerung
hat. | |
|
|
| |
|
| Abbildung 5.3: Kontrahierungs- oder Abschlusszwang (1) |
|
| Abbildung 5.4: Kontrahierungs- oder Abschlusszwang (2) |
|
II. Gestaltungs-
oder Inhaltsfreiheit | |
Sie betrifft die
Freiheit der inhaltlichen vertraglichen und rechtsgeschäftlichen
(Aus)Gestaltung. – Die Rechtsordnung zieht der Gestaltungsfreiheit
der Parteien nur sehr weite Grenzen – zB durch
§ 879 ABGB: Gesetz- und Sittenwidrigkeit von Verträgen – und lässt
sie im Übrigen weithin autonom gewähren. | |
Das Privatrecht regelt eine ganze
Reihe von Verträgen typusmäßig / modellhaft; zB Kauf, Werk- und
Dienstvertrag, Zession oder Darlehen. Der Gesetzgeber wollte aber
keine abschließende Regelung der Vertragstypen treffen. Vielmehr
war er sich der Notwendigkeit bewusst, dass das Rechtsleben und
die Wirtschaft bei Bedarf Abweichendes und „Neues” schaffen können
sollen. Der Gesetzgeber wollte demnach weder die Kombination bestehender
Typen verbieten (Typenkombination), noch der Typenneubildung einen
Riegel vorschieben, weil er weiß, dass sich Recht, Gesellschaft
und Wirtschaft weiterentwickeln und nicht auf dem einmal erreichten
Niveau stehen bleiben können. | Typenkombination
und Typenneubildung |
Diese Überlegung
gilt jedoch nicht für alle Teile des Privatrechts in gleicher Weise.
Wir merken uns: Die Inhaltsfreiheit gilt vor allem im Schuldrecht,
das freilich für die Wirtschaft von größter Bedeutung ist. Hier
können die vertragschließenden Parteien inhaltlich fast alles selber
bestimmen, also zB auch neue Vertragstypen schaffen oder bestehende
kombinieren. Dadurch wird größte Sach- und Problemnähe gewährleistet.
– Freilich: Auch innerhalb des Schuldrechts zieht der Gesetzgeber
da und dort Grenzen und erlässt sog Schutzgesetze oder doch Schutzbestimmungen; zB
im Arbeitsrecht, MRG, KSchG, PHG oder § 864a ABGB. | Sach- und Problemnähe |
So wichtig
die Gestaltungs- oder Inhaltsfreiheit für die Vertragspraxis ist,
so soll nicht verschwiegen werden, dass sie immer wieder auch Probleme
schafft, weil Zweifel bestehen, wie ein bestimmter Vertragsinhalt
zu „qualifizieren” ist. Denn mit der Bezeichnung als Typus „X“ ist
es noch nicht getan. – So ist die Typisierung des
Softwareüberlassungsvertrags streitig.
Das Meinungsspektrum reicht vom Kauf, über die Annahme eines Werk-
oder Lizenzvertrags bis hin zur gallertigen Einstufung als Vertrag
oder
contractus
sui generis; vgl Aicher in Rummel, ABGB 2
§ 1053 Rz 52. Eine erste Hilfestellung mag es sein, dass die Qualifikation
immer nur im Einzelfall und nicht generell erfolgen kann. So wird
eine individuell maßgeschneiderte Software für ein bestimmtes Unternehmen
in Richtung Werkvertrag ( → KAPITEL 12: Der
Werkvertrag)
tendieren, Software von der Stange” dagegen zum Kauf → KAPITEL 2: Kauf
und Tausch.
Zur Sachqualität von Software → KAPITEL 8: Bedeutung
der
Unterscheidung . | Wie
sind „neue Typen“ rechtlich zu behandeln? |
Für
andere Teile des Privatrechts, die für den gesellschaftlichen Grundkonsens
besonders wichtig sind, wie das Sachenrecht (Zweck: überschaubare
Sachgüterzuordnung → KAPITEL 8: Recht
der Sachgüterzuordnung),
Erbrecht oder das Familienrecht gilt die Inhaltsfreiheit nicht oder
doch nicht in gleichem Masse. | Einschränkungen der Inhaltsfreiheit |
| |
Vorsorgliche
– iSv auch die Entwicklung künftiger Möglichkeiten bedenkende und
mögliche Schwierigkeiten vorweg ausräumende – Vertragsgestaltung
wird als
Kautelarjurisprudenz bezeichnet.
Es handelt sich um eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe
rechtlicher Berufe, die Erfahrung und Einfühlungsvermögen verlangt.
Mit dem Abschreiben von Vertragstexten aus „Schimmelbüchern” ist
es nicht immer getan! Dabei werden nicht nur einzelne Verträge oder andere
Rechtsgeschäfte – zB Testamente – verfasst und eine oder auch beide
Vertragspartei/en beraten, sondern zB auch Musterverträge, AGB ( → KAPITEL 6: Allgemeine
Geschäftsbedingungen)
und Vertragsformblätter (vgl § 864a ABGB) entworfen und überhaupt
Parteien bei Vertragsverhandlungen begleitet. | Kautelarjurisprudenz |
|
SZ
69/283 II (1996): Das Verfassen
von Vertragsentwürfen durch Rechtsanwälte genießt Urheberrechtsschutz;
Voraussetzung: eigene schöpferische Leistung. Vgl auch SZ 43/140. | |
|
| |
Mitunter geht
rechtliche Hilfe(stellung) zu weit und wird dann unerlaubt; Beihilfe
zur Gesetzesübertretung und Gesetzesumgehung. – Derartige unerlaubte
Hilfe birgt jedoch für Rechtsanwälte und Notare – neben standesrechtlichen
Folgen – auch zivilrechtliche Gefahren; vgl das folgende Beispiel. | Beihilfe
zur
Gesetzesübertretung und Gesetzesumgehung |
|
wobl 1995,
90: Haftung für die Kosten der Errichtung eines Kaufvertrags. Dem
Rechtsanwalt steht kein Entlohnungsanspruch zu,
falls er einen Vertrag auftragswidrig verfasst oder eine sonst für
den Klienten völlig wertlose Tätigkeit verrichtet. Der Klient haftet
dem Rechtsanwalt auch dann als Auftraggeber für die Vertragserrichtungskosten
(hier: eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung), wenn die
Kosten vereinbarungsgemäß auf den Käufer überwälzt worden sind und
der Käufer im Kaufvertragsentwurf aus steuerlichen Gründen als alleiniger
Auftraggeber der Vertragserrichtung bezeichnet wird. – Zum Verhältnis
und zur Tragweite von Scheingeschäften und verdeckten Geschäften →
| |
|
| |
Formfreiheit gilt
wiederum vor allem für das Schuldrecht und damit für alle Schuldverträge.
Wie wir gehört haben, ist sogar der Liegenschaftskauf formfrei gültig → KAPITEL 2: Besonderheiten
des Liegenschaftskaufs.
– Formpflicht besteht nur ausnahmsweise: zB für Schenkungen „ohne
wirkliche Übergabe” (§ 943 ABGB); oder einseitig für den Bürgen
– und zwar nur für seine Verpflichtungserklärung – nach § 1346 Abs
2 ABGB; beim Ratenkauf / Abzahlungsgeschäft (Errichtung eines Ratenbriefes:
§ 24 Abs 1 KSchG) sowie nach dem Bankwesengesetz (BWG) für den Abschluss
von Verbraucherkreditverträgen (§ 33 Abs 2 BWG) und Verbrauchergirokontoverträgen
(§ 34 Abs 2 BWG). Als Vorbild der neuen Regelungen nach dem BWG
diente die Ratenbriefregelung des KSchG. Die Regelungen des BWG
geben auch inhaltliche Mindestregelungen vor und beschränken insoferne auch
die Inhaltsfreiheit. – Mehr zur Form → KAPITEL 15: Die
Form (im Privatrecht). | |
In manchen
Teilen des Privatrechts – insbesondere außerhalb des Schuldrechts
– kommt der gesetzlichen Form größere Bedeutung zu; zB im Familienrecht
(Form der zivilen Eheschließung: §§ 15, 17 EheG), insbesondere aber
auch im Erbrecht: zB Testamentsform. | |
| |
| |
So
wie die Parteien Verträge frei abschließen können, und darin den
Beginn einer konkreten Rechtsbeziehung festlegen, können sie diese
auch einvernehmlich (im Rahmen der Dauerschuldverhältnisse sogar
einseitig → KAPITEL 6: Bedeutung
der Unterscheidung) wieder beenden. Das ist grundsätzlich
immer möglich. – Man spricht von contrarius actus. | |
| |
C. Gemischte
und atypische Verträge |
| |
| |
Das Schuldrecht
kennt – wie wir gehört haben – keinen Typenzwang. Eine wichtige
Konsequenz der im Schuldrecht bestehenden Vertragsfreiheit ist es
daher, dass verhandelnde Parteien nicht nur im Gesetz vorgeformte
Vertragstypen – zB einen Kauf- oder Werkvertrag – vereinbaren können, sondern
auch neue Typen schaffen (sog atypische Verträge,
römisches Recht: Innominatkontrakte; contracta sui generis) und
bestehende, also kodifizierte Typen untereinander sowie mit neuen
Typen(elementen) kombinieren können; gemischte oder mehrtypische
Verträge; contracta mixti iuris / generis. | |
Die
Rechtspraxis macht davon immer wieder Gebrauch, weil dadurch den
Vorstellungen und Bedürfnissen der Vertragsparteien in erhöhtem
Maße Rechnung getragen werden kann. Dh: Die verhandelnden und vertragschließenden
Parteien können für ihre speziellen Zwecke bestehende Verträge modifizieren
oder neue schaffen. Die Vertragsfreiheit sorgt daher für optimale
praxisgerechte (Vertrags)Adaptierung und eröffnet die Möglichkeit
einer hohen Regelungs- und Problemnähe. | Regelungs- und Problemnähe |
|
SZ 27/222 (1954): Voraussetzungen
der Beurteilung eines Leibrentenvertrags ( → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte) als
gemischte Schenkung. | |
- OGH 21.4.2005, 6 Ob 69/05y - Mobilfunkvertrag: Ist ein gemischter Vertrag mit überwiegenden Elementen des freien Dienst- und Bestandvertrags; allfällige zusätzliche Werkvertragselemente treten dem gegenüber so stark zurück, dass eine unmittelbare Anwendung des § 15 Abs 1 KSchG und der dort vorgesehenen günstigeren Kündigungsregelungen ausscheidet. – Fundstelle: EvBl 2005/166 = JBl 2005, 735 ff | |
| |
|
| |
| Gesetzliche Vertragstypen – Gruppen |
•
Veräußerungsverträge: Kauf,
Tausch, Schenkung | |
•
Gebrauchsüberlassungsverträge:
Miete, Pacht, Leihe, Darlehen | |
•
Dienstleistungsverträge: Dienst-
oder Arbeitsvertrag, freier Dienstvertrag, Werkvertrag, Auftrag, Verwahrung | |
•
Gesellschaftsverträge: GesbR
(§§ 1175 ff ABGB), Personengesellschaften des Handelsrechts (OHG,
KG), Kapitalgesellschaften (GmbH, AG), Genossenschaften, (eingetragene)
Erwerbsgesellschaften (OEG, KEG) | |
•
Glücksverträge: → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. | |
•
Sicherungsverträge: Bürgschaft,
Pfandbestellungsvertrag; dazu kommen weitere nicht zu eigenen Vertragstypen
ausgestaltete Sicherungsmittel → KAPITEL 15: Überblick. | |
| Neue „Typen” iwS sind zB: |
•
der Kredit(eröffnungs)vertrag
→ KAPITEL 3: Der
Kredit(eröffnungs)vertrag; | |
•
der freie
Dienstvertrag (zB: der übliche Behandlungsvertrag zwischen
Arzt und Patient → KAPITEL 12: Der
sog freie Dienstvertrag); | |
• der Inkassovertrag
→ KAPITEL 14: Inkassozession. | |
•
der Garantievertrag (Bankgarantie) → KAPITEL 15: Garantievertrag
und Bankgarantie; | |
•
das Factoring
→ KAPITEL 14: Das
Factoring:
EvBl 1994/143; | |
•
Franchising
→ Franchising; | |
• der Lizenzvertrag (→ Lizenzvertrag)
und– der Know-How-Vertrag
→ Know
how-Vertrag; | |
•
Sponsorverträge
→ Leasing; | |
•
der Ergebnisabführungsvertrag (als
Unternehmensvertrag): → KAPITEL 14: Bankgeschäfte Vereinbarung
wonach eine Gesellschaft / juristische Person ihren ganzen Gewinn
an eine andere Gesellschaft abzuführen hat, die sich ihrerseits
verpflichtet, den ganzen Verlust der „Organgesellschaft” zu übernehmen;
vgl EvBl 1999/200. | |
| Typische Mischverträge sind: |
•
das Leasing:
bestehend aus Miete und Kauf etc: Mietkauf! → Leasing; | |
•
die gemischte
Schenkung: Schenkung und Kauf → KAPITEL 3: Arten
der Schenkung;
zB in Gutsübergabe- oder Leibrentenverträgen (§§ 1284-1286 ABGB); | |
•
Kauf und Tausch; | |
•
Dienstvertrag und Auftrag; | |
•
der Tankstellenvertrag (OGH
JBl 1986, 721 und 1987, 41) verbindet Bestandvertrag / genauer: Pacht-,
mit Dienst- und Kaufvertrag (Abnahmeverpflichtung!). | |
•
Ein typischer Mischvertrag
aus mehreren herkömmlichen Typen ist auch der Gastaufnahme-
/ Beherbergungs- / Pensionsvertrag, der Elemente von Kauf,
Miete, Werkvertrag, Verwahrung und allenfalls weitere Elemente (zB
Geschäftsbesorgung / Auftrag) enthält. | |
• Zur Typendiversifikation im Bereich des Werkvertrags
→ KAPITEL 12: Der
Werkvertrag. | |
| Nicht gesetzlich geregelt sind derzeit bspw
folgende Verträge: |
•
der allgemeine Bankvertrag (beinhaltend:
Girokontoeröffnung und -prüfung, Scheckauszahlung und Scheckkartenverkehr,
Überweisungs- und Lastschriftenverkehr mit Überziehungskredit) → KAPITEL 14: Bankgeschäfte; | |
•
der Alten-
und Pflegeheimvertrag →
Heimvertrag – Pflegegeld
| |
• "Contracting" | |
| |
| |
•
der Filmverleih-
und Filmverwertungsvertrag | |
•
der Kreditkartenvertrag | |
• Bühnenaufführungsvertrag | |
• Joint-Venture-Verträge | |
• Management- und Consultingverträge | |
• Poolverträge usw. | |
II. Rechtsanwendungsregeln | |
Für die Rechtsanwendung stellt sich für gemischte und atypische
Verträge die Frage, welche gesetzlichen Bestimmungen für solche
Neuschöpfungen oder Kombinationen gelten sollen. | |
Anders ausgedrückt: Welche gesetzlich vorgebildeten oder
doch richterrechtlich entwickelten Regeln sind auf atypische oder
Mischverträge anzuwenden? – Zunächst gilt als Merkregel:
Der Mischvertrag oder neue Typus ist danach zu beurteilen, was seinem
Zweck und den Leistungspflichten der Parteien nach dem Parteiwillen
am besten entspricht. | |
| |
III. Regeln
zur rechtlichen Behandlung neuer Vertragsformen | |
| |
§ 1055 ABGB bestimmt
für Mischungen aus Kauf und Tausch, dass auf den konkreten Vertrag
der vorherrschende Typus anzuwenden ist; sog Absorptionsprinzip.
Das schwächere Typuselement bleibt dabei unberücksichtigt. | |
Vgl
auch § 1091 ABGB (Miete und Pacht): „Werden durch einen Vertrag
Sachen von der ersten und zweiten Art zugleich in Bestand gegeben,
so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu beurteilen.”
– Dieser Gedanke wird über die gesetzlichen Regelungen hinaus ausgedehnt. | |
| |
Ein
anderes Prinzip enthält § 1151 Abs 2 ABGB: Dienst- und Werkvertrag
sowie Geschäftsbesorgung gelangen danach nebeneinander, also parallel
und gleichzeitig zur Anwendung; sog (Typen)Kombination. | |
Vgl auch § 1403 Abs 1 Satz 2 ABGB: Typenkombination von
Anweisung und Bevollmächtigungsvertrag. | |
| |
Neben Absorption und Kombination
besteht noch die weitere Möglichkeit der (Gesetzes- und Rechts)Analogie;
§ 7 Satz 1 ABGB. Zur Anwendung gelangt hier kein konkreter – gesetzlich
vollständig geregelter – Typus, sondern zB nur die allgemeinen Regeln
des Schuldrechts, insbesondere die für Dauerschuldverhältnisse. | |
|
EvBl 1969/215:
Fernlehrkurs als Vertrag eigener Art / contractus sui generis. | |
|
4. Neuschöpfung-
oder Kreation | |
Entsprechend der höchsten
Analogiestufe des § 7 Satz 2 ABGB, den natürlichen Rechtsgrundsätzen
( → KAPITEL 11: Beispiele
zur Anwendung der ¿natürlichen
Rechtsgrundsätze¿), kann ein weiter Anwendugnsschritt unterschieden
und dabei von einer Neuschöpfung- oder Kreation gesprochen werden;
Möglichkeit des Entstehens von Richterrecht zur Behandlung von Innominatkontrakten
nach den Grundregeln der Privatrechtsordnung. Die Rspr spricht auch
hier von contracta sui generis, womit inhaltlich wenig ausgesagt
wird. | |
| |
|
EvBl 1977/82: § 1165
ABGB (§§ 859, 1053 ABGB): Erwirkung von Werbeaktionen für
Beat-Veranstaltungen und Auftritt als Conferencier bei
diesen Veranstaltungen gegen Zahlung eines Honorars und entsprechender
Gestaltung der Plakate – Innominatkontrakt / Vertrag eigener Art.
– In der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung verpflichtete
sich der Beklagte, für die vom Kläger beabsichtigten Beat-Veranstaltungen
in Steyr und Dornbirn verschiedene Werbeaktionen (Hinweis auf die
Veranstaltungen in Zeitungen, im Rundfunk und Fernsehen, Auftreten
einzelner Beat-Gruppen in Fernsehsendungen) zu erwirken und bei
diesen selbst als Conferencier aufzutreten; der Kläger hingegen
sollte dem Beklagten ein Honorar von insgesamt 10.000,- S entrichten
und in die zu druckenden Plakate dessen Namen als den eines Conferenciers
aufnehmen. – Die Übereinkunft der Streitteile lässt sich keinem
normierten Vertragstyp unterstellen und ist daher als gesetzlich
nicht geregelter Innominatkontrakt (Ehrenzweig2 II/1,
181) zu betrachten. In den gedruckten Werbeplakaten schien der Name
des Beklagten als Conferencier der beiden Beat-Veranstaltungen nicht
auf. Diese Nichterfüllung einer nach den Feststellungen der Unterinstanzen
wesentlichen Vertragspflicht berechtigte den Beklagten zum Vertragsrücktritt nach
§ 918 ABGB, welcher in der Einstellung seiner weiteren Tätigkeit
für den Kläger zu erblicken ist. Eine Nachfristsetzung war entbehrlich,
weil der Kläger die Erfüllung seiner eben erwähnten Vertragspflicht
in einer Weise verweigert hat (Drucken des Plakates ohne Aufnahme
des Namens des Beklagten als Conferencier), die eine Nachholung
der Erfüllung innerhalb einer ihm zu setzenden Nachfrist ausgeschlossen
erscheinen ließ (Gschnitzer in Klang2 IV/1,
458; Ehrenzweig2 II/1, 206; SZ 31/118;
SZ 40/53 uam). Der vom Kläger verschuldete Vertragsrücktritt berechtigte
den Beklagten, den Ersatz des ihm durch das Unterbleiben des Leistungsaustausches
erwachsenen Schadens zu begehren (HS 5328). Dieser besteht im Hinblick
auf die mangelnde Behauptung eines weiteren Schadens in den dem
Beklagten durch seine Tätigkeit für den Kläger erwachsenen, vom
Erstgericht (gemäß § 273 Abs 1 ZPO) mit 3.000,- S festgesetzten
Auslagen und wird durch die vom Beklagten erhaltenen Vorschüsse
in der gleichen Höhe gedeckt. | |
|
IV. Vertragsverbindung
oder -koppelung | |
Von den gemischten
oder mehrtypischen Verträgen zu unterscheiden ist die Vertragsverbindung oder
Vertragskoppelung. Hier verlaufen zwei oder mehrere selbständig
bleibendeVerträge/Typen parallel zueinander, wobei
der eine oder andere Vertrag allerdings vom anderen in gewisser
(funktioneller) Weise abhängig ist, weil er mit ihm in einem inneren,
geschäftlich-wirtschaftlichen Zusammenhang steht. – Hier sind auf
jeden einzelnen Vertrag, die für ihn maßgeblichen Regeln anzuwenden.
Zwischen den selbständig bestehenbleibenden Verträgen besteht mitunter
rechtlich eine explizite konditionale Koppelung; dies etwa in dem
Sinne, dass dann, wenn der eine endet, auch der andere beendet werden
muss oder doch kann. | |
| |
| |
Eine typische
Neuentwicklung ist das Leasing, das aus steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen
entstanden ist. Leasing dient heute vornehmlich als Finanzierungsinstrument.
– Der Leasingvertrag tritt im Rechts- und Wirtschaftsleben in verschiedenen
Varianten auf, ist aber gesetzlich nicht geregelt. | |
| Abbildung 5.5: Leasing-Neugeschäft in Österreich |
|
Terminologie:
Leasinggeber / LG und Leasingnehmer / LN. | Definition |
Definition – Gemeinsamkeiten: Beim typischen
Leasingvertrag gewährt der LG dem LN den Gebrauch / die Nutzung
einer Sache gegen laufendes Entgelt; Leasingentgelt- oder Leasingrate.
– Der LG bleibt weiterhin Eigentümer des Leasingobjekts. Die dem
LN verschaffte Rechtsposition gleicht der eines Käufers. | |
Mögliche Leasingobjekte sind
Sachen aller Art; Konsum-, wie Investitionsgüter. Sie können – und das
ist an dieser Rechtsform interessant – „erworben” werden, ohne den
Kaufpreis zur Gänze und sofort entrichten zu müssen. Sei es, dass
eine Schule oder ein Kraftwerk ( Immobilienleasing) gebaut,
sei es, dass ein Kraftfahrzeug oder Fernsehgeräte ( Mobilienleasing)
angeschafft werden, oder sogar Arbeitskräfte gewerblich überlassen
werden, freilich nicht als Leasingobjekte; zum sog Personalleasing
(Leiharbeit / Arbeitskräfteüberlassung) → KAPITEL 12: Arbeitnehmerüberlassung. | Leasingobjekte |
Wer
ist Leasinggeber ? – Einerseits der Hersteller des Gutes,
andererseits ein Händler oder – wie häufig – ein eigenes Leasing-Finanzierungsinstitut,
etwa eine Bank: zB X-Bank Leasing-GesmbH. | Leasinggeber und -nehmer |
Wer ist Leasingnehmer ?
– Privatpersonen / Verbraucher und Kaufleute. | |
Gefahrtragung und Instandhaltungspflicht:
Anders als bei der Miete (!) trägt beim Leasing grundsätzlich der
LN die Gefahr, dh den Nachteil für den zufälligen Untergang oder
die Beschädigung / Verschlechterung der Sache. Ihn trifft – ebenfalls
abweichend von der Miete – auch die Instandhaltungspflicht. | Gefahrtragung |
In
Bezug auf die Zulässigkeit der Gefahrüberwälzung auf
den LN hat die Praxis Grundsätze entwickelt: Weitgehend unzulässig
ist danach die Gefahrüberwälzung beim Operating-Leasing, grundsätzlich
zulässig beim Finanzierungsleasing. – Zum Geltendmachen von Gewährleistungsansprüchen
beim sog selbständigen Finanzierungsleasing gleich unten: MietSlg
31.165. – Für Verbraucher ist allenfalls § 864a ABGB zu beachten:
Ungewöhnlichkeit. Für Kaufleute gelten strengere Maßstäbe; vgl SZ
53/128 (1980). | |
| |
Worin
liegt der Steuervorteil von Miete oder Leasing
gegenüber dem Kauf? Er liegt darin, „dass das Mietentgelt (Leasingrate)
als Betriebsausgabe den Gewinn und damit idR die Steuerbelastung sofort
vermindert, während im Falle des Kaufes der Kaufpreis zunächst akontiert
werden muss.” (Doralt / Ruppe) – Leasingraten sind als Betriebsausgaben
zur Gänze absetzbar, während beim Kaufpreis eine Abschreibung über
mehrere Jahre erfolgt! | Steuervorteil |
| |
Ähnlichkeiten
bestehen einerseits zur Miete, andererseits zum Kauf, insbesondere
zum Raten- und Kreditkauf. – Abzugrenzen ist das Leasing aber vom
bloßen Mietkauf: Das ist ein (normaler) Mietvertrag
gekoppelt mit Kaufoption (am Ende der Vertragsdauer). Das Leasing
hat sich über diesen Mischvertrag hinaus entwickelt. – Man kann
sagen: Leasing ist ein Mietvertrag besonderer Art, dh insbesondere
mit modifizierter Gefahrtragung und Instandhaltungspflicht. Das
hat Folgen für die Rechtsanwendung: Die gesetzlichen Regeln des
Mietvertrags sind entsprechend – dh modifiziert um die unterschiedlichen
Gefahr- und Kostentragungsregeln – anzuwenden. | Rechtliche Einordnung |
Arten des Leasing: | |
| Abbildung 5.6: Leasing: Rechtliche Beziehungen |
|
Finanzierungsleasing /
financial lease: Hier kauft der LG das Leasingobjekt auf Wunsch
des LN, übernimmt also eine Finanzierungs-Rolle; daher Finanzierungsleasing!
Auch hier wird das Leasingobjekt dem LN zur Nutzung überlassen,
wobei der LN alle mit der Nutzung verbundenen Kosten zu tragen hat.
– Eine Variante des Finanzierungsleasing ist das Full-Service-Leasing (operating lease):
Hier übernimmt der LG (gegen weiteres Entgelt) zB auch Reparatur,
Service, Versicherung etc. | Arten
des Leasing |
| |
|
MietSlg 31.165 (1979):
Ist beim sog selbständigen Finanzierungsleasing –
wenn also nicht der LG, sondern ein Dritter (Lieferant) unmittelbar
an den LN über dessen Bestellung den geleasten Gegenstand ausgeliefert
hat – der LG berechtigt, die Bezahlung der Leasingraten für die
ganze Vertragsdauer trotz des Umstandes zu verlangen, dass das Gerät
für den LN unbrauchbar (geworden) ist, so hat der LG (je nach Vereinbarung)
die ihm als Käufer gegen den Lieferanten zustehenden Gewährleistungsansprüche
an den LN abzutreten oder auf dessen Gefahr und Kosten selbst geltendzumachen.
Lehnt der LG ein derartiges Begehren ab, so ist der LN vor Erfüllung
dieser Vertragspflicht (durch den Leasinggeber) gemäß § 1051 ABGB
nicht gehalten, seinerseits zu erfüllen .... – Kommt es aber zur
Wandlung des Kaufvertrages, so wird damit wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
auch der Leasingvertrag aufgehoben .... Gemäß den §§ 877, 1435 ABGB
haben LG und LN einander alles zurückzustellen oder zu vergüten,
was sie aus dem unwirksam gewordenen Leasingvertrag zu ihrem Vorteil
erhalten haben. | |
|
Operating-Leasing:
Dabei handelt es sich um eine Sonderform der Miete über Investitionsgüter. Das
idente Leasing-Objekt wird aufeinanderfolgend mit kurzen Vertragszeiten
an verschiedene LN vermietet, wobei die Sach- und Preisgefahr beim
LG bleibt und auch eine ordentliche Kündigung möglich ist. Der Begriff
Leasing wird hier nur aus marktpsychologischen Gründen gebraucht. | Operating-Leasing |
Die Antwort auf die Frage: Leasing
oder Kauf? (insbesondere Ratenkauf) hängt von der finanziellen Situation
eines Unternehmens und vom jeweiligen Anlagegut ab. Für das Leasing
spricht, dass das Leasing-Objekt nicht im Voraus bezahlt werden
muss, also keine unmittelbar Liquiditätsbelastung mit sich bringt.
Dazu kommt, dass das Kapital nicht im Anlagevermögen des Unternehmens
gebunden wird und daher anderweitig eingesetzt werden kann. Leasing ermöglicht
eine 100-prozentig Fremdfinanzierung; und dies ohne weitere Sicherheiten
über das Leasing-Objekt hinaus. Leasing erfüllt die goldene Finanzierungsregel:
Pay as you earn, was meint: Die Leasing-Raten können aus den erwirtschafteten
Erträgen geleistet werden. Leasing für begrenzte Zeit löst auch
die Frage des Überalterungsrisikos von Anlagegütern; Slogan: „Wer
least, bleibt beweglich!” Leasing ist auch bilanzneutral: Leasing-Raten müssen
in der Handels- und Steuerbilanz ebenso wenig passiviert werden
wie normale Mietzinszahlungen. | Leasing als Investitions- und
Finanzierungsmethode |
Wirtschaftlich-rechtliche
Beurteilung: Leasing verdankt seinen Erfolg insbesondere
den steuerrechtlichen Vorteilen für LN: Wirtschaftliches Eigentum
im Steuerrecht: LG ist Eigentümer auch nach (ertrags)steuerrechtlicher
Behandlung. Woraus mehrfache steuerrechtliche Vorteile resultieren:
Einkommens-, Körperschafts-, Gewerbe Gefahrtragung -, Vermögenssteuer
etc. Vor allem aber werden die in der Handels- und Steuerbilanz
auszuweisenden Aktiva des LN (durch Überlassung des Leasing-Objekts)
nicht vermehrt. Der LN kann vielmehr die Leasing-Raten als Betriebsausgaben
absetzen und ist nicht auf Abschreibung für Abnutzung (AfA) beschränkt. | Beurteilung |
Begriff
des wirtschaftlichen Eigentums = steuerrechtliche
Zurechnung eines Vermögensgegenstandes an eine Person; wirtschaftliche
Betrachtungsweise des Steuerrechts! | Wirtschaftliches Eigentum |
Steuerliche Vorteile des Leasing-Geschäfts setzen aber voraus,
dass das konkrete Leasing steuerlich nicht als verdeckter Kauf anzusehen
ist; Gefahr bei Kaufoption. | |
Im Kostenvergleich ist Leasing aber häufig
teurer als ein Kredit oder Kauf. Der Grund dafür liegt darin, dass
in den Leasing-Raten oft eine hohe Gewinnspanne steckt. Es sollte
daher in jedem Einzelfall gut überlegt werden, welcher Vertrag geschlossen
wird. | |
Auch
bei der Treuhand ( → KAPITEL 15: Die Treuhand)
ist der Treugeber und nicht der Treuhänder wirtschaftlicher Eigentümer!
Bedeutsam ist dies im Konkurs des Treugebers. Der Treuhänder, als
bloß formeller Eigentümer, hat kein Aussonderungsrecht nach § 44
KO, sondern nur ein Absonderungsrecht nach § 48 ff KO. | |
| |
Mit dem Lizenzvertrag werden gewerbliche
Schutzrechte, insbesondere Patente an
andere Personen zur Nutzung überlassen; vgl § 33 Abs 2 iVm § 35
PatG 1970 oder § 11 Abs 2 MarkG und
§ 10 MuSchG. | |
Der Lizenzvertrag
ist ein Vertrag eigener Art (contractus sui generis), am ehesten
aber der Rechtspacht vergleichbar, der uU mit Kaufelementen versetzt
ist. – Lizenz ist (idR) das von einem Patentinhaber
erteilte Recht, eine Erfindung zu nutzen, wobei dieses Recht sowohl
örtlich, als auch zeitlich begrenzt sein kann, und auch mehreren
Personen zugleich zustehen kann. | |
| |
Er ist vom Lizenzvertrag
abzugrenzen: Mit ihm wird technisches, kaufmännisches und betriebswirtschaftliches
Wissen / exklusives Spezialwissen (Betriebserfahrungen und -geheimnisse
etc), das nicht durch ein gewerbliches Schutzrecht geschützt ist,
rechtlich übertragen. Haftung und Geheimhaltung werden im jeweiligen
Vertrag detailiert geregelt. – Auch der Know how-Vertrag kommt aus
dem anglo-amerikanischen Rechtskreis und tritt in vielen (Erscheinungs)Formen
auf. | |
Terminologie: Know how-Geber und Know how-Nehmer. | |
In
seiner Entstehung war der Know how-Vertrag eng
mit dem Patentwesen verbunden. Auch ohne Erfindungscharakter und
Patentierbarkeit sollte exklusives Wissen rechtlich abgesichert
übertragen werden können. So wurden bspw Erfahrungen und Kenntnisse
über komplizierte industrielle / gewerbliche Fertigungsprozesse
zwischen Firmen / Unternehmen entgeltlich übertragen; technical informance,
manufacturing experience. Auf diese Weise können sich einzelne Unternehmen
hohe personelle und finanzielle Aufwendungen für Forschung, Entwicklung
und Erprobung von Produkten ersparen. | Entstehung |
Anders
als beim Lizenzvertrag wird beim Know how-Vertrag idR kein ausschließliches
Recht übertragen, sondern Know how wird stets an mehrere Interessenten
veräußert werden; insbesondere örtlich gestreut. – Auch beim Lizenzvertrag
ist das aber möglich. | Kein ausschließliches Recht |
Ursprünglich betrafen Know how-Verträge
fast ausschließlich die Übertragung von technischem Spezialwissen (industrial
know how); erst nach dem Zweiten Weltkrieg trat daneben immer stärker
die Übertragung nicht technischen, insbesondere gewerblichen Wissens
in Erscheinung; commercial know how. | |
Die rechtliche Einordnung des Know how-Vertrags
ist schwierig und muss im Einzelfall vorgenommen werden: | Rechtliche
Einordnung |
• Bei endgültiger Übertragung
liegt häufig Kauf- oder Werkvertrag vor, bei Überlassung auf Zeit dagegen
Miete oder (Rechts)Pacht. | |
•
Wie Lizenzverträge sind auch
Know how-Verträge Dauerschuldverhältnisse, auf die die allgemeinen
Regeln des Schuldrechts, insbesondere die für Dauerschuldverhältnisse
(am ehesten Miete und Pacht) anzuwenden sind. | |
•
Nach hA ist der Know
how-Vertrag bloßer Schuldvertrag und vermittelt keine mit Drittwirkung ausgestaltete
Rechtsposition; wie zB der Patent- oder Lizenzvertrag. | |
•
Die Vielfalt der
Ausgestaltungsmöglichkeiten verbietet es, generell von einem Vertrag
sui generis zu sprechen; im Kernbereich ist dies aber möglich. Der
typische Know how-Vertrag ist ein zweiseitig verpflichtender entgeltlicher
Vertrag sui generis, dessen Hauptpflichten (des Know how-Gebers)
einerseits dienstvertragsähnlich (= Verpflichtung zur Verschaffung
von Know how) und andrerseits pachtvertragsähnlich (= Verpflichtung
zur Nutzungs- und Verwertungsüberlassung) sind. Im Falle eines Rechtsstreits
erscheint es aber unverzichtbar, den einzelnen Know how-Vertrag
im Hinblick auf die in ihm geregelten Parteiinteressen und die darin
festgelegten Rechte und Pflichten zu beurteilen. | |
| Abbildung 5.7: Franchising |
|
| |
| |
Wie
das Leasing kommt auch das Franchising aus den USA. – Franchising
wird auch in Österreich immer beliebter. Auf dem Vormarsch sind
insbesondere kleine und mittlere Betriebe und der Dienstleistungssektor.
Derzeit sind in Österreich ca 300 Franchising-Systeme auf dem Markt
mit mehr als 3000 Franchisingnehmern. Etwa die Hälfte dieser Systeme
sind ausländischen Ursprungs, der Großteil aus Deutschland. Die
Zahl der in Österreich entwickelten Konzepte nimmt aber ständig
zu. – Auf Dienstleistungsfranchising entfällt in
Österreich etwa die Hälfte aller Systeme. Das Vertriebsfranchising wächst
dagegen nur mäßig und das Produktionsfranchising stagniert. | |
Das Wort „Franchise” stammt aus dem Französischen
– und wurde idF anglisiert – und bedeutet „Privileg” oder „Konzession”.
Seit der Jahrhundertwende dient der Begriff der Bezeichnung einer
privatunternehmerischen Form der Kooperation unter gleichzeitiger
Übertragung von Rechten. | |
Franchising (F)
begann als besondere Form des Warenvertriebs über bestimmte Händler;
sog reines Produkt-Franchising / straight product
franchising. Im Außenverhältnis selbständig, sind
die Händler im Innenverhältnis an den jeweiligen
Hersteller gebunden. – Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich
daneben das Franchising der „zweiten” Generation; sog Betriebs-Franchising /
entire business franchising. Die F-Beziehung erfasst hier nicht
nur ein einzelnes Produkt, sondern den ganzen Betrieb des FN. Der
FG erbringt für den FN ein idR umfassendes Leistungspaket; Ausstattung
des Betriebs, Konzept der Geschäftspolitik, Betriebsführungsorganisation
etc. | |
•
Betriebswirtschaftlich und rechtlich
handelt es sich beim Franchising um eine Vertriebsmethode für
Konsumgüter oder Dienstleistungen, die eine funktionale Variante
des Filialsystems darstellt, wobei der signifikante Unterschied
darin liegt, dass der FN selbständiger Unternehmer
ist / bleibt. | |
- KautelarjurisprudenzFranchisegeber (FG)
und Franchisenehmer (FN). – Die Interessenbeziehungen
zwischen FG und FN können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein,
weshalb der Ausarbeitung des Vertrags große Bedeutung zukommt. | Parteien |
| Abbildung 5.8: Franchising in Europa und den USA |
|
Der FG überträgt zB den Vertrieb einer
Geschäftsidee oder eines Produkts, einer Dienstleistung oder alles
zusammengenommen auf den FN, der das idR unter einem bestimmten
Namen, Symbol oder in bestimmter Ausstattung entwickelte „Produkt”
vertreiben soll. Dabei wird der FN idR strikt an die (Vertriebs)Vorgaben
– wie Werbung, Marketing, Mindestkontingente – des FG gebunden und
unterliegt dessen Inspektion und Kontrolle. Die Rechtsübertragung
erfolgt typischerweise exklusiv für bestimmte geographische
/ örtliche Gebiete. | Wirtschaftlicher
Vertragsinhalt |
Auch hier besteht die Gefahr der Knebelung,
zumal es sich bei FG oft um mächtige Marken / Firmen handelt, von deren
Bekanntheitsgrad der FN auf der anderen Seite wiederum profitiert.
Vgl damit die Problematik bei Bierbezugsverträgen → KAPITEL 6: Rechtsprechungsbeispiele .
Zur Vermeidung unseriöser Praktiken wurde von der European Franchise Federation
(seit 1972) ein Europäischer Verhaltenskodex für Franchise geschaffen,
der zugleich Ehrenkodex für die Mitglieder des Österreichischen
Franchise-Verbandes ist. Dieser Verhaltenskodex ist eine sachdienliche
Zusammenstellung von wesentlichen Vorschriften fairer Verhaltensweisen
für die F-Praxis in Europa. | |
Begriffsumschreibung
nach dem Europäischen Franchising-Kodex: „Franchising
ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen
und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine
enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbständiger
und unabhängiger Unternehmen, den FG und seine FN. Der FG gewährt
seinen FN das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung
auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses
Recht berechtigt und verpflichtet den FN, gegen ein direktes oder indirektes
Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen zu diesem
Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchisevertrag bei
laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung
durch den FG, den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder
die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche
Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how,
die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftssystem
des FG zu nutzen.” | |
Als
Schuldvertrag ist der Franchisingvertrag grundsätzlich formfrei.
– Wird dabei aber eine Patentlizenz eingeräumt oder ein Musterrecht
übertragen, muss dies zur Wirksamkeit gegenüber Dritten schriftlich
erfolgen und im Patent- oder Musterregister eingetragen werden;
vgl bspw §§ 10, 22 Abs 2 MuSchG. | Form? |
| Abbildung 5.9: Österreichs größte Franchise-Systeme |
|
Zu
beachten ist ferner die kartellrechtliche Einordnung von
Franchiseverträgen. Die Grenze zwischen verschiedenen Kartellarten
ist fließend und erfordert Vorsicht; Vereinbarungs-, Verhaltens- oder
Absichtskartell. Als unternehmerische Vertriebsbindung kann ein
Franchisesystem anzeigepflichtig sein. Bestimmte Formen sind sogar
genehmigungsbedürftig. | Kartellrechtliche Einordnung |
| |
| |
Der Franchisingvertrag
ist echter Mischvertrag, der (Rechts)Pachtelemente,
gewerbliche Schutzrechte (Marken, Symbole, Patente), wie Werk-,
Kauf-, Dienst-, Gesellschafts- und Know how-Vertragselemente umfasst,
wobei sich im einzelnen immer wieder Unterschiede ergeben. – IdR
handelt es sich um detaillierte Vertragswerke, die die vielfältigen
Sachfragen eingehend regeln, weil der Vertragsinhalt keinem gesetzlich
normierten Typus zugeordnet werden kann. Große Bedeutung kommt daher
einer kautelarjuristischen Vertragsgestaltung zu → Gestaltungs-
oder Inhaltsfreiheit Besondere
Regelung erfahren üblicherweise die beiderseitigen Vertragspflichten
insbesondere das – idR wertgesicherte – Entgelt, das der FN dem
FG zu zahlen hat. Das zu zahlende Entgelt ist idR umsatzabhängig;
prozentuelle Beteiligung. Dazu kommen Sicherungen des FG zB Wettbewerbsverbote
oder für den Fall der Insolvenz des FN; zu Sicherungsmitteln allgemein → KAPITEL 15: Überblick.
Auch die Vertragsauflösung / Kündigung des Dauerschuldverhältnisses
Franchising wird erfahrungsgemäß ausführlich geregelt; ordentliche
und außerordentliche Kündigung, Abfindungen, Konkurrenzklauseln
etc. | Mischvertrag |
IX.
Heimvertrag – Pflegegeld | |
Von M. Ganner | |
Beim Heimvertrag, dem Vertrag zwischen dem Rechtsträger
eines Altenwohn- oder Pflegeheimes und dem/r jeweiligen BewohnerIn,
handelt es sich um einen typischen Mischvertrag bestehend aus:
vornehmlich Miete (Unterkunft), Kauf (Verpflegung), Werkvertrag
(Betreuung und Pflege) sowie mitunter Geschäftsbesorgung, also Auftrag
und Verwahrung. | |
Die Bundesländer Steiermark, Kärnten, Burgenland,
Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg treffen
im jeweiligen Landes-HeimG oder einer HeimVO zum SozialhilfeG sonderprivatrechtliche
Regelungen bezüglich der Vertragsbeziehung zwischen Heimträger und
HeimbewohnerIn, wogegen aber verfassungsrechtliche Bedenken bestehen,
zumal eine Zivilrechtskompetenz der Länder gem Art. 15 Abs 9 B-VG
hier nicht gegeben ist; vgl Ganner, Die Kompetenzlage in der Alten-
und Pflegebetreuung, SozSi 1997, 938. | |
Inhaltlich schaffen
die heimrechtlichen (Landes)Regelungen Schutzbestimmungen
zugunsten der BewohnerInnen, indem zumeist schriftliche
Vertragsabschlüsse sowie Leistungs- und Kostentransparenz vorgeschrieben
und BewohnerInnenrechte festgelegt werden. In der Praxis unterbleibt
die schriftliche Vertragserrichtung aber häufig aus Kostengründen.
Zusätzlich wird die Möglichkeit der Vertragskündigung auf Seiten
des Heimträgers auf eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem
Grund beschränkt. Diese
Kündigungsbeschränkung besteht
aber schon nach allgemeinem Zivilrecht und daher auch in jenen Bundesländern,
die keine diesbezügliche Regelung getroffen haben; das betrifft
dzt: Tirol und Wien. Eine Vertragsbestimmung, die eine jederzeitige
Auflösung des Dauerschuldverhältnisses Heimvertrag ohne Vorliegen
eines wichtigen Grundes oder schon bei geringfügigen Verletzungen
vorsieht, wäre grob benachteiligend und sittenwidrig, weil sie der
Natur, dem Zweck des Vertrags und der zu unterstellenden Parteienabsicht widerspricht,
den Heimplatz auf Lebenszeit, jedenfalls solange dies der Gesundheitszustand
des Bewohners erlaubt, zur Verfügung zu stellen und in Anspruch
zu nehmen. | Schutzbestimmungen |
|
OGH 16.10.1997, 6 Ob 247/97k und Barta/ Ganner,
Zur Auflösung des Altenheimvertrags durch den Heimträger, wobl 1998,
93. Vgl auch Ganner, Heimvertrag – Rechtsgeschäfte im Heim (2001). | |
|
Rechtspolitisch
wäre es wünschenswert, ein Bundes-Heimvertragsgesetz für
ganz Österreich zu beschließen, das auch ein konsumentenpolitisches
Anliegen darstellt und die gleichwertige Stellung von HeimbewohnerInnen
und Heimträger rechtsinstrumentell noch stärker als bisher zum Ausdruck
bringen würde. Es liegt dazu ein Entwurf zur Änderung des
KSchG vor, wonach in den §§ 27 b-f KSchG wichtige Aspekte
des Heimvertrags geregelt werden sollen. Verpflichtend vorgesehen
sind demnach vorvertragliche Informationspflichten (Prospektpflicht).
Zusätzlich liegt ein Entwurf für ein Heimaufenthaltsgesetz vor,
mit dem die Möglichkeit der Vornahme freiheitsbeschränkender
Maßnahmen an PflegeheimbewohnerInnen wegen Selbst- oder
Fremdgefährdung einer schon lange überfälligen Regelung zugeführt
werden soll. Nachdem mit dem VfGH-Erk vom 28.6.2003, G 208/02-16,
diesbezüglich die ausschließliche Regelungskompetenz des Bundes
festgestellt wurde, steht der Umsetzung nichts mehr im Wege, wobei
der Entwurf in einigen Punkten durchaus verbesserungsbedürftig ist. | Bundes-Heimvertragsgesetz |
| |
1993
wurde mit der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gem
Art 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen für pflegebedürftige Personen (BGBl
1993/866) die Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit neu
geregelt. Kern dieser Neuregelung war die Einführung des
Pflegegeldes durch das Bundes- und die neun LandespflegegeldGe: | Zum Pflegegeld |
„Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte
Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen
soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie
die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes
Leben zu führen;” § 1 BPGG. | |
Voraussetzung für einen Anspruch auf Pflegegeld ist
der Bezug einer Pension oder einer ähnlichen Leistung (§ 3 BPGG),
ein zu erwartender Pflegebedarf von mindestens sechs Monaten sowie
von durchschnittlich mehr als 50 Stunden pro Monat; § 4 BPGG. Der
weit überwiegende Anteil der Pflegegeldbezieher erhält Bundes-Pflegegeld.
Nur bei Ruhebezügen, die auf einem landesrechtlichen Dienstverhältnis
beruhen, sowie in einigen Sonderfällen steht Landes-Pflegegeld zu.
Der Pflegegeldanspruch besteht unabhängig von Einkommen und Vermögen. | |
| Abbildung 5.10: Pflegegeld |
|
| Abbildung 5.11: Anzahl der Pflegegeldbezieher |
|
| |
| Abbildung 5.12: Gesamtkosten des Pflegegeldes |
|
D. Zu
Funktion und Wandel des Vertrags |
I. Die klassische
Vertragslehre | |
Die
klassische Vertragslehre geht davon aus, dass die Vertragsparteien
den gesamten Vertragsinhalt – also alle Bedingungen und Einzelheiten
ihrer Vereinbarung – vollständig und frei untereinander aushandeln.
Wir wissen, dass diese Grundvoraussetzung heute oft nicht zutrifft,
aber dennoch fingiert wird. Das Leitbild des Individualvertrags
wurde im modernen Rechtsgeschäftsverkehr durch den Massenvertrag
ersetzt, freies Aushandeln durch häufiges „Unterwerfen”; dh zB ein
pauschales Akzeptieren der vom Verkäufer aufgestellten Bedingungen
durch den Käufer. Dem Käufer bleibt oft nur die mehr oder weniger
enge Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Marktanbietern. | Vom Individual- zum Massenvertrag |
| |
und
H.S. MaineW. Friedmann, Recht und sozialer Wandel (1969), hat diese
Entwicklung untersucht und nennt vier Gründe, welche die soziale
Funktion des Vertrages in der Entstehungszeit moderner industrieller
und kapitalistischer Gesellschaften charakterisieren. Dazu kommt,
dass das für das Privatrecht so zentrale und typische Rechtsinstitut
Vertrag – das seinerseits beachtlichen entwicklungsgeschichtlichen
Wandlungen unterlag – rechtshistorisch nicht unwesentlich dazu beigetragen
hat, um Menschen persönlich und gesellschaftlich freier und unabhängiger
zu machen, sie aus alten, gesellschaftlich gewachsenen (Rechts)Zwängen
und Status-Abhängigkeiten zu lösen. Diese von der Rechtsgeschichte
oft vernachlässigte Funktion des Vertrags beleuchtet die Hypothese
des Amerikaners H. S. Maine (Ancient Law 1861, Neuausgabe Boston
1963, S. 295 ff), deren kurze Formel lautet:
From
Status to Contract.
| W. Friedmann |
| |
„Die soziale [iSv:
gesellschaftliche] Funktion des Vertrags in der
Entstehungszeit der modernen industriellen und kapitalistischen
Gesellschaft wird durch vier Elemente gekennzeichnet: [1] wirtschaftliche
Bewegungsfreiheit des Einzelnen, [2] Absicherung
gegen kalkulierbare wirtschaftliche Risiken,
[3] Privatautonomie und [4] Gleichheit der
Parteien.” – Zur „wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit” führt
Friedmann aaO 99 f aus: „In einer im Entstehen begriffenen Industriegesellschaft
war der Vertrag das rechtliche Instrument, das Menschen und Waren
einen freien Verkehr ermöglichte. Und eben dies ist der Hauptaspekt
der Maine’schen These, daß progressive Gesellschaften vom bloßen
Standes- [oder Status-] zum Vertragsrecht übergehen. Im Gegensatz
zu einem Rechtsstatus, der durch [gesellschaftliche] Bindungen und
Bedingungen bestimmt wird, die außerhalb der persönlichen Entscheidungsfreiheit liegen,
erlaubt der Vertrag dem Einzelnen, Aufenthaltsort und Beschäftigung
zu wechseln. – Im amerikanischen Bürgerkrieg [Friedmann war Professor
an der Columbia Universität in N.Y.] stand hinter der ideologischen
Auseinandersetzung zwischen Sklaverei und individueller Freiheit
[auch] der Widerstreit zwischen Status und Vertrag. Die
ländlich strukturierte, vom Patriarchat geprägte und statische Gesellschaft
des Südens wünschte eine hierarchische Unbeweglichkeit. Der Sklave
als Bestandteil des Eigentums stand auf der untersten Sprosse der
Stufenleiter, wenngleich – wie sich in der Folgezeit zeigen sollte
– seine wirtschaftliche und soziale Lage oft besser war als innerhalb
der mobilen und freien Wirtschaftsordnung, die der industrialisierte
und kommerzialisierte Norden forderte und erreichte. Einstellungs-
und Kündigungsfreiheit und die uneingeschränkte freie Wahl des Arbeitsplatzes sind
Kennzeichen dieser Gesellschaft .... | From status to contract |
Die Entwicklung vom Status zum Vertrag,
von der Unbeweglichkeit zur Bewegungsfreiheit, dehnt sich allmählich über
den Bereich der Handels- und Arbeitsverträge auf
alle Lebensgebiete aus. Sie griff auf familienrechtliche Verhältnisse
und auf das Erbrecht über. Sie wurde zur Grundlage
der Vereins- und Gewerkschaftsmitgliedschaft. Schritt
für Schritt faßte sie sogar Fuß im Recht des Grundbesitzes,
der Grundstücksveräußerung und -vererbung.” | |
Diese Ausführungen erscheinen für ein tieferes Verständnis
des Vertrags und seiner Funktionen von Bedeutung. Die Vertragsfreiheit –
als Freiheit für jedermann Verträge zu schließen – ist aber viel
älter und wurde nicht erst im amerikanischen Bürgerkrieg geschaffen.
In Österreich hatte sie K. A. v. Martini in seinen Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuchs (1796) und in das WGGB (1797) aufgenommen,
von wo sie leider nicht ins ABGB gelangte → Vertragsfreiheit
und Privatautonomie
| |
Erstmals gewährt wurde Vertragsfreiheit von Solon im
Rahmen seiner Gesetzgebung 594/93 v. C. für alle Bürger Athens /
Attikas: Sie war ua die Konsequenz der damals gewährten unverlierbaren
bürgerlichen Freiheit (Aufhebung der Schuldknechtschaft)
samt der privatrechtlichen und (wenn auch noch nicht vollständigen,
so doch schon weitgehenden) öffentlichrechtlich-politischen Gleichheit.
Freiheit (Eleutheria) und Gleichheit (Isonomia) waren unverzichtbare
Voraussetzungen, um „moderne” Rechtssubjekte zu
schaffen, die Träger von subjektiven Rechten und Pflichten sein
und Verträge schließen konnten. – Dieser frühe griechische Entwicklungsstandard ermöglichte
idF das Entstehen der Demokratie, die freie und
gleiche Individuen als Träger politischer Teilhaberechte am Staat
/ der Polis voraussetzt. Der Vertrag ist somit seit der Antike ein
wichtiges rechtlich-gesellschaftliches Gestaltungsmittel des Menschen,
um seine Interessen festzuschreiben und insbesondere auch sein Wirtschaften rechtlich
abzusichern. | |
| |
Die gesellschaftliche Entwicklung hat dazu beigetragen,
die klassische Vertragslehre zum Idealtypus werden zu lassen, dem
in der Praxis oft abweichende Realtypen gegenüberstehen. – Als wichtigste
soziale Ursachen der „
Wandlung
des Vertragsbegriffs“ führt
Friedmann folgende an (S. 110 f): | |
„Vier Faktoren können als hauptverantwortlich
für eine Wandlung der Funktion und des Wesens des Vertrags angesehen
werden, ... : | |
• Der erste Faktor
[1] ist der starke Konzentrationsprozeß in Industrie
und Handel, der mit einer zunehmenden Vermassung und einer Standardisierung
des Lebens einhergeht. Sein juristisches Ergebnis sind die ‚allgemeinen Geschäftsbedingungen’
oder der ‚Standardvertrag’. | |
• Der zweite Faktor [2] ist die immer häufigere Verdrängung
des Individualvertrags
durch kollektives Aushandeln in der Industriegesellschaft.
Seinen rechtlichen Niederschlag findet er im Tarif[Kollektiv]vertrag
zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaft, wobei die Mitwirkung
des Staates unterschiedlich stark ist. | |
• Der dritte Faktor [3] besteht in der gewaltigen Ausweitung
der Wohlfahrts- und Sozialleistungsfunktionen des Staates....
Er hat ein doppeltes rechtliches Ergebnis; einmal eine Vielzahl
gesetzlich vorgeschriebener Vertragsbestimmungen, die entweder die
zwischen den Parteien vereinbarten ersetzen oder sie ergänzen [zB
im Arbeitsrecht oder dem Konsumentenschutz]; zum andern werden jetzt
wesentlich mehr Verträge zwischen Regierung oder anderen öffentlichen
Stellen einerseits und einem privaten Kontrahenten andrerseits abgeschlossen.
Das hat nachhaltige Wirkungen auf das Vertragsrecht .... | |
• Schließlich [4] wird der Aspekt der
wirtschaftlichen Sicherungsgarantie des Vertrags, dh. die
Sanktionierung des Vertragsbruchs, durch die Zunahme politischer,
wirtschaftlicher und sozialer Katastrophen wie Krieg, Revolution
und Inflation immer mehr beeinflußt. Das juristische Resultat ist
die Lehre von der Vernichtbarkeit des Vertrages mit der folgerichtigen
Ausweitung rechtlicher Entschuldigungsgründe für seine Nichterfüllung.” | |
| |
• Als weitere Gründe
der Wandlung des Vertragsbegriffs können heute der umfassende Einsatz
von EDV und Internet sowie die Globalisierung (und
der dadurch weiter forcierte Konzentrationsprozess) angesehen werden. Dazu
tritt der politische Prozess der Europäisierung (EU)
und die Harmonisierung und Internationalisierung des
Vertragsrechts durch diverse Abkommen; zB CISG → KAPITEL 1: Das
UN- oder Wiener
Kaufrecht. | |
| |